Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

auch gelesen: die schönsten Stellen wissen die Herren
auswendig, und wissen sie recht geschickt anzubrin-
gen. Ich habe mich oft gefreut, wie ganz junge
Officire von 15 bis 16 Jahren die herrlichsten Stel-
len aus Voltärs, Russos, oder andrer Autoren
Schriften, ohne alle Pedanterie, in ihren Unterre-
dungen einzuschalten wusten. Daran aber ist die ede-
le Erziehung Schuld, welche man in Frankreich dem
jungen, zum Militärstande bestimmten Adel zu ge-
ben sucht.

Die Lebensart dieser Herren ist äußerst fein,
und ihre Sitten so einnehmend, so gefällig, daß ich
mich gar nicht wundre, daß ein französischer Fähn-
drich einen deutschen Grafen beim Frauenzimmer
aussticht, wie sichs oft zugetragen hat. Diese Leute
haben keinen Ahnenstolz, und bilden sich auf ihren
Adel ganz und gar nichts ein. Ich bin von vie-
len, die ich gekannt habe, recht freundschaftlich be-
handelt worden. Grobheit und Unhöflichkeit ist da
weit weg.

Die Ehre eines französischen Officiers besteht
einzig und allein in der genauen Erfüllung seiner
Pflichten, gerade wie ehemals in Athen und in Rom,
wo nur der Ehre genoß, der seiner Pflicht aufs ge-
nauste entsprach. Den Dienst versäumen, wider
seine Schuldigkeit fehlen, heißt in Frankreich
sich prostituiren. Man sprach damals von einem

auch geleſen: die ſchoͤnſten Stellen wiſſen die Herren
auswendig, und wiſſen ſie recht geſchickt anzubrin-
gen. Ich habe mich oft gefreut, wie ganz junge
Officire von 15 bis 16 Jahren die herrlichſten Stel-
len aus Voltaͤrs, Ruſſos, oder andrer Autoren
Schriften, ohne alle Pedanterie, in ihren Unterre-
dungen einzuſchalten wuſten. Daran aber iſt die ede-
le Erziehung Schuld, welche man in Frankreich dem
jungen, zum Militaͤrſtande beſtimmten Adel zu ge-
ben ſucht.

Die Lebensart dieſer Herren iſt aͤußerſt fein,
und ihre Sitten ſo einnehmend, ſo gefaͤllig, daß ich
mich gar nicht wundre, daß ein franzoͤſiſcher Faͤhn-
drich einen deutſchen Grafen beim Frauenzimmer
ausſticht, wie ſichs oft zugetragen hat. Dieſe Leute
haben keinen Ahnenſtolz, und bilden ſich auf ihren
Adel ganz und gar nichts ein. Ich bin von vie-
len, die ich gekannt habe, recht freundſchaftlich be-
handelt worden. Grobheit und Unhoͤflichkeit iſt da
weit weg.

