Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

daure den Herrn Bispink, als den Inhaber die-
ser Anstalt, daß er sein saures Verdienst für eine
Grille hingiebt, die weder ihm noch Andern from-
met. Er fährt nämlich eigensinnig fort, die beßten
Werke von Messe zu Messe anzuschaffen, die in Ge-
schichte, Statistik, Länder- und Völkerkunde, Phi-
losophie, Theologie u. dgl. einschlagen: und wer
lieset sie! Er hat nicht einmal in Halle so viel Lieb-
haber der ernsthaften Lectüre finden können, um ein
Journalistikum aus den besten Englischen, Französi-
schen und Italiänischen Zeitschriften gegen die billig-
sten Bedingungen zu Stande zu bringen. Wenn es
aber auf der berühmten hallischen Universität so ist,
wie mag es an kleinern und minderberühmten Oer-
tern seyn! Wie gesagt, wir leben in den Tagen der
Spiele und der Täuschung f).

So denke ich jetzt; 1784 dachte ich anders:
und daher kam es denn, daß ich das Romanlesen so
lange fortsetzte, als meine Freundschaft mit dem An-

f) Sonderbar, daß wenigstens in Halle, laut des Haupt-
buches in der akademischen Lesebibliothek, Studenten
aus minder cultivirten Gegenden die solidesten Leser im
Durchschnitt sind, und die unsolidesten -- die aus cul-
tivirtern. Bücher von der Art könnten vortrefliche
Dienste thun, um Data zu Thermometern der Köpfe
zu sammeln, für Gegenden, wo Nepotismus und an-
dere kleine Nebendinge die Posten nicht vertheilen.

daure den Herrn Bispink, als den Inhaber die-
ſer Anſtalt, daß er ſein ſaures Verdienſt fuͤr eine
Grille hingiebt, die weder ihm noch Andern from-
met. Er faͤhrt naͤmlich eigenſinnig fort, die beßten
Werke von Meſſe zu Meſſe anzuſchaffen, die in Ge-
ſchichte, Statiſtik, Laͤnder- und Voͤlkerkunde, Phi-
loſophie, Theologie u. dgl. einſchlagen: und wer
lieſet ſie! Er hat nicht einmal in Halle ſo viel Lieb-
haber der ernſthaften Lectuͤre finden koͤnnen, um ein
Journaliſtikum aus den beſten Engliſchen, Franzoͤſi-
ſchen und Italiaͤniſchen Zeitſchriften gegen die billig-
ſten Bedingungen zu Stande zu bringen. Wenn es
aber auf der beruͤhmten halliſchen Univerſitaͤt ſo iſt,
wie mag es an kleinern und minderberuͤhmten Oer-
tern ſeyn! Wie geſagt, wir leben in den Tagen der
Spiele und der Taͤuſchung f).

So denke ich jetzt; 1784 dachte ich anders:
und daher kam es denn, daß ich das Romanleſen ſo
lange fortſetzte, als meine Freundſchaft mit dem An-

