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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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ein junger Mensch von drei und zwanzig, und ein
zahnloses Frauenzimmer von vierzig Jahren, ein
allerliebstes Pärchen machen würden: und bei die-
ser Voraussetzung fing sie an, nachdem der Herr
Schulz seinen Sermon, die Sache betreffend, bei ihr
abgelegt hatte, die Verliebte und Zärtliche zu spie-
len. -- Was man so im gemeinen Leben sagt, hab
auch ich, oft und Besonders an dieser Katharine
wahr gefunden. Das Frauenzimmer läßt sich, we-
gen seiner natürlichen Eitelkeit, die über alles geht,
gern, von jedermann, er sei geliebt oder gehaßt,
hübsch oder garstig, jung oder alt, von Qualität
oder ohne Qualität, flattiren und karessiren. Auch
Katharine war so. Ihr Schönthun kam aber sehr
närrisch heraus, und quälte mich ganz abscheulich.
Und ich glaube, für jeden braven deutschen Kerl ist
nichts unerträglicher und ekelhafter, als Schmeiche-
leien, Küsse, und zärtliches Necken eines verliebten
und empfindsamen Weibesbildes, für welches man
nichts empfindet.

Das Aergste bei der ganzen Sache war dies.
Wenn ich nicht alle absurden Zärtlichkeiten und alle
häufigen und vollmäuligen Küsse sogleich mit allem
Ernst erwiederte; so ward die Mamsel böse, und
klagte recht ernstlich über meinen Kaltsinn. Ich
war also allemal, so oft ich um und neben ihr seyn
mußte, auf der Folterbank, und lief, um mir doch

ein junger Menſch von drei und zwanzig, und ein
zahnloſes Frauenzimmer von vierzig Jahren, ein
allerliebſtes Paͤrchen machen wuͤrden: und bei die-
ſer Vorausſetzung fing ſie an, nachdem der Herr
Schulz ſeinen Sermon, die Sache betreffend, bei ihr
abgelegt hatte, die Verliebte und Zaͤrtliche zu ſpie-
len. — Was man ſo im gemeinen Leben ſagt, hab
auch ich, oft und Beſonders an dieſer Katharine
wahr gefunden. Das Frauenzimmer laͤßt ſich, we-
gen ſeiner natuͤrlichen Eitelkeit, die uͤber alles geht,
gern, von jedermann, er ſei geliebt oder gehaßt,
huͤbſch oder garſtig, jung oder alt, von Qualitaͤt
oder ohne Qualitaͤt, flattiren und kareſſiren. Auch
Katharine war ſo. Ihr Schoͤnthun kam aber ſehr
naͤrriſch heraus, und quaͤlte mich ganz abſcheulich.
Und ich glaube, fuͤr jeden braven deutſchen Kerl iſt
nichts unertraͤglicher und ekelhafter, als Schmeiche-
leien, Kuͤſſe, und zaͤrtliches Necken eines verliebten
und empfindſamen Weibesbildes, fuͤr welches man
nichts empfindet.

Das Aergſte bei der ganzen Sache war dies.
Wenn ich nicht alle abſurden Zaͤrtlichkeiten und alle
haͤufigen und vollmaͤuligen Kuͤſſe ſogleich mit allem
Ernſt erwiederte; ſo ward die Mamſel boͤſe, und
klagte recht ernſtlich uͤber meinen Kaltſinn. Ich
war alſo allemal, ſo oft ich um und neben ihr ſeyn
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[372/0386] ein junger Menſch von drei und zwanzig, und ein zahnloſes Frauenzimmer von vierzig Jahren, ein allerliebſtes Paͤrchen machen wuͤrden: und bei die- ſer Vorausſetzung fing ſie an, nachdem der Herr Schulz ſeinen Sermon, die Sache betreffend, bei ihr abgelegt hatte, die Verliebte und Zaͤrtliche zu ſpie- len. — Was man ſo im gemeinen Leben ſagt, hab auch ich, oft und Beſonders an dieſer Katharine wahr gefunden. Das Frauenzimmer laͤßt ſich, we- gen ſeiner natuͤrlichen Eitelkeit, die uͤber alles geht, gern, von jedermann, er ſei geliebt oder gehaßt, huͤbſch oder garſtig, jung oder alt, von Qualitaͤt oder ohne Qualitaͤt, flattiren und kareſſiren. Auch Katharine war ſo. Ihr Schoͤnthun kam aber ſehr naͤrriſch heraus, und quaͤlte mich ganz abſcheulich. Und ich glaube, fuͤr jeden braven deutſchen Kerl iſt nichts unertraͤglicher und ekelhafter, als Schmeiche- leien, Kuͤſſe, und zaͤrtliches Necken eines verliebten und empfindſamen Weibesbildes, fuͤr welches man nichts empfindet. Das Aergſte bei der ganzen Sache war dies. Wenn ich nicht alle abſurden Zaͤrtlichkeiten und alle haͤufigen und vollmaͤuligen Kuͤſſe ſogleich mit allem Ernſt erwiederte; ſo ward die Mamſel boͤſe, und klagte recht ernſtlich uͤber meinen Kaltſinn. Ich war alſo allemal, ſo oft ich um und neben ihr ſeyn mußte, auf der Folterbank, und lief, um mir doch

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/386>, abgerufen am 17.05.2024.