dem Tapete war; aber er hielt das Ding für eine Kinderei, die ihn nichts anginge, und die er also nicht zu stören nöthig hätte. Es würde sich schon alles von selbst geben, dachte er, wenn ich auf Ostern die Akademie bezöge.
Zu dieser toleranten Gesinnung meines Vaters trug das regelmäßige und ordentliche Betragen nicht wenig bei, welches ich seit dem Anfange meiner neu- ern Liebschaft annahm. Ich ließ alle meine ehemali- gen schlechtern Bekanntschaften fahren, war, wenn ich nicht in....oder zu Büdesheim war, bestän- dig zu Hause, und studirte besonders fleißig den Quintilian und den Plutarch, meines Vaters erste Lieblinge. Ausserdem hatte ich mich bei ihm durch eine lateinische Elegie in starken Kredit gesetzt, welche ich auf den tragischen Tod der Tochter des Hofpre- digers, Herrenschneider, gemacht hatte, und die man als ein Meisterstück -- so schlecht sie sonst wohl seyn mochte -- bewunderte. -- Meine Leser mögen es nicht übel nehmen, wenn ich ihnen die Veranlassung zu dieser Elegie erzähle: sie ist einzig in ihrer Art, und giebt zu manchen Anmerkungen Stoff an die Hand.
Der Hofprediger Herrenschneider, dessen ich oben schon gedacht habe, hatte den Grehweileri- schen Pfarrer Valentin zu Münster bei Kreuznach
dem Tapete war; aber er hielt das Ding fuͤr eine Kinderei, die ihn nichts anginge, und die er alſo nicht zu ſtoͤren noͤthig haͤtte. Es wuͤrde ſich ſchon alles von ſelbſt geben, dachte er, wenn ich auf Oſtern die Akademie bezoͤge.
Zu dieſer toleranten Geſinnung meines Vaters trug das regelmaͤßige und ordentliche Betragen nicht wenig bei, welches ich ſeit dem Anfange meiner neu- ern Liebſchaft annahm. Ich ließ alle meine ehemali- gen ſchlechtern Bekanntſchaften fahren, war, wenn ich nicht in....oder zu Buͤdesheim war, beſtaͤn- dig zu Hauſe, und ſtudirte beſonders fleißig den Quintilian und den Plutarch, meines Vaters erſte Lieblinge. Auſſerdem hatte ich mich bei ihm durch eine lateiniſche Elegie in ſtarken Kredit geſetzt, welche ich auf den tragiſchen Tod der Tochter des Hofpre- digers, Herrenſchneider, gemacht hatte, und die man als ein Meiſterſtuͤck — ſo ſchlecht ſie ſonſt wohl ſeyn mochte — bewunderte. — Meine Leſer moͤgen es nicht uͤbel nehmen, wenn ich ihnen die Veranlaſſung zu dieſer Elegie erzaͤhle: ſie iſt einzig in ihrer Art, und giebt zu manchen Anmerkungen Stoff an die Hand.
Der Hofprediger Herrenſchneider, deſſen ich oben ſchon gedacht habe, hatte den Grehweileri- ſchen Pfarrer Valentin zu Muͤnſter bei Kreuznach
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dem Tapete war; aber er hielt das Ding fuͤr eine
Kinderei, die ihn nichts anginge, und die er alſo
nicht zu ſtoͤren noͤthig haͤtte. Es wuͤrde ſich ſchon
alles von ſelbſt geben, dachte er, wenn ich auf Oſtern
die Akademie bezoͤge.
Zu dieſer toleranten Geſinnung meines Vaters
trug das regelmaͤßige und ordentliche Betragen nicht
wenig bei, welches ich ſeit dem Anfange meiner neu-
ern Liebſchaft annahm. Ich ließ alle meine ehemali-
gen ſchlechtern Bekanntſchaften fahren, war, wenn
ich nicht in....oder zu Buͤdesheim war, beſtaͤn-
dig zu Hauſe, und ſtudirte beſonders fleißig den
Quintilian und den Plutarch, meines Vaters erſte
Lieblinge. Auſſerdem hatte ich mich bei ihm durch
eine lateiniſche Elegie in ſtarken Kredit geſetzt, welche
ich auf den tragiſchen Tod der Tochter des Hofpre-
digers, Herrenſchneider, gemacht hatte, und
die man als ein Meiſterſtuͤck — ſo ſchlecht ſie ſonſt
wohl ſeyn mochte — bewunderte. — Meine Leſer
moͤgen es nicht uͤbel nehmen, wenn ich ihnen die
Veranlaſſung zu dieſer Elegie erzaͤhle: ſie iſt einzig in
ihrer Art, und giebt zu manchen Anmerkungen Stoff
an die Hand.
Der Hofprediger Herrenſchneider, deſſen
ich oben ſchon gedacht habe, hatte den Grehweileri-
ſchen Pfarrer Valentin zu Muͤnſter bei Kreuznach
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/72>, abgerufen am 21.11.2024.
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