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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Liebe gegen Andere, nicht verfeinerte, nicht erhöh-
te. -- Er lebte für sich, er war für sich auf seiner
Stube; wo er seine Buben -- so nannte er die
Schüler -- unterrichtete, seine Tauben fütterte, und
in seinen Büchern herumblätterte: übrigens ließ ers
gehen, wie es ging, und die ganze Wirthschaft hing
von der Frau Inspektorin ab.

Ich hatte ohngefähr anderthalb Jahr in Dol-
gesheim zugebracht, als mich mein Vater zurück hohl-
te. Ein Baugefangener, der nach zehn Jahren saurer
Festungsarbeit, wieder frei wird, kann nicht froher
seyn, als ich es war, da es hieß -- es ginge nach
Hause! Beinahe hätte ich vor lauter Jubel vergessen,
bei meinem Lehrprinzen, dem Hrn. Kratz, Abschied
zu nehmen, und ihm für seinen Unterricht, wie auch
für die vielen Schläge, u. dergl. aufs verbindlichste zu
danken. --

Ich war also wieder im Schooß meiner Fami-
lie, erneuerte meine alten Bekanntschaften, und
fings wieder da an, wo ich es gelassen hatte.

Mein Vater würde mich jetzt auf eine öffentliche
Schule geschickt haben, wenn ihn nicht die elende
Beschaffenheit der Pfälzischen Schulen daran gehin-
dert hätte. Da die drei Hauptpartheien der Chri-
sten in der Pfalz beinahe gleiche Rechte prätendiren --
obgleich die Katholiken, als die herrschende Kirche
alle Arten der gröbsten Intoleranz, mit aller mögli-

Liebe gegen Andere, nicht verfeinerte, nicht erhoͤh-
te. — Er lebte fuͤr ſich, er war fuͤr ſich auf ſeiner
Stube; wo er ſeine Buben — ſo nannte er die
Schuͤler — unterrichtete, ſeine Tauben fuͤtterte, und
in ſeinen Buͤchern herumblaͤtterte: uͤbrigens ließ ers
gehen, wie es ging, und die ganze Wirthſchaft hing
von der Frau Inſpektorin ab.

Ich hatte ohngefaͤhr anderthalb Jahr in Dol-
gesheim zugebracht, als mich mein Vater zuruͤck hohl-
te. Ein Baugefangener, der nach zehn Jahren ſaurer
Feſtungsarbeit, wieder frei wird, kann nicht froher
ſeyn, als ich es war, da es hieß — es ginge nach
Hauſe! Beinahe haͤtte ich vor lauter Jubel vergeſſen,
bei meinem Lehrprinzen, dem Hrn. Kratz, Abſchied
zu nehmen, und ihm fuͤr ſeinen Unterricht, wie auch
fuͤr die vielen Schlaͤge, u. dergl. aufs verbindlichſte zu
danken. —

Ich war alſo wieder im Schooß meiner Fami-
lie, erneuerte meine alten Bekanntſchaften, und
fings wieder da an, wo ich es gelaſſen hatte.

Mein Vater wuͤrde mich jetzt auf eine oͤffentliche
Schule geſchickt haben, wenn ihn nicht die elende
Beſchaffenheit der Pfaͤlziſchen Schulen daran gehin-
dert haͤtte. Da die drei Hauptpartheien der Chri-
ſten in der Pfalz beinahe gleiche Rechte praͤtendiren —
obgleich die Katholiken, als die herrſchende Kirche
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[31/0045] Liebe gegen Andere, nicht verfeinerte, nicht erhoͤh- te. — Er lebte fuͤr ſich, er war fuͤr ſich auf ſeiner Stube; wo er ſeine Buben — ſo nannte er die Schuͤler — unterrichtete, ſeine Tauben fuͤtterte, und in ſeinen Buͤchern herumblaͤtterte: uͤbrigens ließ ers gehen, wie es ging, und die ganze Wirthſchaft hing von der Frau Inſpektorin ab. Ich hatte ohngefaͤhr anderthalb Jahr in Dol- gesheim zugebracht, als mich mein Vater zuruͤck hohl- te. Ein Baugefangener, der nach zehn Jahren ſaurer Feſtungsarbeit, wieder frei wird, kann nicht froher ſeyn, als ich es war, da es hieß — es ginge nach Hauſe! Beinahe haͤtte ich vor lauter Jubel vergeſſen, bei meinem Lehrprinzen, dem Hrn. Kratz, Abſchied zu nehmen, und ihm fuͤr ſeinen Unterricht, wie auch fuͤr die vielen Schlaͤge, u. dergl. aufs verbindlichſte zu danken. — Ich war alſo wieder im Schooß meiner Fami- lie, erneuerte meine alten Bekanntſchaften, und fings wieder da an, wo ich es gelaſſen hatte. Mein Vater wuͤrde mich jetzt auf eine oͤffentliche Schule geſchickt haben, wenn ihn nicht die elende Beſchaffenheit der Pfaͤlziſchen Schulen daran gehin- dert haͤtte. Da die drei Hauptpartheien der Chri- ſten in der Pfalz beinahe gleiche Rechte praͤtendiren — obgleich die Katholiken, als die herrſchende Kirche alle Arten der groͤbſten Intoleranz, mit aller moͤgli-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/45>, abgerufen am 21.11.2024.