zubrachte, die seligste Zeit meines Lebens gewesen ist. Immer, wenn ich mich allein untersuchte, fand ich, daß ich dem Mädchen sehr viel zu sagen hatte; aber sobald ich bei ihr war, hatte ich nicht Muth genug, das zu offenbaren, was mir die Brust drück- te, so oft ich mich auch entschlossen hatte, alles ge- rade heraus zu bekennen, es möchte auch werden, wie es wollte.
Endlich machte ichs, wie alle unerfahrnen Lieb- haber: ich schrieb ihr einen Brief, und gab ihrer Magd einen Gulden, damit sie das Geschäfte einer Unterhändlerin übernehmen möchte. Einige Tage schwebte ich zwischen Furcht und Hoffnung, und war wie im Fegefeuer: endlich brachte mir ein Bauer ei- nen Brief von Thereschen, worin sie sich über meine lange Abwesenheit -- ich war drei Tage weggeblie- ben! -- beklagte, und mir alle Ursache gab, das Beste zu hoffen. Nun flog ich nach.... traf mein Mädchen allein in ihrer Stube, und hatte das erstemal Herz genug, sie mein Mädchen, mei- nen Engel zu nennen, und ihre Wangen zu küssen. Das war ein Tag, lieben Leser, wie ich Ihnen recht viele gönnen möchte! Größere Seligkeit läßt sich nicht denken, als ich an diesem schönsten Tage mei- nes Lebens genoß!
Von diesem Tage an wuchs unsre Vertraulich- keit immer mehr, und wir wechselten beständig Briefe,
zubrachte, die ſeligſte Zeit meines Lebens geweſen iſt. Immer, wenn ich mich allein unterſuchte, fand ich, daß ich dem Maͤdchen ſehr viel zu ſagen hatte; aber ſobald ich bei ihr war, hatte ich nicht Muth genug, das zu offenbaren, was mir die Bruſt druͤck- te, ſo oft ich mich auch entſchloſſen hatte, alles ge- rade heraus zu bekennen, es moͤchte auch werden, wie es wollte.
Endlich machte ichs, wie alle unerfahrnen Lieb- haber: ich ſchrieb ihr einen Brief, und gab ihrer Magd einen Gulden, damit ſie das Geſchaͤfte einer Unterhaͤndlerin uͤbernehmen moͤchte. Einige Tage ſchwebte ich zwiſchen Furcht und Hoffnung, und war wie im Fegefeuer: endlich brachte mir ein Bauer ei- nen Brief von Thereschen, worin ſie ſich uͤber meine lange Abweſenheit — ich war drei Tage weggeblie- ben! — beklagte, und mir alle Urſache gab, das Beſte zu hoffen. Nun flog ich nach.... traf mein Maͤdchen allein in ihrer Stube, und hatte das erſtemal Herz genug, ſie mein Maͤdchen, mei- nen Engel zu nennen, und ihre Wangen zu kuͤſſen. Das war ein Tag, lieben Leſer, wie ich Ihnen recht viele goͤnnen moͤchte! Groͤßere Seligkeit laͤßt ſich nicht denken, als ich an dieſem ſchoͤnſten Tage mei- nes Lebens genoß!
Von dieſem Tage an wuchs unſre Vertraulich- keit immer mehr, und wir wechſelten beſtaͤndig Briefe,
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zubrachte, die ſeligſte Zeit meines Lebens geweſen
iſt. Immer, wenn ich mich allein unterſuchte, fand
ich, daß ich dem Maͤdchen ſehr viel zu ſagen hatte;
aber ſobald ich bei ihr war, hatte ich nicht Muth
genug, das zu offenbaren, was mir die Bruſt druͤck-
te, ſo oft ich mich auch entſchloſſen hatte, alles ge-
rade heraus zu bekennen, es moͤchte auch werden,
wie es wollte.
Endlich machte ichs, wie alle unerfahrnen Lieb-
haber: ich ſchrieb ihr einen Brief, und gab ihrer
Magd einen Gulden, damit ſie das Geſchaͤfte einer
Unterhaͤndlerin uͤbernehmen moͤchte. Einige Tage
ſchwebte ich zwiſchen Furcht und Hoffnung, und war
wie im Fegefeuer: endlich brachte mir ein Bauer ei-
nen Brief von Thereschen, worin ſie ſich uͤber meine
lange Abweſenheit — ich war drei Tage weggeblie-
ben! — beklagte, und mir alle Urſache gab, das
Beſte zu hoffen. Nun flog ich nach.... traf
mein Maͤdchen allein in ihrer Stube, und hatte
das erſtemal Herz genug, ſie mein Maͤdchen, mei-
nen Engel zu nennen, und ihre Wangen zu kuͤſſen.
Das war ein Tag, lieben Leſer, wie ich Ihnen recht
viele goͤnnen moͤchte! Groͤßere Seligkeit laͤßt ſich
nicht denken, als ich an dieſem ſchoͤnſten Tage mei-
nes Lebens genoß!
Von dieſem Tage an wuchs unſre Vertraulich-
keit immer mehr, und wir wechſelten beſtaͤndig Briefe,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/62>, abgerufen am 16.02.2025.
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