Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

welche, wenn sie mein Vater nicht verbrannt hat,
sich noch unter dessen hinterlassenen Papieren befin-
den werden. Ich machte auch Verse; und so we-
nig Geschick ich auch immer zur Poeterei gehabt
habe, gefielen sie meiner Geliebten doch besser, als
die besten unsrer Dichter. Das ist so in der Natur
der Liebenden gegründet, und daher erklärt sich auch
zum Theil die Verschiedenheit des Geschmacks.

Der alte Amtmann entdeckte auf irgend eine
Art -- auf welche gerade, weiß ich nicht -- unser
Verständniß, und hielt mir deshalb eine derbe Straf-
predigt. So ein Umgang, meinte er, schikte sich
für junge Leute, als wir wären, nicht: ich hätte
keine Aussichten, kein Vermögen, u. d. gl. Beson-
ders stieß er sich an meiner Religion: ich wäre luthe-
risch, und er würde nimmermehr zugeben, daß sich
seine Tochter mit einem Menschen behinge, der nicht
ihres Glaubens wäre. In diesem Gespräch gedach-
te er auch, daß die Lutheraner den Satz vertheidig-
ten, daß der Pabst der Antichrist, und die katho-
lische Kirche die babylonische Hure sei. -- Nun
möchte ich selbst bedenken, ob er, auch von allem,
andern abgesehn, sich nur könnte einfallen lassen,
sein liebes Kind einem Menschen anzuvertrauen,
der dergleichen Grundsätzen beipflichte? -- Er
bath mich darauf, sein Haus sparsamer zu besu-

Erster Theil. D

welche, wenn ſie mein Vater nicht verbrannt hat,
ſich noch unter deſſen hinterlaſſenen Papieren befin-
den werden. Ich machte auch Verſe; und ſo we-
nig Geſchick ich auch immer zur Poeterei gehabt
habe, gefielen ſie meiner Geliebten doch beſſer, als
die beſten unſrer Dichter. Das iſt ſo in der Natur
der Liebenden gegruͤndet, und daher erklaͤrt ſich auch
zum Theil die Verſchiedenheit des Geſchmacks.

Der alte Amtmann entdeckte auf irgend eine
Art — auf welche gerade, weiß ich nicht — unſer
Verſtaͤndniß, und hielt mir deshalb eine derbe Straf-
predigt. So ein Umgang, meinte er, ſchikte ſich
fuͤr junge Leute, als wir waͤren, nicht: ich haͤtte
keine Ausſichten, kein Vermoͤgen, u. d. gl. Beſon-
ders ſtieß er ſich an meiner Religion: ich waͤre luthe-
riſch, und er wuͤrde nimmermehr zugeben, daß ſich
ſeine Tochter mit einem Menſchen behinge, der nicht
ihres Glaubens waͤre. In dieſem Geſpraͤch gedach-
te er auch, daß die Lutheraner den Satz vertheidig-
ten, daß der Pabſt der Antichriſt, und die katho-
liſche Kirche die babyloniſche Hure ſei. — Nun
moͤchte ich ſelbſt bedenken, ob er, auch von allem,
andern abgeſehn, ſich nur koͤnnte einfallen laſſen,
ſein liebes Kind einem Menſchen anzuvertrauen,
der dergleichen Grundſaͤtzen beipflichte? — Er
bath mich darauf, ſein Haus ſparſamer zu beſu-

