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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Kapitän, welcher seinem Obersten widersprochen
hatte, und deswegen auf vier Monate auf die Cita-
delle gekommen war. Niemand entschuldigte den
Kapitain; und als ich einige Anmerkungen zu seiner
Vertheidigung vorbrachte, antwortete mir ein funf-
zehnjähriger Officier: ich verstände die Sache nicht:
was wider die Subordination wäre, wäre eben da-
durch malhonnete. Ein Officier, welcher sich den ge-
ringsten unredlichen Streich zu Schulden kommen
läst, wird kassirt: man kann ihn auch nicht in Dien-
sten lassen: denn alle andre Officire würden sich ge-
gen ihn verschwören, und er würde genöthigt wer-
den, bei Nacht und Nebel abzufahren. Zu derglei-
chen unredlichen Streichen gehört das manquer de
parole:
daher gilt auch das Wort eines französi-
schen Officiers mehr als Priesterwort und deutsche
Cavaliersparole. Niemals hat ein Officier einem
Soldaten, oder Rekruten etwas versprochen, das
er hernach nicht gehalten hätte.

Das ist wahres rühmliches point d'honneur,
womit sich aber auch viel falsches point d'honneur
vereinigt. Dahin gehören die häufigen Balgereien,
die sich sehr oft mit einem gewaltsamen Tode endig-
ten. Ein hiziges beleidigendes Wort, ein Vous
avez menti
(Sie haben gelogen) ist hinlänglich,
einen Duel anzuzetteln. Daher gehen diese Herren
auch auf die höflichste Art mit einander um, und be-

Kapitaͤn, welcher ſeinem Oberſten widerſprochen
hatte, und deswegen auf vier Monate auf die Cita-
delle gekommen war. Niemand entſchuldigte den
Kapitain; und als ich einige Anmerkungen zu ſeiner
Vertheidigung vorbrachte, antwortete mir ein funf-
zehnjaͤhriger Officier: ich verſtaͤnde die Sache nicht:
was wider die Subordination waͤre, waͤre eben da-
durch malhonnete. Ein Officier, welcher ſich den ge-
ringſten unredlichen Streich zu Schulden kommen
laͤſt, wird kaſſirt: man kann ihn auch nicht in Dien-
ſten laſſen: denn alle andre Officire wuͤrden ſich ge-
gen ihn verſchwoͤren, und er wuͤrde genoͤthigt wer-
den, bei Nacht und Nebel abzufahren. Zu derglei-
chen unredlichen Streichen gehoͤrt das manquer de
parole:
daher gilt auch das Wort eines franzoͤſi-
ſchen Officiers mehr als Prieſterwort und deutſche
Cavaliersparole. Niemals hat ein Officier einem
Soldaten, oder Rekruten etwas verſprochen, das
er hernach nicht gehalten haͤtte.

Das iſt wahres ruͤhmliches point d'honneur,
womit ſich aber auch viel falſches point d'honneur
vereinigt. Dahin gehoͤren die haͤufigen Balgereien,
die ſich ſehr oft mit einem gewaltſamen Tode endig-
ten. Ein hiziges beleidigendes Wort, ein Vous
avez menti
(Sie haben gelogen) iſt hinlaͤnglich,
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[32/0034] Kapitaͤn, welcher ſeinem Oberſten widerſprochen hatte, und deswegen auf vier Monate auf die Cita- delle gekommen war. Niemand entſchuldigte den Kapitain; und als ich einige Anmerkungen zu ſeiner Vertheidigung vorbrachte, antwortete mir ein funf- zehnjaͤhriger Officier: ich verſtaͤnde die Sache nicht: was wider die Subordination waͤre, waͤre eben da- durch malhonnete. Ein Officier, welcher ſich den ge- ringſten unredlichen Streich zu Schulden kommen laͤſt, wird kaſſirt: man kann ihn auch nicht in Dien- ſten laſſen: denn alle andre Officire wuͤrden ſich ge- gen ihn verſchwoͤren, und er wuͤrde genoͤthigt wer- den, bei Nacht und Nebel abzufahren. Zu derglei- chen unredlichen Streichen gehoͤrt das manquer de parole: daher gilt auch das Wort eines franzoͤſi- ſchen Officiers mehr als Prieſterwort und deutſche Cavaliersparole. Niemals hat ein Officier einem Soldaten, oder Rekruten etwas verſprochen, das er hernach nicht gehalten haͤtte. Das iſt wahres ruͤhmliches point d'honneur, womit ſich aber auch viel falſches point d'honneur vereinigt. Dahin gehoͤren die haͤufigen Balgereien, die ſich ſehr oft mit einem gewaltſamen Tode endig- ten. Ein hiziges beleidigendes Wort, ein Vous avez menti (Sie haben gelogen) iſt hinlaͤnglich, einen Duel anzuzetteln. Daher gehen dieſe Herren auch auf die hoͤflichſte Art mit einander um, und be-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/34>, abgerufen am 19.04.2024.