Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

leben in den Zeiten der Spiele und der Täuschung!
Könige spielen, Minister spielen, Soldaten spie-
len, Universitäter spielen, Consistorialräthe spielen,
und nur der geplagte Bürger und Bauer arbeitet
oft bis aufs Blut, und rechnet auf Belohnung im
Himmel! --

Wer da glaubt, daß ich das Wesen und die
Folgen des Romanlesens zu hoch berechne, den wird
schon der bloße Anblick einer Lesebibliothek, und
etwas Umgang mit Romanenlesern belehren können.
Wenigstens stehen in der akademischen Lesebibliothek
zu Halle die wissenschaftlichen Werke, wie alle Werke
von mehreren Bänden, sobald sie nicht Romane
sind, noch beinahe wie ganz neu da, und die lieben
Romane sind beschmutzt und beschädiget. Ich be-

Schneider, 1791. -- Unter andern Fehlern unserer
neumodischen Erziehung wird auch hier oberfläch-
liche Vielwisserei, Dünkel und verfrühte
Reife angegeben: und diese Fehler sollen sich immer um
so viel deutlicher zeigen, jemehr man bei Behandlung
der Zöglinge von den neuern Kinderschriften und Er-
ziehungsmethoden Gebrauch macht. Wer kann das leug-
nen? Es fällt doch gar sehr auf, daß die allermeisten
und beliebtesten neuen Kinderschriften mehr Nahrung
für Sinne und Einbildungskraft, als für Verstand
und Gedächtniß liefern. -- Kurz, man lese diese merk-
würdige Schrift selbst, und merke wohl, daß auch diese
Verfasserin sagt: "Unsere Pädagogen versündigen sich,
indem sie Kindern alles versinnlichen wollen."

leben in den Zeiten der Spiele und der Taͤuſchung!
Koͤnige ſpielen, Miniſter ſpielen, Soldaten ſpie-
len, Univerſitaͤter ſpielen, Conſiſtorialraͤthe ſpielen,
und nur der geplagte Buͤrger und Bauer arbeitet
oft bis aufs Blut, und rechnet auf Belohnung im
Himmel! —

Wer da glaubt, daß ich das Weſen und die
Folgen des Romanleſens zu hoch berechne, den wird
ſchon der bloße Anblick einer Leſebibliothek, und
etwas Umgang mit Romanenleſern belehren koͤnnen.
Wenigſtens ſtehen in der akademiſchen Leſebibliothek
zu Halle die wiſſenſchaftlichen Werke, wie alle Werke
von mehreren Baͤnden, ſobald ſie nicht Romane
ſind, noch beinahe wie ganz neu da, und die lieben
Romane ſind beſchmutzt und beſchaͤdiget. Ich be-

