Maar -- wie man den Alp in der Pfalz nennt -- auf Anstiften böser Leute drückt, und tausend derglei- chen Herrlichkeiten, sind bei mei[ - 1 Zeichen fehlt]en lieben Landes- leute ganz ausgemachte Wahrheiten: wer eine davon leugnen wollte, würde gewiß für einen Ketzer, oder für einen Dummkopf angesehen werden. Jede Stadt, jedes Dorf hat seine öffentlichen Dorfgespenster, ohne die Hausgespenster. So geht z. B. in meinem Ge- burtsorte das Muhkalb und der Schlappohr im Dor- fe: im Felde spuckt der alte Schulz Hahn: item in der Adventszeit läßt sich ein feuriger Mann im Felde sehen. Beinahe alle Wendelsheimer schwören, diese Ungeheuer gesehen zu haben. Die Häuser sind auch nicht frei von Uhuhus: selbst im Pfarrhaus -- im Hinterhaus -- geht ein Mönch mit einem schrecklich langen Bart: in der Pfarrscheune, wie die Drescher oft versichert haben, läßt sich der Sanktornus sehen, u. s. w.
Daß der Pöbel an dergleichen Schnurren glaubt, ist ihm zu verzeihen; aber in der Pfalz glauben auch angesehene Leute oder so genannte Honoratiores alles das eben so einfältig, wie der Pöbel. Ich bin mehr- mals in Gesellschaften gewesen, wo Geistliche, Be- amte und Officire sich in vollem Ernst mit Gespen- sterhistörchen unterhielten, und einander ihre Erfah- rungen mittheilten. Keine Seele unterstand sich zu widersprechen; und wenn ich manchmal widersprach,
Maar — wie man den Alp in der Pfalz nennt — auf Anſtiften boͤſer Leute druͤckt, und tauſend derglei- chen Herrlichkeiten, ſind bei mei[ – 1 Zeichen fehlt]en lieben Landes- leute ganz ausgemachte Wahrheiten: wer eine davon leugnen wollte, wuͤrde gewiß fuͤr einen Ketzer, oder fuͤr einen Dummkopf angeſehen werden. Jede Stadt, jedes Dorf hat ſeine oͤffentlichen Dorfgeſpenſter, ohne die Hausgeſpenſter. So geht z. B. in meinem Ge- burtsorte das Muhkalb und der Schlappohr im Dor- fe: im Felde ſpuckt der alte Schulz Hahn: item in der Adventszeit laͤßt ſich ein feuriger Mann im Felde ſehen. Beinahe alle Wendelsheimer ſchwoͤren, dieſe Ungeheuer geſehen zu haben. Die Haͤuſer ſind auch nicht frei von Uhuhus: ſelbſt im Pfarrhaus — im Hinterhaus — geht ein Moͤnch mit einem ſchrecklich langen Bart: in der Pfarrſcheune, wie die Dreſcher oft verſichert haben, laͤßt ſich der Sanktornus ſehen, u. ſ. w.
Daß der Poͤbel an dergleichen Schnurren glaubt, iſt ihm zu verzeihen; aber in der Pfalz glauben auch angeſehene Leute oder ſo genannte Honoratiores alles das eben ſo einfaͤltig, wie der Poͤbel. Ich bin mehr- mals in Geſellſchaften geweſen, wo Geiſtliche, Be- amte und Officire ſich in vollem Ernſt mit Geſpen- ſterhiſtoͤrchen unterhielten, und einander ihre Erfah- rungen mittheilten. Keine Seele unterſtand ſich zu widerſprechen; und wenn ich manchmal widerſprach,
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Maar — wie man den Alp in der Pfalz nennt —
auf Anſtiften boͤſer Leute druͤckt, und tauſend derglei-
chen Herrlichkeiten, ſind bei mei_en lieben Landes-
leute ganz ausgemachte Wahrheiten: wer eine davon
leugnen wollte, wuͤrde gewiß fuͤr einen Ketzer, oder
fuͤr einen Dummkopf angeſehen werden. Jede Stadt,
jedes Dorf hat ſeine oͤffentlichen Dorfgeſpenſter, ohne
die Hausgeſpenſter. So geht z. B. in meinem Ge-
burtsorte das Muhkalb und der Schlappohr im Dor-
fe: im Felde ſpuckt der alte Schulz Hahn: item in
der Adventszeit laͤßt ſich ein feuriger Mann im Felde
ſehen. Beinahe alle Wendelsheimer ſchwoͤren, dieſe
Ungeheuer geſehen zu haben. Die Haͤuſer ſind auch
nicht frei von Uhuhus: ſelbſt im Pfarrhaus — im
Hinterhaus — geht ein Moͤnch mit einem ſchrecklich
langen Bart: in der Pfarrſcheune, wie die Dreſcher
oft verſichert haben, laͤßt ſich der Sanktornus ſehen,
u. ſ. w.
Daß der Poͤbel an dergleichen Schnurren glaubt,
iſt ihm zu verzeihen; aber in der Pfalz glauben auch
angeſehene Leute oder ſo genannte Honoratiores alles
das eben ſo einfaͤltig, wie der Poͤbel. Ich bin mehr-
mals in Geſellſchaften geweſen, wo Geiſtliche, Be-
amte und Officire ſich in vollem Ernſt mit Geſpen-
ſterhiſtoͤrchen unterhielten, und einander ihre Erfah-
rungen mittheilten. Keine Seele unterſtand ſich zu
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/51>, abgerufen am 16.02.2025.
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