Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ten die hungernden Soldaten sie sich zu Nutze und
kochten sie zum Kommißfleisch. In diesen Gegen-
den giebt es starke Bienenzucht: aber die Bienen-
stöcke, welche in den Dörfern, die wir passirten, an-
zutreffen waren, wurden alle verdorben und beraubt.
Manche Soldaten wurden dabey oft so von den
Bienen zerstochen, daß sie ganz unkenntliche Larven
hatten. Der Anblick dieser im Gesicht und an den
Händen dickgeschwollner Bienenstürmer hat Manche
lachen gemacht.

Das Elend wurde täglich größer: die Wege wur-
den immer schlechter, und die Mannschaft, wie die
Pferde, matter und kränker. Von Hans an bis
nach Luxembourg war der Marsch der Preußen
mit todten Pferden wie angefüllt: alle fünf Schritte
lag so ein Thier, entweder schon todt oder doch dem
Tode nahe. Manche hatte man auch, weil sie
gar nicht mehr ziehen konnten, laufen lassen und
sie dem Hungertode preis gegeben. Vielleicht ha-
ben nach unserm Abzuge die Bauren sie aufgefan-
gen oder aus Mitleid getödtet. Es war wirklich
ein schrecklicher Anblick, so viel armes Vieh daherum
liegen zu sehen, das zum Theil noch lebte, und
über deren Körper Wagen, andre Pferde und Men-
schen quatschten. Aber für Pferde durfte man
damals kein Mitleid haben: man konnte es nicht
'mal für Menschen! --


ten die hungernden Soldaten ſie ſich zu Nutze und
kochten ſie zum Kommißfleiſch. In dieſen Gegen-
den giebt es ſtarke Bienenzucht: aber die Bienen-
ſtoͤcke, welche in den Doͤrfern, die wir paſſirten, an-
zutreffen waren, wurden alle verdorben und beraubt.
Manche Soldaten wurden dabey oft ſo von den
Bienen zerſtochen, daß ſie ganz unkenntliche Larven
hatten. Der Anblick dieſer im Geſicht und an den
Haͤnden dickgeſchwollner Bienenſtuͤrmer hat Manche
lachen gemacht.

Das Elend wurde taͤglich groͤßer: die Wege wur-
den immer ſchlechter, und die Mannſchaft, wie die
Pferde, matter und kraͤnker. Von Hans an bis
nach Luxembourg war der Marſch der Preußen
mit todten Pferden wie angefuͤllt: alle fuͤnf Schritte
lag ſo ein Thier, entweder ſchon todt oder doch dem
Tode nahe. Manche hatte man auch, weil ſie
gar nicht mehr ziehen konnten, laufen laſſen und
ſie dem Hungertode preis gegeben. Vielleicht ha-
ben nach unſerm Abzuge die Bauren ſie aufgefan-
gen oder aus Mitleid getoͤdtet. Es war wirklich
ein ſchrecklicher Anblick, ſo viel armes Vieh daherum
liegen zu ſehen, das zum Theil noch lebte, und
uͤber deren Koͤrper Wagen, andre Pferde und Men-
ſchen quatſchten. Aber fuͤr Pferde durfte man
damals kein Mitleid haben: man konnte es nicht
'mal fuͤr Menſchen! —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="194"/>
ten die hungernden Soldaten &#x017F;ie &#x017F;ich zu Nutze und<lb/>
kochten &#x017F;ie zum Kommißflei&#x017F;ch. In die&#x017F;en Gegen-<lb/>
den giebt es &#x017F;tarke Bienenzucht: aber die Bienen-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;cke, welche in den Do&#x0364;rfern, die wir pa&#x017F;&#x017F;irten, an-<lb/>
zutreffen waren, wurden alle verdorben und beraubt.<lb/>
Manche Soldaten wurden dabey oft &#x017F;o von den<lb/>
Bienen zer&#x017F;tochen, daß &#x017F;ie ganz unkenntliche Larven<lb/>
hatten. Der Anblick die&#x017F;er im Ge&#x017F;icht und an den<lb/>
Ha&#x0364;nden dickge&#x017F;chwollner Bienen&#x017F;tu&#x0364;rmer hat Manche<lb/>
lachen gemacht.</p><lb/>
        <p>Das Elend wurde ta&#x0364;glich gro&#x0364;ßer: die Wege wur-<lb/>
den immer &#x017F;chlechter, und die Mann&#x017F;chaft, wie die<lb/>
Pferde, matter und kra&#x0364;nker. Von <hi rendition="#g">Hans</hi> an bis<lb/>
nach <hi rendition="#g">Luxembourg</hi> war der Mar&#x017F;ch der Preußen<lb/>
mit todten Pferden wie angefu&#x0364;llt: alle fu&#x0364;nf Schritte<lb/>
lag &#x017F;o ein Thier, entweder &#x017F;chon todt oder doch dem<lb/>
Tode nahe. Manche hatte man auch, weil &#x017F;ie<lb/>
gar nicht mehr ziehen konnten, laufen la&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
&#x017F;ie dem Hungertode preis gegeben. Vielleicht ha-<lb/>
ben nach un&#x017F;erm Abzuge die Bauren &#x017F;ie aufgefan-<lb/>
gen oder aus Mitleid geto&#x0364;dtet. Es war wirklich<lb/>
ein &#x017F;chrecklicher Anblick, &#x017F;o viel armes Vieh daherum<lb/>
liegen zu &#x017F;ehen, das zum Theil noch lebte, und<lb/>
u&#x0364;ber deren Ko&#x0364;rper Wagen, andre Pferde und Men-<lb/>
&#x017F;chen quat&#x017F;chten. Aber fu&#x0364;r Pferde durfte man<lb/>
damals kein Mitleid haben: man konnte es nicht<lb/>
'mal fu&#x0364;r Men&#x017F;chen! &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0206] ten die hungernden Soldaten ſie ſich zu Nutze und kochten ſie zum Kommißfleiſch. In dieſen Gegen- den giebt es ſtarke Bienenzucht: aber die Bienen- ſtoͤcke, welche in den Doͤrfern, die wir paſſirten, an- zutreffen waren, wurden alle verdorben und beraubt. Manche Soldaten wurden dabey oft ſo von den Bienen zerſtochen, daß ſie ganz unkenntliche Larven hatten. Der Anblick dieſer im Geſicht und an den Haͤnden dickgeſchwollner Bienenſtuͤrmer hat Manche lachen gemacht. Das Elend wurde taͤglich groͤßer: die Wege wur- den immer ſchlechter, und die Mannſchaft, wie die Pferde, matter und kraͤnker. Von Hans an bis nach Luxembourg war der Marſch der Preußen mit todten Pferden wie angefuͤllt: alle fuͤnf Schritte lag ſo ein Thier, entweder ſchon todt oder doch dem Tode nahe. Manche hatte man auch, weil ſie gar nicht mehr ziehen konnten, laufen laſſen und ſie dem Hungertode preis gegeben. Vielleicht ha- ben nach unſerm Abzuge die Bauren ſie aufgefan- gen oder aus Mitleid getoͤdtet. Es war wirklich ein ſchrecklicher Anblick, ſo viel armes Vieh daherum liegen zu ſehen, das zum Theil noch lebte, und uͤber deren Koͤrper Wagen, andre Pferde und Men- ſchen quatſchten. Aber fuͤr Pferde durfte man damals kein Mitleid haben: man konnte es nicht 'mal fuͤr Menſchen! —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/206
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/206>, abgerufen am 21.11.2024.