Erſter Theil. D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="49"/>
welche, wenn &#x017F;ie mein Vater nicht verbrannt hat,<lb/>
&#x017F;ich noch unter de&#x017F;&#x017F;en hinterla&#x017F;&#x017F;enen Papieren befin-<lb/>
den werden. Ich machte auch Ver&#x017F;e; und &#x017F;o we-<lb/>
nig Ge&#x017F;chick ich auch immer zur Poeterei gehabt<lb/>
habe, gefielen &#x017F;ie meiner Geliebten doch be&#x017F;&#x017F;er, als<lb/>
die be&#x017F;ten un&#x017F;rer Dichter. Das i&#x017F;t &#x017F;o in der Natur<lb/>
der Liebenden gegru&#x0364;ndet, und daher erkla&#x0364;rt &#x017F;ich auch<lb/>
zum Theil die Ver&#x017F;chiedenheit des Ge&#x017F;chmacks.</p><lb/>
        <p>Der alte Amtmann entdeckte auf irgend eine<lb/>
Art &#x2014; auf welche gerade, weiß ich nicht &#x2014; un&#x017F;er<lb/>
Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß, und hielt mir deshalb eine derbe Straf-<lb/>
predigt. So ein Umgang, meinte er, &#x017F;chikte &#x017F;ich<lb/>
fu&#x0364;r junge Leute, als wir wa&#x0364;ren, nicht: ich ha&#x0364;tte<lb/>
keine Aus&#x017F;ichten, kein Vermo&#x0364;gen, u. d. gl. Be&#x017F;on-<lb/>
ders &#x017F;tieß er &#x017F;ich an meiner Religion: ich wa&#x0364;re luthe-<lb/>
ri&#x017F;ch, und er wu&#x0364;rde nimmermehr zugeben, daß &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eine Tochter mit einem Men&#x017F;chen behinge, der nicht<lb/>
ihres Glaubens wa&#x0364;re. In die&#x017F;em Ge&#x017F;pra&#x0364;ch gedach-<lb/>
te er auch, daß die Lutheraner den Satz vertheidig-<lb/>
ten, daß der Pab&#x017F;t der Antichri&#x017F;t, und die katho-<lb/>
li&#x017F;che Kirche die babyloni&#x017F;che Hure &#x017F;ei. &#x2014; Nun<lb/>
mo&#x0364;chte ich &#x017F;elb&#x017F;t bedenken, ob er, auch von allem,<lb/>
andern abge&#x017F;ehn, &#x017F;ich nur ko&#x0364;nnte einfallen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ein liebes Kind einem Men&#x017F;chen anzuvertrauen,<lb/>
der dergleichen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen beipflichte? &#x2014; Er<lb/>
bath mich darauf, &#x017F;ein Haus &#x017F;par&#x017F;amer zu be&#x017F;u-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. D</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0063] welche, wenn ſie mein Vater nicht verbrannt hat, ſich noch unter deſſen hinterlaſſenen Papieren befin- den werden. Ich machte auch Verſe; und ſo we- nig Geſchick ich auch immer zur Poeterei gehabt habe, gefielen ſie meiner Geliebten doch beſſer, als die beſten unſrer Dichter. Das iſt ſo in der Natur der Liebenden gegruͤndet, und daher erklaͤrt ſich auch zum Theil die Verſchiedenheit des Geſchmacks. Der alte Amtmann entdeckte auf irgend eine Art — auf welche gerade, weiß ich nicht — unſer Verſtaͤndniß, und hielt mir deshalb eine derbe Straf- predigt. So ein Umgang, meinte er, ſchikte ſich fuͤr junge Leute, als wir waͤren, nicht: ich haͤtte keine Ausſichten, kein Vermoͤgen, u. d. gl. Beſon- ders ſtieß er ſich an meiner Religion: ich waͤre luthe- riſch, und er wuͤrde nimmermehr zugeben, daß ſich ſeine Tochter mit einem Menſchen behinge, der nicht ihres Glaubens waͤre. In dieſem Geſpraͤch gedach- te er auch, daß die Lutheraner den Satz vertheidig- ten, daß der Pabſt der Antichriſt, und die katho- liſche Kirche die babyloniſche Hure ſei. — Nun moͤchte ich ſelbſt bedenken, ob er, auch von allem, andern abgeſehn, ſich nur koͤnnte einfallen laſſen, ſein liebes Kind einem Menſchen anzuvertrauen, der dergleichen Grundſaͤtzen beipflichte? — Er bath mich darauf, ſein Haus ſparſamer zu beſu- Erſter Theil. D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/63
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/63>, abgerufen am 21.11.2024.