Die Ehre eines franzoͤſiſchen Officiers beſteht
einzig und allein in der genauen Erfuͤllung ſeiner
Pflichten, gerade wie ehemals in Athen und in Rom,
wo nur der Ehre genoß, der ſeiner Pflicht aufs ge-
nauſte entſprach. Den Dienſt verſaͤumen, wider
ſeine Schuldigkeit fehlen, heißt in Frankreich
ſich proſtituiren. Man ſprach damals von einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="31"/>
auch gele&#x017F;en: die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Stellen wi&#x017F;&#x017F;en die Herren<lb/>
auswendig, und wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie recht ge&#x017F;chickt anzubrin-<lb/>
gen. Ich habe mich oft gefreut, wie ganz junge<lb/>
Officire von 15 bis 16 Jahren die herrlich&#x017F;ten Stel-<lb/>
len aus <hi rendition="#g">Volta&#x0364;rs</hi>, Ru&#x017F;&#x017F;os, oder andrer Autoren<lb/>
Schriften, ohne alle Pedanterie, in ihren Unterre-<lb/>
dungen einzu&#x017F;chalten wu&#x017F;ten. Daran aber i&#x017F;t die ede-<lb/>
le Erziehung Schuld, welche man in Frankreich dem<lb/>
jungen, zum Milita&#x0364;r&#x017F;tande be&#x017F;timmten Adel zu ge-<lb/>
ben &#x017F;ucht.</p><lb/>
        <p>Die Lebensart die&#x017F;er Herren i&#x017F;t a&#x0364;ußer&#x017F;t fein,<lb/>
und ihre Sitten &#x017F;o einnehmend, &#x017F;o gefa&#x0364;llig, daß ich<lb/>
mich gar nicht wundre, daß ein franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Fa&#x0364;hn-<lb/>
drich einen deut&#x017F;chen Grafen beim Frauenzimmer<lb/>
aus&#x017F;ticht, wie &#x017F;ichs oft zugetragen hat. Die&#x017F;e Leute<lb/>
haben keinen Ahnen&#x017F;tolz, und bilden &#x017F;ich auf ihren<lb/>
Adel ganz und gar nichts ein. Ich bin von vie-<lb/>
len, die ich gekannt habe, recht freund&#x017F;chaftlich be-<lb/>
handelt worden. Grobheit und Unho&#x0364;flichkeit i&#x017F;t da<lb/>
weit weg.</p><lb/>
        <p>Die Ehre eines franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Officiers be&#x017F;teht<lb/>
einzig und allein in der genauen Erfu&#x0364;llung &#x017F;einer<lb/>
Pflichten, gerade wie ehemals in Athen und in Rom,<lb/>
wo nur <hi rendition="#g">der</hi> Ehre genoß, der &#x017F;einer Pflicht aufs ge-<lb/>
nau&#x017F;te ent&#x017F;prach. Den Dien&#x017F;t ver&#x017F;a&#x0364;umen, wider<lb/>
&#x017F;eine Schuldigkeit fehlen, heißt in Frankreich<lb/>
&#x017F;ich pro&#x017F;tituiren. Man &#x017F;prach damals von einem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0033] auch geleſen: die ſchoͤnſten Stellen wiſſen die Herren auswendig, und wiſſen ſie recht geſchickt anzubrin- gen. Ich habe mich oft gefreut, wie ganz junge Officire von 15 bis 16 Jahren die herrlichſten Stel- len aus Voltaͤrs, Ruſſos, oder andrer Autoren Schriften, ohne alle Pedanterie, in ihren Unterre- dungen einzuſchalten wuſten. Daran aber iſt die ede- le Erziehung Schuld, welche man in Frankreich dem jungen, zum Militaͤrſtande beſtimmten Adel zu ge- ben ſucht. Die Lebensart dieſer Herren iſt aͤußerſt fein, und ihre Sitten ſo einnehmend, ſo gefaͤllig, daß ich mich gar nicht wundre, daß ein franzoͤſiſcher Faͤhn- drich einen deutſchen Grafen beim Frauenzimmer ausſticht, wie ſichs oft zugetragen hat. Dieſe Leute haben keinen Ahnenſtolz, und bilden ſich auf ihren Adel ganz und gar nichts ein. Ich bin von vie- len, die ich gekannt habe, recht freundſchaftlich be- handelt worden. Grobheit und Unhoͤflichkeit iſt da weit weg. Die Ehre eines franzoͤſiſchen Officiers beſteht einzig und allein in der genauen Erfuͤllung ſeiner Pflichten, gerade wie ehemals in Athen und in Rom, wo nur der Ehre genoß, der ſeiner Pflicht aufs ge- nauſte entſprach. Den Dienſt verſaͤumen, wider ſeine Schuldigkeit fehlen, heißt in Frankreich ſich proſtituiren. Man ſprach damals von einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/33
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/33>, abgerufen am 19.04.2024.