Histörchen allemal so ein, daß ein Pfaffe dabei ver- wickelt war: daher mein unbezwinglicher Haß gegen alles, was Pfaffe heißt -- mit Gespenstern wären ge- neckt worden. Sofort vertröstete er mich auf die Zukunft, wo ich würde einsehen lernen, daß alles, was man so hinschwatzte, und was er zum Theil selbst hinschwatzen müßte, erdichtet und erlogen wäre: daß die Leute, welche von abgeschiedenen Seelen, von Gespenstern, Geistern und Erscheinungen u. dergl. viel Wesens machten, nicht wüßten, was sie trie- ben. -- Auf diese Art legte damals mein Vater den Grund zu der Irreligion, welcher in der Folge mei- nen Kirchen-Glauben glücklich vernichtet hat.
Meine orthodoxen Leser werden doch nicht böse, daß ich so geradezu mich zu denen bekenne, die von Priester-Grillen nichts glauben? Die Gründe lege ich ihnen noch zum Theil in meiner Biographie histo- risch vor; und zwar ganz andre Gründe, als jene, welche Hr. D. Bahrdt aufgetischet hat. Jeder hat indeß so seinen eignen Gott, seine eigne Welt, seinen eignen Himmel, Hölle, Glauben, seine Meinungen, seine Narrheit, seine Philosophie, seine -- und wer ihn darin irre macht, ohne ihm etwas Brauchbarers dafür an die Hand zu geben, hat Unrecht -- er sey, wer er wolle.
In der Pfalz ist zwar keine Inquisition; aber die Herren Geistlichen wissen es doch so hübsch zu
Hiſtoͤrchen allemal ſo ein, daß ein Pfaffe dabei ver- wickelt war: daher mein unbezwinglicher Haß gegen alles, was Pfaffe heißt — mit Geſpenſtern waͤren ge- neckt worden. Sofort vertroͤſtete er mich auf die Zukunft, wo ich wuͤrde einſehen lernen, daß alles, was man ſo hinſchwatzte, und was er zum Theil ſelbſt hinſchwatzen muͤßte, erdichtet und erlogen waͤre: daß die Leute, welche von abgeſchiedenen Seelen, von Geſpenſtern, Geiſtern und Erſcheinungen u. dergl. viel Weſens machten, nicht wuͤßten, was ſie trie- ben. — Auf dieſe Art legte damals mein Vater den Grund zu der Irreligion, welcher in der Folge mei- nen Kirchen-Glauben gluͤcklich vernichtet hat.
Meine orthodoxen Leſer werden doch nicht boͤſe, daß ich ſo geradezu mich zu denen bekenne, die von Prieſter-Grillen nichts glauben? Die Gruͤnde lege ich ihnen noch zum Theil in meiner Biographie hiſto- riſch vor; und zwar ganz andre Gruͤnde, als jene, welche Hr. D. Bahrdt aufgetiſchet hat. Jeder hat indeß ſo ſeinen eignen Gott, ſeine eigne Welt, ſeinen eignen Himmel, Hoͤlle, Glauben, ſeine Meinungen, ſeine Narrheit, ſeine Philoſophie, ſeine — und wer ihn darin irre macht, ohne ihm etwas Brauchbarers dafuͤr an die Hand zu geben, hat Unrecht — er ſey, wer er wolle.
In der Pfalz iſt zwar keine Inquiſition; aber die Herren Geiſtlichen wiſſen es doch ſo huͤbſch zu
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Hiſtoͤrchen allemal ſo ein, daß ein Pfaffe dabei ver-
wickelt war: daher mein unbezwinglicher Haß gegen
alles, was Pfaffe heißt — mit Geſpenſtern waͤren ge-
neckt worden. Sofort vertroͤſtete er mich auf die
Zukunft, wo ich wuͤrde einſehen lernen, daß alles,
was man ſo hinſchwatzte, und was er zum Theil
ſelbſt hinſchwatzen muͤßte, erdichtet und erlogen waͤre:
daß die Leute, welche von abgeſchiedenen Seelen, von
Geſpenſtern, Geiſtern und Erſcheinungen u. dergl.
viel Weſens machten, nicht wuͤßten, was ſie trie-
ben. — Auf dieſe Art legte damals mein Vater den
Grund zu der Irreligion, welcher in der Folge mei-
nen Kirchen-Glauben gluͤcklich vernichtet hat.
Meine orthodoxen Leſer werden doch nicht boͤſe,
daß ich ſo geradezu mich zu denen bekenne, die von
Prieſter-Grillen nichts glauben? Die Gruͤnde lege
ich ihnen noch zum Theil in meiner Biographie hiſto-
riſch vor; und zwar ganz andre Gruͤnde, als jene,
welche Hr. D. Bahrdt aufgetiſchet hat. Jeder hat
indeß ſo ſeinen eignen Gott, ſeine eigne Welt, ſeinen
eignen Himmel, Hoͤlle, Glauben, ſeine Meinungen,
ſeine Narrheit, ſeine Philoſophie, ſeine — und wer
ihn darin irre macht, ohne ihm etwas Brauchbarers
dafuͤr an die Hand zu geben, hat Unrecht — er
ſey, wer er wolle.
In der Pfalz iſt zwar keine Inquiſition; aber
die Herren Geiſtlichen wiſſen es doch ſo huͤbſch zu
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/54>, abgerufen am 17.09.2024.
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