fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern schuldig war, wie sehr ich ihn verehrte: und das that ich mit einem mir sonst ungewöhnlichen Feuer. Ich konnte dazu meinen zu Hause entworffenen Aufsatz nicht brauchen, sondern ließ hier meiner Empfindung freien Lauf, und diese bildete meinen Vortrag so glücklich, daß ich mit mir in Absicht dessen, was ich Semlern sagte, selbst zufrieden war. -- Herr Wald hat auch recht artig opponirt.
Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher freilich ganz neue Argumente auftischte. Ich hatte meine Dissertation dem Herrn von Oberndorf, Kurpfälzischen ersten Staatsminister zugeschrieben, und in der Dedication freilich Vorzüge an diesem Herrn gerühmt, die ich ihm im Herzen selbst ab- sprach. Allein das ist ja der Fall bei den meisten Dedicationen! Mein Bruder griff also die Zuschrift an, und zwar mit Argumenten von folgender Art: Ein niederträchtiger Schmeichler ist ein Lügner, je- ner bist du; folglich bist du auch dieser. Ich stutzte gewaltig bei diesem Schluß, leugnete aber natürlich den Untersatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu- schrift. Ich hatte hier gesagt, Herr von Oberndorf mache die Pfalz glücklich: mein Bruder führte meh- rere Thatsachen an, woraus das Gegentheil erhellete, und worüber die Zuhörer lachten. Ich hatte ferner gesagt, Herr von Oberndorf sorge für die Heidelber-
fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern ſchuldig war, wie ſehr ich ihn verehrte: und das that ich mit einem mir ſonſt ungewoͤhnlichen Feuer. Ich konnte dazu meinen zu Hauſe entworffenen Aufſatz nicht brauchen, ſondern ließ hier meiner Empfindung freien Lauf, und dieſe bildete meinen Vortrag ſo gluͤcklich, daß ich mit mir in Abſicht deſſen, was ich Semlern ſagte, ſelbſt zufrieden war. — Herr Wald hat auch recht artig opponirt.
Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher freilich ganz neue Argumente auftiſchte. Ich hatte meine Diſſertation dem Herrn von Oberndorf, Kurpfaͤlziſchen erſten Staatsminiſter zugeſchrieben, und in der Dedication freilich Vorzuͤge an dieſem Herrn geruͤhmt, die ich ihm im Herzen ſelbſt ab- ſprach. Allein das iſt ja der Fall bei den meiſten Dedicationen! Mein Bruder griff alſo die Zuſchrift an, und zwar mit Argumenten von folgender Art: Ein niedertraͤchtiger Schmeichler iſt ein Luͤgner, je- ner biſt du; folglich biſt du auch dieſer. Ich ſtutzte gewaltig bei dieſem Schluß, leugnete aber natuͤrlich den Unterſatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu- ſchrift. Ich hatte hier geſagt, Herr von Oberndorf mache die Pfalz gluͤcklich: mein Bruder fuͤhrte meh- rere Thatſachen an, woraus das Gegentheil erhellete, und woruͤber die Zuhoͤrer lachten. Ich hatte ferner geſagt, Herr von Oberndorf ſorge fuͤr die Heidelber-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0171"n="169"/>
fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern ſchuldig<lb/>
war, wie ſehr ich ihn verehrte: und das that ich mit<lb/>
einem mir ſonſt ungewoͤhnlichen Feuer. Ich konnte<lb/>
dazu meinen zu Hauſe entworffenen Aufſatz nicht<lb/>
brauchen, ſondern ließ hier meiner Empfindung freien<lb/>
Lauf, und dieſe bildete meinen Vortrag ſo gluͤcklich,<lb/>
daß ich mit mir in Abſicht deſſen, was ich Semlern<lb/>ſagte, ſelbſt zufrieden war. — Herr <hirendition="#g">Wald</hi> hat<lb/>
auch recht artig opponirt.</p><lb/><p>Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher<lb/>
freilich ganz neue Argumente auftiſchte. Ich hatte<lb/>
meine Diſſertation dem Herrn von <hirendition="#g">Oberndorf</hi>,<lb/>
Kurpfaͤlziſchen erſten Staatsminiſter zugeſchrieben,<lb/>
und in der Dedication freilich Vorzuͤge an dieſem<lb/>
Herrn geruͤhmt, die ich ihm im Herzen ſelbſt ab-<lb/>ſprach. Allein das iſt ja der Fall bei den meiſten<lb/>
Dedicationen! Mein Bruder griff alſo die Zuſchrift<lb/>
an, und zwar mit Argumenten von folgender Art:<lb/>
Ein niedertraͤchtiger Schmeichler iſt ein Luͤgner, je-<lb/>
ner biſt du; folglich biſt du auch dieſer. Ich ſtutzte<lb/>
gewaltig bei dieſem Schluß, leugnete aber natuͤrlich<lb/>
den Unterſatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu-<lb/>ſchrift. Ich hatte hier geſagt, Herr von Oberndorf<lb/>
mache die Pfalz gluͤcklich: mein Bruder fuͤhrte meh-<lb/>
rere Thatſachen an, woraus das Gegentheil erhellete,<lb/>
und woruͤber die Zuhoͤrer lachten. Ich hatte ferner<lb/>
geſagt, Herr von Oberndorf ſorge fuͤr die Heidelber-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[169/0171]
fentlich zu bezeugen, wie viel ich Semlern ſchuldig
war, wie ſehr ich ihn verehrte: und das that ich mit
einem mir ſonſt ungewoͤhnlichen Feuer. Ich konnte
dazu meinen zu Hauſe entworffenen Aufſatz nicht
brauchen, ſondern ließ hier meiner Empfindung freien
Lauf, und dieſe bildete meinen Vortrag ſo gluͤcklich,
daß ich mit mir in Abſicht deſſen, was ich Semlern
ſagte, ſelbſt zufrieden war. — Herr Wald hat
auch recht artig opponirt.
Nun kam die Reihe an meinen Bruder, welcher
freilich ganz neue Argumente auftiſchte. Ich hatte
meine Diſſertation dem Herrn von Oberndorf,
Kurpfaͤlziſchen erſten Staatsminiſter zugeſchrieben,
und in der Dedication freilich Vorzuͤge an dieſem
Herrn geruͤhmt, die ich ihm im Herzen ſelbſt ab-
ſprach. Allein das iſt ja der Fall bei den meiſten
Dedicationen! Mein Bruder griff alſo die Zuſchrift
an, und zwar mit Argumenten von folgender Art:
Ein niedertraͤchtiger Schmeichler iſt ein Luͤgner, je-
ner biſt du; folglich biſt du auch dieſer. Ich ſtutzte
gewaltig bei dieſem Schluß, leugnete aber natuͤrlich
den Unterſatz; er indeß bewies ihn aus meiner Zu-
ſchrift. Ich hatte hier geſagt, Herr von Oberndorf
mache die Pfalz gluͤcklich: mein Bruder fuͤhrte meh-
rere Thatſachen an, woraus das Gegentheil erhellete,
und woruͤber die Zuhoͤrer lachten. Ich hatte ferner
geſagt, Herr von Oberndorf ſorge fuͤr die Heidelber-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/171>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.