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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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bekannt, und hatte blutwenig Freunde von Einfluß.
Da dachte ich dann, es sey besser, in einen sauren
Apfel zu beissen, als gar Hungers zu sterben -- und so
faßte ich den heldenmüthigen Entschluß, durch den
Canal der Mamsel Katharine in den Schafstall der
Heerde Christi einzugehen, und mein Kreuz, als
Jünger und Apostel Jesu, geduldig auf mich zu neh-
men und zu tragen.

Ich notificirte meinem Vater diesen Vorschlag
und meinen Entschluß; aber der hatte eben soviel da-
wider zu erinnern, als ich im Anfange der Sache.
Er meinte, das sei eine unglückliche Heurath, welche
auf ein Lamy, verdollmetscht Lamentiren, hinaus-
laufen würde. Ein junger Mann müsse seine ältere
Frau verachten und extra steigen: das könne gar
nicht anders seyn. Bei dieser Gelegenheit erklärte
er mir allerlei Geheimnisse des Ehestandes. Doch
wollt er mir nicht zuwider seyn, fügte er zuletzt hin-
zu: Er sähe wohl, daß, wenn ich länger ohne feste
Station bliebe, mein ganzes Wesen noch völlig ver-
dorben werden würde, wenn ja noch etwas Gutes
in mir stecken sollte.

Wie mein Vater, eben so dachten auch die
Brüder der Mamsel, ohne es gerade mir unter die
Augen zu sagen; allein die Mamsel selbst, dachte
weit anders, als wir alle. Sie fand, daß sie für
mich, und ich für sie von Gott gemacht wären: daß

bekannt, und hatte blutwenig Freunde von Einfluß.
Da dachte ich dann, es ſey beſſer, in einen ſauren
Apfel zu beiſſen, als gar Hungers zu ſterben — und ſo
faßte ich den heldenmuͤthigen Entſchluß, durch den
Canal der Mamſel Katharine in den Schafſtall der
Heerde Chriſti einzugehen, und mein Kreuz, als
Juͤnger und Apoſtel Jeſu, geduldig auf mich zu neh-
men und zu tragen.

Ich notificirte meinem Vater dieſen Vorſchlag
und meinen Entſchluß; aber der hatte eben ſoviel da-
wider zu erinnern, als ich im Anfange der Sache.
Er meinte, das ſei eine ungluͤckliche Heurath, welche
auf ein Lamy, verdollmetſcht Lamentiren, hinaus-
laufen wuͤrde. Ein junger Mann muͤſſe ſeine aͤltere
Frau verachten und extra ſteigen: das koͤnne gar
nicht anders ſeyn. Bei dieſer Gelegenheit erklaͤrte
er mir allerlei Geheimniſſe des Eheſtandes. Doch
wollt er mir nicht zuwider ſeyn, fuͤgte er zuletzt hin-
zu: Er ſaͤhe wohl, daß, wenn ich laͤnger ohne feſte
Station bliebe, mein ganzes Weſen noch voͤllig ver-
dorben werden wuͤrde, wenn ja noch etwas Gutes
in mir ſtecken ſollte.

Wie mein Vater, eben ſo dachten auch die
Bruͤder der Mamſel, ohne es gerade mir unter die
Augen zu ſagen; allein die Mamſel ſelbſt, dachte
weit anders, als wir alle. Sie fand, daß ſie fuͤr
mich, und ich fuͤr ſie von Gott gemacht waͤren: daß

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[371/0385] bekannt, und hatte blutwenig Freunde von Einfluß. Da dachte ich dann, es ſey beſſer, in einen ſauren Apfel zu beiſſen, als gar Hungers zu ſterben — und ſo faßte ich den heldenmuͤthigen Entſchluß, durch den Canal der Mamſel Katharine in den Schafſtall der Heerde Chriſti einzugehen, und mein Kreuz, als Juͤnger und Apoſtel Jeſu, geduldig auf mich zu neh- men und zu tragen. Ich notificirte meinem Vater dieſen Vorſchlag und meinen Entſchluß; aber der hatte eben ſoviel da- wider zu erinnern, als ich im Anfange der Sache. Er meinte, das ſei eine ungluͤckliche Heurath, welche auf ein Lamy, verdollmetſcht Lamentiren, hinaus- laufen wuͤrde. Ein junger Mann muͤſſe ſeine aͤltere Frau verachten und extra ſteigen: das koͤnne gar nicht anders ſeyn. Bei dieſer Gelegenheit erklaͤrte er mir allerlei Geheimniſſe des Eheſtandes. Doch wollt er mir nicht zuwider ſeyn, fuͤgte er zuletzt hin- zu: Er ſaͤhe wohl, daß, wenn ich laͤnger ohne feſte Station bliebe, mein ganzes Weſen noch voͤllig ver- dorben werden wuͤrde, wenn ja noch etwas Gutes in mir ſtecken ſollte. Wie mein Vater, eben ſo dachten auch die Bruͤder der Mamſel, ohne es gerade mir unter die Augen zu ſagen; allein die Mamſel ſelbſt, dachte weit anders, als wir alle. Sie fand, daß ſie fuͤr mich, und ich fuͤr ſie von Gott gemacht waͤren: daß

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/385>, abgerufen am 17.05.2024.