Schneider, 1791. — Unter andern Fehlern unſerer
neumodiſchen Erziehung wird auch hier oberflaͤch-
liche Vielwiſſerei, Duͤnkel und verfruͤhte
Reife angegeben: und dieſe Fehler ſollen ſich immer um
ſo viel deutlicher zeigen, jemehr man bei Behandlung
der Zoͤglinge von den neuern Kinderſchriften und Er-
ziehungsmethoden Gebrauch macht. Wer kann das leug-
nen? Es faͤllt doch gar ſehr auf, daß die allermeiſten
und beliebteſten neuen Kinderſchriften mehr Nahrung
fuͤr Sinne und Einbildungskraft, als fuͤr Verſtand
und Gedaͤchtniß liefern. — Kurz, man leſe dieſe merk-
wuͤrdige Schrift ſelbſt, und merke wohl, daß auch dieſe
Verfaſſerin ſagt: „Unſere Paͤdagogen verſuͤndigen ſich,
indem ſie Kindern alles verſinnlichen wollen.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0300" n="288[298]"/>
leben in den Zeiten der Spiele und der Ta&#x0364;u&#x017F;chung!<lb/>
Ko&#x0364;nige &#x017F;pielen, Mini&#x017F;ter &#x017F;pielen, Soldaten &#x017F;pie-<lb/>
len, Univer&#x017F;ita&#x0364;ter &#x017F;pielen, Con&#x017F;i&#x017F;torialra&#x0364;the &#x017F;pielen,<lb/>
und nur der geplagte Bu&#x0364;rger und Bauer arbeitet<lb/>
oft bis aufs Blut, und rechnet auf <choice><sic>Belohnuug</sic><corr>Belohnung</corr></choice> im<lb/>
Himmel! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wer da glaubt, daß ich das We&#x017F;en und die<lb/>
Folgen des Romanle&#x017F;ens zu hoch berechne, den wird<lb/>
&#x017F;chon der bloße Anblick einer Le&#x017F;ebibliothek, und<lb/>
etwas Umgang mit Romanenle&#x017F;ern belehren ko&#x0364;nnen.<lb/>
Wenig&#x017F;tens &#x017F;tehen in der akademi&#x017F;chen Le&#x017F;ebibliothek<lb/>
zu Halle die wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Werke, wie alle Werke<lb/>
von mehreren Ba&#x0364;nden, &#x017F;obald &#x017F;ie nicht Romane<lb/>
&#x017F;ind, noch beinahe wie ganz neu da, und die lieben<lb/>
Romane &#x017F;ind be&#x017F;chmutzt und be&#x017F;cha&#x0364;diget. Ich be-<lb/><note xml:id="note-0300" prev="#note-0299" place="foot" n="e)">Schneider, 1791. &#x2014; Unter andern Fehlern un&#x017F;erer<lb/>
neumodi&#x017F;chen Erziehung wird auch hier <hi rendition="#g">oberfla&#x0364;ch</hi>-<lb/><hi rendition="#g">liche Vielwi&#x017F;&#x017F;erei</hi>, <hi rendition="#g">Du&#x0364;nkel</hi> und <hi rendition="#g">verfru&#x0364;hte</hi><lb/>
Reife angegeben: und die&#x017F;e Fehler &#x017F;ollen &#x017F;ich immer um<lb/>
&#x017F;o viel deutlicher zeigen, jemehr man bei Behandlung<lb/>
der Zo&#x0364;glinge von den neuern Kinder&#x017F;chriften und Er-<lb/>
ziehungsmethoden Gebrauch macht. Wer kann das leug-<lb/>
nen? Es fa&#x0364;llt doch gar &#x017F;ehr auf, daß die allermei&#x017F;ten<lb/>
und beliebte&#x017F;ten neuen Kinder&#x017F;chriften mehr Nahrung<lb/>
fu&#x0364;r Sinne und Einbildungskraft, als fu&#x0364;r Ver&#x017F;tand<lb/>
und Geda&#x0364;chtniß liefern. &#x2014; Kurz, man le&#x017F;e die&#x017F;e merk-<lb/>
wu&#x0364;rdige Schrift &#x017F;elb&#x017F;t, und merke wohl, daß auch die&#x017F;e<lb/><choice><sic>Berfa&#x017F;&#x017F;erin</sic><corr>Verfa&#x017F;&#x017F;erin</corr></choice> &#x017F;agt: &#x201E;Un&#x017F;ere Pa&#x0364;dagogen ver&#x017F;u&#x0364;ndigen &#x017F;ich,<lb/>
indem &#x017F;ie Kindern alles ver&#x017F;innlichen wollen.&#x201C;</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288[298]/0300] leben in den Zeiten der Spiele und der Taͤuſchung! Koͤnige ſpielen, Miniſter ſpielen, Soldaten ſpie- len, Univerſitaͤter ſpielen, Conſiſtorialraͤthe ſpielen, und nur der geplagte Buͤrger und Bauer arbeitet oft bis aufs Blut, und rechnet auf Belohnung im Himmel! — Wer da glaubt, daß ich das Weſen und die Folgen des Romanleſens zu hoch berechne, den wird ſchon der bloße Anblick einer Leſebibliothek, und etwas Umgang mit Romanenleſern belehren koͤnnen. Wenigſtens ſtehen in der akademiſchen Leſebibliothek zu Halle die wiſſenſchaftlichen Werke, wie alle Werke von mehreren Baͤnden, ſobald ſie nicht Romane ſind, noch beinahe wie ganz neu da, und die lieben Romane ſind beſchmutzt und beſchaͤdiget. Ich be- e) e) Schneider, 1791. — Unter andern Fehlern unſerer neumodiſchen Erziehung wird auch hier oberflaͤch- liche Vielwiſſerei, Duͤnkel und verfruͤhte Reife angegeben: und dieſe Fehler ſollen ſich immer um ſo viel deutlicher zeigen, jemehr man bei Behandlung der Zoͤglinge von den neuern Kinderſchriften und Er- ziehungsmethoden Gebrauch macht. Wer kann das leug- nen? Es faͤllt doch gar ſehr auf, daß die allermeiſten und beliebteſten neuen Kinderſchriften mehr Nahrung fuͤr Sinne und Einbildungskraft, als fuͤr Verſtand und Gedaͤchtniß liefern. — Kurz, man leſe dieſe merk- wuͤrdige Schrift ſelbſt, und merke wohl, daß auch dieſe Verfaſſerin ſagt: „Unſere Paͤdagogen verſuͤndigen ſich, indem ſie Kindern alles verſinnlichen wollen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/300
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 288[298]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/300>, abgerufen am 25.11.2024.