f) Sonderbar, daß wenigſtens in Halle, laut des Haupt-
buches in der akademiſchen Leſebibliothek, Studenten
aus minder cultivirten Gegenden die ſolideſten Leſer im
Durchſchnitt ſind, und die unſolideſten — die aus cul-
tivirtern. Buͤcher von der Art koͤnnten vortrefliche
Dienſte thun, um Data zu Thermometern der Koͤpfe
zu ſammeln, fuͤr Gegenden, wo Nepotismus und an-
dere kleine Nebendinge die Poſten nicht vertheilen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0301" n="289[299]"/>
daure den Herrn <hi rendition="#g">Bispink</hi>, als den Inhaber die-<lb/>
&#x017F;er An&#x017F;talt, daß er &#x017F;ein &#x017F;aures Verdien&#x017F;t fu&#x0364;r eine<lb/>
Grille hingiebt, die weder ihm noch Andern from-<lb/>
met. Er fa&#x0364;hrt na&#x0364;mlich eigen&#x017F;innig fort, die beßten<lb/>
Werke von Me&#x017F;&#x017F;e zu Me&#x017F;&#x017F;e anzu&#x017F;chaffen, die in Ge-<lb/>
&#x017F;chichte, Stati&#x017F;tik, La&#x0364;nder- und Vo&#x0364;lkerkunde, Phi-<lb/>
lo&#x017F;ophie, Theologie u. dgl. ein&#x017F;chlagen: und wer<lb/>
lie&#x017F;et &#x017F;ie! Er hat nicht einmal in <hi rendition="#g">Halle</hi> &#x017F;o viel Lieb-<lb/>
haber der ern&#x017F;thaften Lectu&#x0364;re finden ko&#x0364;nnen, um ein<lb/>
Journali&#x017F;tikum aus den be&#x017F;ten Engli&#x017F;chen, Franzo&#x0364;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;chen und Italia&#x0364;ni&#x017F;chen Zeit&#x017F;chriften gegen die billig-<lb/>
&#x017F;ten Bedingungen zu Stande zu bringen. Wenn es<lb/>
aber auf der beru&#x0364;hmten halli&#x017F;chen Univer&#x017F;ita&#x0364;t &#x017F;o i&#x017F;t,<lb/>
wie mag es an kleinern und minderberu&#x0364;hmten Oer-<lb/>
tern &#x017F;eyn! Wie ge&#x017F;agt, wir leben in den Tagen der<lb/>
Spiele und der Ta&#x0364;u&#x017F;chung <note place="foot" n="f)">Sonderbar, daß wenig&#x017F;tens in Halle, laut des Haupt-<lb/>
buches in der akademi&#x017F;chen Le&#x017F;ebibliothek, Studenten<lb/>
aus minder cultivirten Gegenden die &#x017F;olide&#x017F;ten Le&#x017F;er im<lb/>
Durch&#x017F;chnitt &#x017F;ind, und die un&#x017F;olide&#x017F;ten &#x2014; die aus cul-<lb/>
tivirtern. Bu&#x0364;cher von der Art ko&#x0364;nnten vortrefliche<lb/>
Dien&#x017F;te thun, um Data zu Thermometern der Ko&#x0364;pfe<lb/>
zu &#x017F;ammeln, fu&#x0364;r Gegenden, wo Nepotismus und an-<lb/>
dere kleine Nebendinge die Po&#x017F;ten nicht vertheilen.</note>.</p><lb/>
        <p>So denke ich jetzt; 1784 dachte ich anders:<lb/>
und daher kam es denn, daß ich das Romanle&#x017F;en &#x017F;o<lb/>
lange fort&#x017F;etzte, als meine Freund&#x017F;chaft mit dem An-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289[299]/0301] daure den Herrn Bispink, als den Inhaber die- ſer Anſtalt, daß er ſein ſaures Verdienſt fuͤr eine Grille hingiebt, die weder ihm noch Andern from- met. Er faͤhrt naͤmlich eigenſinnig fort, die beßten Werke von Meſſe zu Meſſe anzuſchaffen, die in Ge- ſchichte, Statiſtik, Laͤnder- und Voͤlkerkunde, Phi- loſophie, Theologie u. dgl. einſchlagen: und wer lieſet ſie! Er hat nicht einmal in Halle ſo viel Lieb- haber der ernſthaften Lectuͤre finden koͤnnen, um ein Journaliſtikum aus den beſten Engliſchen, Franzoͤſi- ſchen und Italiaͤniſchen Zeitſchriften gegen die billig- ſten Bedingungen zu Stande zu bringen. Wenn es aber auf der beruͤhmten halliſchen Univerſitaͤt ſo iſt, wie mag es an kleinern und minderberuͤhmten Oer- tern ſeyn! Wie geſagt, wir leben in den Tagen der Spiele und der Taͤuſchung f). So denke ich jetzt; 1784 dachte ich anders: und daher kam es denn, daß ich das Romanleſen ſo lange fortſetzte, als meine Freundſchaft mit dem An- f) Sonderbar, daß wenigſtens in Halle, laut des Haupt- buches in der akademiſchen Leſebibliothek, Studenten aus minder cultivirten Gegenden die ſolideſten Leſer im Durchſchnitt ſind, und die unſolideſten — die aus cul- tivirtern. Buͤcher von der Art koͤnnten vortrefliche Dienſte thun, um Data zu Thermometern der Koͤpfe zu ſammeln, fuͤr Gegenden, wo Nepotismus und an- dere kleine Nebendinge die Poſten nicht vertheilen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/301
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 289[299]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/301>, abgerufen am 22.11.2024.