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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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ger Universität: mein Bruder bewies, daß die Uni-
versität zu Heidelberg nie elender gewesen sey, als
gerade seit der Zeit Herr von Oberndorf am Ruder
säße. -- Daß dabei manche gröbere Invektiven un-
terliefen, kann man sich vorstellen. Herr Schulze,
der Promotor, sagte kein Wort, wie er mich denn
ganz allein meine Siebensachen defendiren ließ. End-
lich wandte sich mein Bruder zu den Zuhörern und
sagte: Auctor dissertationis se veritati colaphos
infregisse optume et ipse perspicit; verum si-
bi amissum patriae magnatum favorem sua se
impudentia adulandique studio recuperaturum
persuadet.
Was sollte ich auf dergleichen Sar-
kasmen antworten? Mein Bruder hatte freilich
Recht; aber sagen hätte ers doch nicht sollen. Herr
Teisner hat nicht viel gesagt.

So hatte ich nun einen akademischen Gradus,
und konnte ein großes M. vor meinem Namen hin-
pflanzen: das hab ich aber doch nur selten gethan.
Auch hörte ich lieber meinen Namen, als den Ma-
gister-Titel: denn alle akademischen Würden kommen
mir so zunftmäßig vor, und waren mir immer lä-
cherlich. Ich hatte dergleichen bei den Alten nicht
gefunden, und wuste recht gut, daß diese Titulatu-
ren und die Art, sie zu erlangen, Erfindungen der
barbarischen Zeiten waren. Daher hat der Doktor,
Licentiat, Magister und andere dergleichen Frivoli-

ger Univerſitaͤt: mein Bruder bewies, daß die Uni-
verſitaͤt zu Heidelberg nie elender geweſen ſey, als
gerade ſeit der Zeit Herr von Oberndorf am Ruder
ſaͤße. — Daß dabei manche groͤbere Invektiven un-
terliefen, kann man ſich vorſtellen. Herr Schulze,
der Promotor, ſagte kein Wort, wie er mich denn
ganz allein meine Siebenſachen defendiren ließ. End-
lich wandte ſich mein Bruder zu den Zuhoͤrern und
ſagte: Auctor diſſertationis ſe veritati colaphos
infregiſſe optume et ipſe perſpicit; verum ſi-
bi amiſſum patriae magnatum favorem ſua ſe
impudentia adulandique ſtudio recuperaturum
perſuadet.
Was ſollte ich auf dergleichen Sar-
kasmen antworten? Mein Bruder hatte freilich
Recht; aber ſagen haͤtte ers doch nicht ſollen. Herr
Teisner hat nicht viel geſagt.

So hatte ich nun einen akademiſchen Gradus,
und konnte ein großes M. vor meinem Namen hin-
pflanzen: das hab ich aber doch nur ſelten gethan.
Auch hoͤrte ich lieber meinen Namen, als den Ma-
giſter-Titel: denn alle akademiſchen Wuͤrden kommen
mir ſo zunftmaͤßig vor, und waren mir immer laͤ-
cherlich. Ich hatte dergleichen bei den Alten nicht
gefunden, und wuſte recht gut, daß dieſe Titulatu-
ren und die Art, ſie zu erlangen, Erfindungen der
barbariſchen Zeiten waren. Daher hat der Doktor,
Licentiat, Magiſter und andere dergleichen Frivoli-

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[170/0172] ger Univerſitaͤt: mein Bruder bewies, daß die Uni- verſitaͤt zu Heidelberg nie elender geweſen ſey, als gerade ſeit der Zeit Herr von Oberndorf am Ruder ſaͤße. — Daß dabei manche groͤbere Invektiven un- terliefen, kann man ſich vorſtellen. Herr Schulze, der Promotor, ſagte kein Wort, wie er mich denn ganz allein meine Siebenſachen defendiren ließ. End- lich wandte ſich mein Bruder zu den Zuhoͤrern und ſagte: Auctor diſſertationis ſe veritati colaphos infregiſſe optume et ipſe perſpicit; verum ſi- bi amiſſum patriae magnatum favorem ſua ſe impudentia adulandique ſtudio recuperaturum perſuadet. Was ſollte ich auf dergleichen Sar- kasmen antworten? Mein Bruder hatte freilich Recht; aber ſagen haͤtte ers doch nicht ſollen. Herr Teisner hat nicht viel geſagt. So hatte ich nun einen akademiſchen Gradus, und konnte ein großes M. vor meinem Namen hin- pflanzen: das hab ich aber doch nur ſelten gethan. Auch hoͤrte ich lieber meinen Namen, als den Ma- giſter-Titel: denn alle akademiſchen Wuͤrden kommen mir ſo zunftmaͤßig vor, und waren mir immer laͤ- cherlich. Ich hatte dergleichen bei den Alten nicht gefunden, und wuſte recht gut, daß dieſe Titulatu- ren und die Art, ſie zu erlangen, Erfindungen der barbariſchen Zeiten waren. Daher hat der Doktor, Licentiat, Magiſter und andere dergleichen Frivoli-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/172>, abgerufen am 21.11.2024.