Ich schäme mich fast, hier zu gestehen, daß ich ein sehr unedles Mittel anwandte, mich an den Wa- genern zu rächen: aber ich muß aufrichtig seyn. -- Der älteste Bruder des Pfarrers von Udenheim mit sei- nem Schimpfnamen, in jener Gegend der Hosenknopf genannt, hatte sich die Pfarre zu Mommenheim, einem katholischen Edelleuten zugehörigen Dorfe, für baar Geld gekauft. Die Bauern, welche die krasse Ignoranz des Menschen aus den Nachrichten anderer, deren sie in diesem Stücke gern glaubten, schon kannten, und nun noch seine niedrigen Sitten und seine säuische Lebensart mit Augen sahen, fingen einen Prozeß wider ihn an, und forderten von ihren Edelleuten, daß das über allen Glauben elende Sub- jekt sollte removirt werden. Der Prozeß kam nach Wezlar; allein das Kammergericht ging, wie die Justiz nach alter Gewohnheit immer zu gehen pflegt, den langsam kriechenden Schneckengang, und so ver- gingen mehrere Jahre, bis endlich die Bauern des Prozessirens überdrüssig wurden, und die Sache lie- gen ließen. Dies ärgerte mich. Ich feuerte also die Bauern von neuem an, schanzte ihnen einen recht beissigen Advokaten zu, und brachte es durch meine Veranstaltung endlich dahin, daß die Mommenhei- mer Gemeinde Deputirte nach Wezlar schickte, wel- che so lange dableiben mußten, bis der Prozeß zu Wageners Nachtheil entschieden ward. -- Ich ge-
Ich ſchaͤme mich faſt, hier zu geſtehen, daß ich ein ſehr unedles Mittel anwandte, mich an den Wa- genern zu raͤchen: aber ich muß aufrichtig ſeyn. — Der aͤlteſte Bruder des Pfarrers von Udenheim mit ſei- nem Schimpfnamen, in jener Gegend der Hoſenknopf genannt, hatte ſich die Pfarre zu Mommenheim, einem katholiſchen Edelleuten zugehoͤrigen Dorfe, fuͤr baar Geld gekauft. Die Bauern, welche die kraſſe Ignoranz des Menſchen aus den Nachrichten anderer, deren ſie in dieſem Stuͤcke gern glaubten, ſchon kannten, und nun noch ſeine niedrigen Sitten und ſeine ſaͤuiſche Lebensart mit Augen ſahen, fingen einen Prozeß wider ihn an, und forderten von ihren Edelleuten, daß das uͤber allen Glauben elende Sub- jekt ſollte removirt werden. Der Prozeß kam nach Wezlar; allein das Kammergericht ging, wie die Juſtiz nach alter Gewohnheit immer zu gehen pflegt, den langſam kriechenden Schneckengang, und ſo ver- gingen mehrere Jahre, bis endlich die Bauern des Prozeſſirens uͤberdruͤſſig wurden, und die Sache lie- gen ließen. Dies aͤrgerte mich. Ich feuerte alſo die Bauern von neuem an, ſchanzte ihnen einen recht beiſſigen Advokaten zu, und brachte es durch meine Veranſtaltung endlich dahin, daß die Mommenhei- mer Gemeinde Deputirte nach Wezlar ſchickte, wel- che ſo lange dableiben mußten, bis der Prozeß zu Wageners Nachtheil entſchieden ward. — Ich ge-
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Ich ſchaͤme mich faſt, hier zu geſtehen, daß ich
ein ſehr unedles Mittel anwandte, mich an den Wa-
genern zu raͤchen: aber ich muß aufrichtig ſeyn. —
Der aͤlteſte Bruder des Pfarrers von Udenheim mit ſei-
nem Schimpfnamen, in jener Gegend der Hoſenknopf
genannt, hatte ſich die Pfarre zu Mommenheim,
einem katholiſchen Edelleuten zugehoͤrigen Dorfe,
fuͤr baar Geld gekauft. Die Bauern, welche die
kraſſe Ignoranz des Menſchen aus den Nachrichten
anderer, deren ſie in dieſem Stuͤcke gern glaubten,
ſchon kannten, und nun noch ſeine niedrigen Sitten
und ſeine ſaͤuiſche Lebensart mit Augen ſahen, fingen
einen Prozeß wider ihn an, und forderten von ihren
Edelleuten, daß das uͤber allen Glauben elende Sub-
jekt ſollte removirt werden. Der Prozeß kam nach
Wezlar; allein das Kammergericht ging, wie die
Juſtiz nach alter Gewohnheit immer zu gehen pflegt,
den langſam kriechenden Schneckengang, und ſo ver-
gingen mehrere Jahre, bis endlich die Bauern des
Prozeſſirens uͤberdruͤſſig wurden, und die Sache lie-
gen ließen. Dies aͤrgerte mich. Ich feuerte alſo die
Bauern von neuem an, ſchanzte ihnen einen recht
beiſſigen Advokaten zu, und brachte es durch meine
Veranſtaltung endlich dahin, daß die Mommenhei-
mer Gemeinde Deputirte nach Wezlar ſchickte, wel-
che ſo lange dableiben mußten, bis der Prozeß zu
Wageners Nachtheil entſchieden ward. — Ich ge-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/353>, abgerufen am 19.02.2025.
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