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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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in allen Weinhäusern und Kneipen herumliegen, mit
den Baurendirnen und andern nicht unanständig
scherzen, und endlich nicht mehr so frei über Religion
spotten. Und doch machten diese Dinge mein höch-
stes Gut aus, sie mir nehmen wollen, hieß mich
vernichten.

Was insbesondere meine Religionsgespräche be-
trifft, so waren sie ächt deistisch, d. h. ich suchte mit
Gründen darzuthun, daß die im neuen Testament
enthaltene Lehre nichts sey, wenigstens nichts anders
seyn könne als natürliche Religion, daß folglich die
Wunder, Geheimnisse und dergleichen, erdichtete
Fabeln wären. Nachdem ich die Fragmente studiert
hatte, fand ich in der christlichen Historie nichts als
boshaften Betrug, und räsonnirte nun aus einem
andern Tone. Ich hielt es jetzt überhaupt nicht
mehr der Mühe werth, die christliche Religion mit
Gründen zu widerlegen, betrachtete sie blos als einen
würdigen Gegenstand des Spottes, und brachte die-
sen Spott bei jeder Gelegenheit an, ohne auf Zeit,
Ort und Person zu sehen, mit denen ich zu thun
hatte.

Auf diese Art verlohr ich sogar bei denen den
Kredit, welche mich bis jetzt, meiner verdorbenen
Sitten und meines Deismus ungeachtet, noch geliebt
und vertheidigt hatten. Die Kandidaten in jener
Gegend, die sonst gern mit mir umgingen, weil sie

in allen Weinhaͤuſern und Kneipen herumliegen, mit
den Baurendirnen und andern nicht unanſtaͤndig
ſcherzen, und endlich nicht mehr ſo frei uͤber Religion
ſpotten. Und doch machten dieſe Dinge mein hoͤch-
ſtes Gut aus, ſie mir nehmen wollen, hieß mich
vernichten.

Was insbeſondere meine Religionsgeſpraͤche be-
trifft, ſo waren ſie aͤcht deiſtiſch, d. h. ich ſuchte mit
Gruͤnden darzuthun, daß die im neuen Teſtament
enthaltene Lehre nichts ſey, wenigſtens nichts anders
ſeyn koͤnne als natuͤrliche Religion, daß folglich die
Wunder, Geheimniſſe und dergleichen, erdichtete
Fabeln waͤren. Nachdem ich die Fragmente ſtudiert
hatte, fand ich in der chriſtlichen Hiſtorie nichts als
boshaften Betrug, und raͤſonnirte nun aus einem
andern Tone. Ich hielt es jetzt uͤberhaupt nicht
mehr der Muͤhe werth, die chriſtliche Religion mit
Gruͤnden zu widerlegen, betrachtete ſie blos als einen
wuͤrdigen Gegenſtand des Spottes, und brachte die-
ſen Spott bei jeder Gelegenheit an, ohne auf Zeit,
Ort und Perſon zu ſehen, mit denen ich zu thun
hatte.

Auf dieſe Art verlohr ich ſogar bei denen den
Kredit, welche mich bis jetzt, meiner verdorbenen
Sitten und meines Deismus ungeachtet, noch geliebt
und vertheidigt hatten. Die Kandidaten in jener
Gegend, die ſonſt gern mit mir umgingen, weil ſie

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[388/0402] in allen Weinhaͤuſern und Kneipen herumliegen, mit den Baurendirnen und andern nicht unanſtaͤndig ſcherzen, und endlich nicht mehr ſo frei uͤber Religion ſpotten. Und doch machten dieſe Dinge mein hoͤch- ſtes Gut aus, ſie mir nehmen wollen, hieß mich vernichten. Was insbeſondere meine Religionsgeſpraͤche be- trifft, ſo waren ſie aͤcht deiſtiſch, d. h. ich ſuchte mit Gruͤnden darzuthun, daß die im neuen Teſtament enthaltene Lehre nichts ſey, wenigſtens nichts anders ſeyn koͤnne als natuͤrliche Religion, daß folglich die Wunder, Geheimniſſe und dergleichen, erdichtete Fabeln waͤren. Nachdem ich die Fragmente ſtudiert hatte, fand ich in der chriſtlichen Hiſtorie nichts als boshaften Betrug, und raͤſonnirte nun aus einem andern Tone. Ich hielt es jetzt uͤberhaupt nicht mehr der Muͤhe werth, die chriſtliche Religion mit Gruͤnden zu widerlegen, betrachtete ſie blos als einen wuͤrdigen Gegenſtand des Spottes, und brachte die- ſen Spott bei jeder Gelegenheit an, ohne auf Zeit, Ort und Perſon zu ſehen, mit denen ich zu thun hatte. Auf dieſe Art verlohr ich ſogar bei denen den Kredit, welche mich bis jetzt, meiner verdorbenen Sitten und meines Deismus ungeachtet, noch geliebt und vertheidigt hatten. Die Kandidaten in jener Gegend, die ſonſt gern mit mir umgingen, weil ſie

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/402>, abgerufen am 02.05.2024.