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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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exemplarisch gelaufen! Die Officiere des Regiments
haben meistens von der Muskete an gedient, und
sind endlich zu Chargen gelangt, aus keinem andern
Grunde, als weil sie lange gedient hatten. Ihre
Lebensart ist eben nicht die beste. Außer Dienst sitzen
sie auf den Dorfschenken, auf dem Schießhaus, bei
Eberhard Busch oder sonst in einer Kneipe, machen
mit Gnoten oder Philistern r) und mit Studenten
Brüderschaft, und spielen Tarock, sechs Marken zu
einem Pfennig. Sehr wenige dieser Herren sind von
Adel. Unter den Soldaten giebt es sehr viel alte
Invaliden: sonst sind sie lauter Landeskinder.

Unter den Bürgern giebt es mehrere wohlha-
bende; überhaupt aber ist Gießen kein Ort, wo es
viel Reiche giebt. Die Ursache liegt wohl darin, daß
die Stadt wenig Verkehr, und gar keine Manufak-
turen hat. Ob sie dergleichen nicht haben könnte, ist
eine andre Frage; aber daran denkt man vielleicht
nicht. Die Stadt liegt wenigstens auf einem guten
Boden, und an einem ziemlich schiffbaren Fluß --
doch das geht mich nichts an!

Die Universität hatte zu meiner Zeit sechszehn
besoldete und etwa drei unbesoldete oder außerordent-
dentliche Lehrer. Herr D. Bahrdt hat einige dieser

r) So werden die Bürger auf den Universitäten von den
Studenten genannt.

exemplariſch gelaufen! Die Officiere des Regiments
haben meiſtens von der Muskete an gedient, und
ſind endlich zu Chargen gelangt, aus keinem andern
Grunde, als weil ſie lange gedient hatten. Ihre
Lebensart iſt eben nicht die beſte. Außer Dienſt ſitzen
ſie auf den Dorfſchenken, auf dem Schießhaus, bei
Eberhard Buſch oder ſonſt in einer Kneipe, machen
mit Gnoten oder Philiſtern r) und mit Studenten
Bruͤderſchaft, und ſpielen Tarock, ſechs Marken zu
einem Pfennig. Sehr wenige dieſer Herren ſind von
Adel. Unter den Soldaten giebt es ſehr viel alte
Invaliden: ſonſt ſind ſie lauter Landeskinder.

Unter den Buͤrgern giebt es mehrere wohlha-
bende; uͤberhaupt aber iſt Gießen kein Ort, wo es
viel Reiche giebt. Die Urſache liegt wohl darin, daß
die Stadt wenig Verkehr, und gar keine Manufak-
turen hat. Ob ſie dergleichen nicht haben koͤnnte, iſt
eine andre Frage; aber daran denkt man vielleicht
nicht. Die Stadt liegt wenigſtens auf einem guten
Boden, und an einem ziemlich ſchiffbaren Fluß —
doch das geht mich nichts an!

Die Univerſitaͤt hatte zu meiner Zeit ſechszehn
beſoldete und etwa drei unbeſoldete oder außerordent-
dentliche Lehrer. Herr D. Bahrdt hat einige dieſer

r) So werden die Buͤrger auf den Univerſitaͤten von den
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[68/0082] exemplariſch gelaufen! Die Officiere des Regiments haben meiſtens von der Muskete an gedient, und ſind endlich zu Chargen gelangt, aus keinem andern Grunde, als weil ſie lange gedient hatten. Ihre Lebensart iſt eben nicht die beſte. Außer Dienſt ſitzen ſie auf den Dorfſchenken, auf dem Schießhaus, bei Eberhard Buſch oder ſonſt in einer Kneipe, machen mit Gnoten oder Philiſtern r) und mit Studenten Bruͤderſchaft, und ſpielen Tarock, ſechs Marken zu einem Pfennig. Sehr wenige dieſer Herren ſind von Adel. Unter den Soldaten giebt es ſehr viel alte Invaliden: ſonſt ſind ſie lauter Landeskinder. Unter den Buͤrgern giebt es mehrere wohlha- bende; uͤberhaupt aber iſt Gießen kein Ort, wo es viel Reiche giebt. Die Urſache liegt wohl darin, daß die Stadt wenig Verkehr, und gar keine Manufak- turen hat. Ob ſie dergleichen nicht haben koͤnnte, iſt eine andre Frage; aber daran denkt man vielleicht nicht. Die Stadt liegt wenigſtens auf einem guten Boden, und an einem ziemlich ſchiffbaren Fluß — doch das geht mich nichts an! Die Univerſitaͤt hatte zu meiner Zeit ſechszehn beſoldete und etwa drei unbeſoldete oder außerordent- dentliche Lehrer. Herr D. Bahrdt hat einige dieſer r) So werden die Buͤrger auf den Univerſitaͤten von den Studenten genannt.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/82>, abgerufen am 03.05.2024.