pliment: es ist hier der Ort nicht, meine Behaup- tung zu beweisen.
Meine Stunden auf dem Waisenhause gab ich indeß auf, muste aber mit Unmuth von meinen Schülern hören, daß mein Nachfolger in der hebräi- schen Klasse kein Verbum analysiren könnte. Das that mir leid, denn ich wuste, wie sehr noch Analyse den Schülern in prima hebraea nöthig war. Ueberhaupt wurden damals auf dem Waisenhause die Grundsätze der Sprachen zu sehr versäumt: acht- zehnjährige Schüler machten die gröbsten Schnitzer wider die lateinische Grammatik: allein -- da gar die Lehrer sich dergleichen erlaubten, so mustens ihnen die Schüler ja wol absehen!
Ich muß hier eine philologische Schnurre er- zählen. Mein Landsmann Sch***, ein nicht un- ebner Lateiner, wollte nach Art aller Philologen von geringerm Gehalt, nichts Lateinisches leiden, was in Meister Marx Tullius hinterlassenen Büchern nicht befindlich wäre. Sein zweites Wort war immer ciceronianisch o). Ich hatte für jemanden ein soge-
o) Herr Scheller hat so'n Buch gemacht, woraus man soll ciceronianisch griffeln lernen. Der Titel ist: Prae- cepta stili bene latini, imprimis ciceroniani. Kennern muß bei dem Titel schon klar werden, daß man aus dem Buche nicht kann ciceronianisch schreiben lernen, weil Herr Scheller selbst -- nicht ciceronianisch schreibt.
pliment: es iſt hier der Ort nicht, meine Behaup- tung zu beweiſen.
Meine Stunden auf dem Waiſenhauſe gab ich indeß auf, muſte aber mit Unmuth von meinen Schuͤlern hoͤren, daß mein Nachfolger in der hebraͤi- ſchen Klaſſe kein Verbum analyſiren koͤnnte. Das that mir leid, denn ich wuſte, wie ſehr noch Analyſe den Schuͤlern in prima hebraea noͤthig war. Ueberhaupt wurden damals auf dem Waiſenhauſe die Grundſaͤtze der Sprachen zu ſehr verſaͤumt: acht- zehnjaͤhrige Schuͤler machten die groͤbſten Schnitzer wider die lateiniſche Grammatik: allein — da gar die Lehrer ſich dergleichen erlaubten, ſo muſtens ihnen die Schuͤler ja wol abſehen!
Ich muß hier eine philologiſche Schnurre er- zaͤhlen. Mein Landsmann Sch***, ein nicht un- ebner Lateiner, wollte nach Art aller Philologen von geringerm Gehalt, nichts Lateiniſches leiden, was in Meiſter Marx Tullius hinterlaſſenen Buͤchern nicht befindlich waͤre. Sein zweites Wort war immer ciceronianiſch o). Ich hatte fuͤr jemanden ein ſoge-
o) Herr Scheller hat ſo'n Buch gemacht, woraus man ſoll ciceronianiſch griffeln lernen. Der Titel iſt: Prae- cepta ſtili bene latini, imprimis ciceroniani. Kennern muß bei dem Titel ſchon klar werden, daß man aus dem Buche nicht kann ciceronianiſch ſchreiben lernen, weil Herr Scheller ſelbſt — nicht ciceronianiſch ſchreibt.
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pliment: es iſt hier der Ort nicht, meine Behaup-
tung zu beweiſen.
Meine Stunden auf dem Waiſenhauſe gab ich
indeß auf, muſte aber mit Unmuth von meinen
Schuͤlern hoͤren, daß mein Nachfolger in der hebraͤi-
ſchen Klaſſe kein Verbum analyſiren koͤnnte. Das
that mir leid, denn ich wuſte, wie ſehr noch Analyſe
den Schuͤlern in prima hebraea noͤthig war.
Ueberhaupt wurden damals auf dem Waiſenhauſe
die Grundſaͤtze der Sprachen zu ſehr verſaͤumt: acht-
zehnjaͤhrige Schuͤler machten die groͤbſten Schnitzer
wider die lateiniſche Grammatik: allein — da gar
die Lehrer ſich dergleichen erlaubten, ſo muſtens
ihnen die Schuͤler ja wol abſehen!
Ich muß hier eine philologiſche Schnurre er-
zaͤhlen. Mein Landsmann Sch***, ein nicht un-
ebner Lateiner, wollte nach Art aller Philologen von
geringerm Gehalt, nichts Lateiniſches leiden, was in
Meiſter Marx Tullius hinterlaſſenen Buͤchern nicht
befindlich waͤre. Sein zweites Wort war immer
ciceronianiſch o). Ich hatte fuͤr jemanden ein ſoge-
o) Herr Scheller hat ſo'n Buch gemacht, woraus man
ſoll ciceronianiſch griffeln lernen. Der Titel iſt: Prae-
cepta ſtili bene latini, imprimis ciceroniani.
Kennern muß bei dem Titel ſchon klar werden, daß man
aus dem Buche nicht kann ciceronianiſch ſchreiben lernen,
weil Herr Scheller ſelbſt — nicht ciceronianiſch ſchreibt.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/175>, abgerufen am 21.11.2024.
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