Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch meine lange Abwesenheit viel leiden müssen. Sie bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt dergestalt, daß ich weiter keine Rücksicht auf sie nahm, wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muste sie oft die Hände dazu bieten. So muste sie z. B. die Jüdin Brendel unterhalten, indeß ich in deren Stube schlich, und Schweinsgedärme um die Scha- bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, worüber ein entsetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch, die mich lehrte, auf dem Eise glandern, und Schritt- schuhe laufen. Diese Kunst hatte sie als Mädchen getrieben, und suchte sie wieder hervor, um ihren lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater sah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da er nichts Böses, oder doch nicht viel Böses, von mir hörte; so schwieg er, und ließ es gut seyn. Die Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um sie war, und ihre Geschäfte nicht stöhrte.
Die gute Tante war abscheulich abergläubig. Ueberhaupt ist das Volk in der Pfalz diesem Fehler ausserordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten Spuren von dieser Seuche; aber nirgends auffallen- der, als in der Pfalz. Daß es dort viele tausend Schock Teufel, Hexen, Gespenster, feurige Män- ner -- u. s. f. giebt: daß es sich anzeigt, daß das
Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch meine lange Abweſenheit viel leiden muͤſſen. Sie bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt dergeſtalt, daß ich weiter keine Ruͤckſicht auf ſie nahm, wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muſte ſie oft die Haͤnde dazu bieten. So muſte ſie z. B. die Juͤdin Brendel unterhalten, indeß ich in deren Stube ſchlich, und Schweinsgedaͤrme um die Scha- bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, woruͤber ein entſetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch, die mich lehrte, auf dem Eiſe glandern, und Schritt- ſchuhe laufen. Dieſe Kunſt hatte ſie als Maͤdchen getrieben, und ſuchte ſie wieder hervor, um ihren lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater ſah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da er nichts Boͤſes, oder doch nicht viel Boͤſes, von mir hoͤrte; ſo ſchwieg er, und ließ es gut ſeyn. Die Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um ſie war, und ihre Geſchaͤfte nicht ſtoͤhrte.
Die gute Tante war abſcheulich aberglaͤubig. Ueberhaupt iſt das Volk in der Pfalz dieſem Fehler auſſerordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten Spuren von dieſer Seuche; aber nirgends auffallen- der, als in der Pfalz. Daß es dort viele tauſend Schock Teufel, Hexen, Geſpenſter, feurige Maͤn- ner — u. ſ. f. giebt: daß es ſich anzeigt, daß das
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0050"n="36"/><p>Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als<lb/>
vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch<lb/>
meine lange Abweſenheit viel leiden muͤſſen. Sie<lb/>
bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt<lb/>
dergeſtalt, daß ich weiter keine Ruͤckſicht auf ſie nahm,<lb/>
wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muſte ſie<lb/>
oft die Haͤnde dazu bieten. So muſte ſie z. B. die<lb/>
Juͤdin <hirendition="#g">Brendel</hi> unterhalten, indeß ich in deren<lb/>
Stube ſchlich, und Schweinsgedaͤrme um die Scha-<lb/>
bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, woruͤber ein<lb/>
entſetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch,<lb/>
die mich lehrte, auf dem Eiſe glandern, und Schritt-<lb/>ſchuhe laufen. Dieſe Kunſt hatte ſie als Maͤdchen<lb/>
getrieben, und ſuchte ſie wieder hervor, um ihren<lb/>
lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater<lb/>ſah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da<lb/>
er nichts Boͤſes, oder doch nicht viel Boͤſes, von<lb/>
mir hoͤrte; ſo ſchwieg er, und ließ es gut ſeyn. Die<lb/>
Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um ſie<lb/>
war, und ihre Geſchaͤfte nicht ſtoͤhrte.</p><lb/><p>Die gute Tante war abſcheulich aberglaͤubig.<lb/>
Ueberhaupt iſt das Volk in der Pfalz dieſem Fehler<lb/>
auſſerordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten<lb/>
Spuren von dieſer Seuche; aber nirgends auffallen-<lb/>
der, als in der <hirendition="#g">Pfalz</hi>. Daß es dort viele tauſend<lb/>
Schock Teufel, Hexen, Geſpenſter, feurige Maͤn-<lb/>
ner — u. ſ. f. giebt: daß es ſich anzeigt, daß das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[36/0050]
Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als
vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch
meine lange Abweſenheit viel leiden muͤſſen. Sie
bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt
dergeſtalt, daß ich weiter keine Ruͤckſicht auf ſie nahm,
wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muſte ſie
oft die Haͤnde dazu bieten. So muſte ſie z. B. die
Juͤdin Brendel unterhalten, indeß ich in deren
Stube ſchlich, und Schweinsgedaͤrme um die Scha-
bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, woruͤber ein
entſetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch,
die mich lehrte, auf dem Eiſe glandern, und Schritt-
ſchuhe laufen. Dieſe Kunſt hatte ſie als Maͤdchen
getrieben, und ſuchte ſie wieder hervor, um ihren
lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater
ſah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da
er nichts Boͤſes, oder doch nicht viel Boͤſes, von
mir hoͤrte; ſo ſchwieg er, und ließ es gut ſeyn. Die
Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um ſie
war, und ihre Geſchaͤfte nicht ſtoͤhrte.
Die gute Tante war abſcheulich aberglaͤubig.
Ueberhaupt iſt das Volk in der Pfalz dieſem Fehler
auſſerordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten
Spuren von dieſer Seuche; aber nirgends auffallen-
der, als in der Pfalz. Daß es dort viele tauſend
Schock Teufel, Hexen, Geſpenſter, feurige Maͤn-
ner — u. ſ. f. giebt: daß es ſich anzeigt, daß das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/50>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.