dasigen Pfarrers, Hrn. Wageners, sonst Magister Weitmaul genannt, hatte sich in der ganzen Gegend das Gerücht verbreitet, ich hätte mich mit einem ge- wissen Mädchen zu weit eingelassen und deswegen müßte ich flüchtig werden. Wäre dies zu der Zeit wahr gewesen, so würde ich es jetzt bekennen: denn an Offenherzigkeit, glaub ich, fehlt mir es wol nicht. Aber es war nicht wahr, und die Anekdote war leicht weiter nichts, als das Resultat von Pfaffen- rache. So dumm indeß diese Posse angesponnen war, so erhielt sie doch, nach der bekannten Ur- theilsfähigkeit meiner respectiven Herren Landesleute, starken Glauben und wurde schon als eine gewisse Thatsache, von Fraubase zu Fraubase herum getra- gen. Die Zeit war zu kurz, um thätige Genug- thuung zu suchen; ich begnügte mich daher mit der Ausfertigung einer Stachelschrift auf einige Herren und Damen, welche mich besonders zu blamiren ge- sucht hatten. Das Ding wurde durch mehrere Ab- schriften publik gemacht und was es gewirkt habe, be- richtete mir mein Vater in seinem ersten Brief nach Halle.
Nachdem ich zu Hause angekommen war, wur- den ernstliche Anstalten zur Abreise getroffen. Ich ergözte mich auch noch, so lange ich konnte, mit mei- nen lieben Freunden, worunter aber nur Einige aus- gehalten haben bis ans Ende, ohne jemals Falschheit
daſigen Pfarrers, Hrn. Wageners, ſonſt Magiſter Weitmaul genannt, hatte ſich in der ganzen Gegend das Geruͤcht verbreitet, ich haͤtte mich mit einem ge- wiſſen Maͤdchen zu weit eingelaſſen und deswegen muͤßte ich fluͤchtig werden. Waͤre dies zu der Zeit wahr geweſen, ſo wuͤrde ich es jetzt bekennen: denn an Offenherzigkeit, glaub ich, fehlt mir es wol nicht. Aber es war nicht wahr, und die Anekdote war leicht weiter nichts, als das Reſultat von Pfaffen- rache. So dumm indeß dieſe Poſſe angeſponnen war, ſo erhielt ſie doch, nach der bekannten Ur- theilsfaͤhigkeit meiner reſpectiven Herren Landesleute, ſtarken Glauben und wurde ſchon als eine gewiſſe Thatſache, von Fraubaſe zu Fraubaſe herum getra- gen. Die Zeit war zu kurz, um thaͤtige Genug- thuung zu ſuchen; ich begnuͤgte mich daher mit der Ausfertigung einer Stachelſchrift auf einige Herren und Damen, welche mich beſonders zu blamiren ge- ſucht hatten. Das Ding wurde durch mehrere Ab- ſchriften publik gemacht und was es gewirkt habe, be- richtete mir mein Vater in ſeinem erſten Brief nach Halle.
Nachdem ich zu Hauſe angekommen war, wur- den ernſtliche Anſtalten zur Abreiſe getroffen. Ich ergoͤzte mich auch noch, ſo lange ich konnte, mit mei- nen lieben Freunden, worunter aber nur Einige aus- gehalten haben bis ans Ende, ohne jemals Falſchheit
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daſigen Pfarrers, Hrn. Wageners, ſonſt Magiſter
Weitmaul genannt, hatte ſich in der ganzen Gegend
das Geruͤcht verbreitet, ich haͤtte mich mit einem ge-
wiſſen Maͤdchen zu weit eingelaſſen und deswegen
muͤßte ich fluͤchtig werden. Waͤre dies zu der Zeit
wahr geweſen, ſo wuͤrde ich es jetzt bekennen: denn
an Offenherzigkeit, glaub ich, fehlt mir es wol nicht.
Aber es war nicht wahr, und die Anekdote war
leicht weiter nichts, als das Reſultat von Pfaffen-
rache. So dumm indeß dieſe Poſſe angeſponnen
war, ſo erhielt ſie doch, nach der bekannten Ur-
theilsfaͤhigkeit meiner reſpectiven Herren Landesleute,
ſtarken Glauben und wurde ſchon als eine gewiſſe
Thatſache, von Fraubaſe zu Fraubaſe herum getra-
gen. Die Zeit war zu kurz, um thaͤtige Genug-
thuung zu ſuchen; ich begnuͤgte mich daher mit der
Ausfertigung einer Stachelſchrift auf einige Herren
und Damen, welche mich beſonders zu blamiren ge-
ſucht hatten. Das Ding wurde durch mehrere Ab-
ſchriften publik gemacht und was es gewirkt habe, be-
richtete mir mein Vater in ſeinem erſten Brief
nach Halle.
Nachdem ich zu Hauſe angekommen war, wur-
den ernſtliche Anſtalten zur Abreiſe getroffen. Ich
ergoͤzte mich auch noch, ſo lange ich konnte, mit mei-
nen lieben Freunden, worunter aber nur Einige aus-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/78>, abgerufen am 24.11.2024.
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