Wir maschirten gerade durch Gießen, und ka- men auf die nächsten Dörfer zu liegen, wo wir den folgenden Tag Rasttag hatten.
Nachmittags kamen viele, wenigstens über drey- ßig Studenten zu mir ins Quartier, brachten Wein und Eßwaaren mit, und wir machten uns nach Herzenslust einen frohen Tag. Ich mußte Ihnen versprechen, sie den folgenden Morgen in Gießen zu besuchen, und hielt Wort, da ich immer gern einen Ort wiedersehe, der mir ehedem so viel ange- nehme und unangenehme Stunden gemacht hat.
Ich gieng also den andern Tag frühe hinein, und fand, daß das gute Gießen nichts mehr und nichts weniger war, als -- Gießen. Die Straßen waren noch eben so schlecht gepflastert, eben so schmutzig, als ehedem; und die Bürger und Bürgerinnen, samt den jungen Burschen und Mädchen, saßen noch, wie sonst, in den Bier- und Branteweinsschenken: kurz, Alles war noch beym Alten.
Ich erkundigte mich nach der Beschaffenheit der Universität; konnte aber nichts erbauliches heraus- bringen. Die Universität hatte an Studenten sehr abgenommen, aber an Professoren gewonnen, we- nigstens der Zahl nach, wie in Halle, Leipzig, Jena und anderwärts. Der Komment der Bursche hatte zwar jenes alte Rohe nicht mehr, wie ich es im ersten Theile dieses Werkchens beschrieben habe;
Wir maſchirten gerade durch Gießen, und ka- men auf die naͤchſten Doͤrfer zu liegen, wo wir den folgenden Tag Raſttag hatten.
Nachmittags kamen viele, wenigſtens uͤber drey- ßig Studenten zu mir ins Quartier, brachten Wein und Eßwaaren mit, und wir machten uns nach Herzensluſt einen frohen Tag. Ich mußte Ihnen verſprechen, ſie den folgenden Morgen in Gießen zu beſuchen, und hielt Wort, da ich immer gern einen Ort wiederſehe, der mir ehedem ſo viel ange- nehme und unangenehme Stunden gemacht hat.
Ich gieng alſo den andern Tag fruͤhe hinein, und fand, daß das gute Gießen nichts mehr und nichts weniger war, als — Gießen. Die Straßen waren noch eben ſo ſchlecht gepflaſtert, eben ſo ſchmutzig, als ehedem; und die Buͤrger und Buͤrgerinnen, ſamt den jungen Burſchen und Maͤdchen, ſaßen noch, wie ſonſt, in den Bier- und Branteweinsſchenken: kurz, Alles war noch beym Alten.
Ich erkundigte mich nach der Beſchaffenheit der Univerſitaͤt; konnte aber nichts erbauliches heraus- bringen. Die Univerſitaͤt hatte an Studenten ſehr abgenommen, aber an Profeſſoren gewonnen, we- nigſtens der Zahl nach, wie in Halle, Leipzig, Jena und anderwaͤrts. Der Komment der Burſche hatte zwar jenes alte Rohe nicht mehr, wie ich es im erſten Theile dieſes Werkchens beſchrieben habe;
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[13/0025]
Wir maſchirten gerade durch Gießen, und ka-
men auf die naͤchſten Doͤrfer zu liegen, wo wir
den folgenden Tag Raſttag hatten.
Nachmittags kamen viele, wenigſtens uͤber drey-
ßig Studenten zu mir ins Quartier, brachten Wein
und Eßwaaren mit, und wir machten uns nach
Herzensluſt einen frohen Tag. Ich mußte Ihnen
verſprechen, ſie den folgenden Morgen in Gießen
zu beſuchen, und hielt Wort, da ich immer gern
einen Ort wiederſehe, der mir ehedem ſo viel ange-
nehme und unangenehme Stunden gemacht hat.
Ich gieng alſo den andern Tag fruͤhe hinein, und
fand, daß das gute Gießen nichts mehr und nichts
weniger war, als — Gießen. Die Straßen waren
noch eben ſo ſchlecht gepflaſtert, eben ſo ſchmutzig,
als ehedem; und die Buͤrger und Buͤrgerinnen,
ſamt den jungen Burſchen und Maͤdchen, ſaßen noch,
wie ſonſt, in den Bier- und Branteweinsſchenken:
kurz, Alles war noch beym Alten.
Ich erkundigte mich nach der Beſchaffenheit der
Univerſitaͤt; konnte aber nichts erbauliches heraus-
bringen. Die Univerſitaͤt hatte an Studenten ſehr
abgenommen, aber an Profeſſoren gewonnen, we-
nigſtens der Zahl nach, wie in Halle, Leipzig, Jena
und anderwaͤrts. Der Komment der Burſche
hatte zwar jenes alte Rohe nicht mehr, wie ich es
im erſten Theile dieſes Werkchens beſchrieben habe;
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/25>, abgerufen am 24.11.2024.
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