macht, und dabei immer, wie ein Milzsüchtiger, andrer Leute Sitten speculirt, kann nicht gefallen. Wie juristisch-positiv er sich den lieben Gott in Rück- sicht auf das Wohl seiner vernünftigen Geschöpfe vor- modle, zeigt sein einziger Weg zur Glückse- ligkeit, den man aber in Göttingen nicht anders, als die Himmelspost beniehmte. Wenn Herr Pütter die Reichsgeschichte vorträgt; so hält er sich bei den wichtigsten Sachen nur kurz auf; hingegen bei D. Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo- chen zu. Selten versäumt er eine Kirche, geht auch regelmäßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß; beiher jagt er aber sein Gesinde über das kleinste Ver- sehen fort, und läßt seinen frommen Stolz jeder- man empfinden, der zu ihm kommt: besonders soll er denen, welche Hülfe und Unterstützung bei ihm suchen, ausserordentlich streng und grob begegnen. Das ist denn so der rechte Weg zur Glückselig- keit!
Der andre Mann, den ich noch nennen will, ist der verstorbene Ritter Michaelis. Die großen Verdienste dieses Gelehrten um die morgenländische Litteratur weisen ihm billig einen Platz unter den größten Männern seines Jahrhunderts an, und sichern seinen Namen vor jener Vergessenheit, welche auf so manchen wartet, der sich jetzt für ein Licht der Welt hält. Aber sein bis an Niederträchtigkeit grän-
macht, und dabei immer, wie ein Milzſuͤchtiger, andrer Leute Sitten ſpeculirt, kann nicht gefallen. Wie juriſtiſch-poſitiv er ſich den lieben Gott in Ruͤck- ſicht auf das Wohl ſeiner vernuͤnftigen Geſchoͤpfe vor- modle, zeigt ſein einziger Weg zur Gluͤckſe- ligkeit, den man aber in Goͤttingen nicht anders, als die Himmelspoſt beniehmte. Wenn Herr Puͤtter die Reichsgeſchichte vortraͤgt; ſo haͤlt er ſich bei den wichtigſten Sachen nur kurz auf; hingegen bei D. Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo- chen zu. Selten verſaͤumt er eine Kirche, geht auch regelmaͤßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß; beiher jagt er aber ſein Geſinde uͤber das kleinſte Ver- ſehen fort, und laͤßt ſeinen frommen Stolz jeder- man empfinden, der zu ihm kommt: beſonders ſoll er denen, welche Huͤlfe und Unterſtuͤtzung bei ihm ſuchen, auſſerordentlich ſtreng und grob begegnen. Das iſt denn ſo der rechte Weg zur Gluͤckſelig- keit!
Der andre Mann, den ich noch nennen will, iſt der verſtorbene Ritter Michaelis. Die großen Verdienſte dieſes Gelehrten um die morgenlaͤndiſche Litteratur weiſen ihm billig einen Platz unter den groͤßten Maͤnnern ſeines Jahrhunderts an, und ſichern ſeinen Namen vor jener Vergeſſenheit, welche auf ſo manchen wartet, der ſich jetzt fuͤr ein Licht der Welt haͤlt. Aber ſein bis an Niedertraͤchtigkeit graͤn-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0267"n="253"/>
macht, und dabei immer, wie ein Milzſuͤchtiger,<lb/>
andrer Leute Sitten ſpeculirt, kann nicht gefallen.<lb/>
Wie juriſtiſch-poſitiv er ſich den lieben Gott in Ruͤck-<lb/>ſicht auf das Wohl ſeiner vernuͤnftigen Geſchoͤpfe vor-<lb/>
modle, zeigt ſein <hirendition="#g">einziger Weg zur Gluͤckſe</hi>-<lb/><hirendition="#g">ligkeit</hi>, den man aber in Goͤttingen nicht anders,<lb/>
als die Himmelspoſt beniehmte. Wenn Herr Puͤtter<lb/>
die Reichsgeſchichte vortraͤgt; ſo haͤlt er ſich bei den<lb/>
wichtigſten Sachen nur kurz auf; hingegen bei <hirendition="#aq">D.</hi><lb/>
Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo-<lb/>
chen zu. Selten verſaͤumt er eine Kirche, geht auch<lb/>
regelmaͤßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß;<lb/>
beiher jagt er aber ſein Geſinde uͤber das kleinſte Ver-<lb/>ſehen fort, und laͤßt ſeinen frommen Stolz jeder-<lb/>
man empfinden, der zu ihm kommt: beſonders ſoll<lb/>
er denen, welche Huͤlfe und Unterſtuͤtzung bei ihm<lb/>ſuchen, auſſerordentlich ſtreng und grob begegnen.<lb/>
Das iſt denn ſo der rechte Weg zur Gluͤckſelig-<lb/>
keit!</p><lb/><p>Der andre Mann, den ich noch nennen will,<lb/>
iſt der verſtorbene Ritter <hirendition="#g">Michaelis</hi>. Die großen<lb/>
Verdienſte dieſes Gelehrten um die morgenlaͤndiſche<lb/>
Litteratur weiſen ihm billig einen Platz unter den<lb/>
groͤßten Maͤnnern ſeines Jahrhunderts an, und<lb/>ſichern ſeinen Namen vor jener Vergeſſenheit, welche<lb/>
auf ſo manchen wartet, der ſich jetzt fuͤr ein Licht der<lb/>
Welt haͤlt. Aber ſein bis an Niedertraͤchtigkeit graͤn-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[253/0267]
macht, und dabei immer, wie ein Milzſuͤchtiger,
andrer Leute Sitten ſpeculirt, kann nicht gefallen.
Wie juriſtiſch-poſitiv er ſich den lieben Gott in Ruͤck-
ſicht auf das Wohl ſeiner vernuͤnftigen Geſchoͤpfe vor-
modle, zeigt ſein einziger Weg zur Gluͤckſe-
ligkeit, den man aber in Goͤttingen nicht anders,
als die Himmelspoſt beniehmte. Wenn Herr Puͤtter
die Reichsgeſchichte vortraͤgt; ſo haͤlt er ſich bei den
wichtigſten Sachen nur kurz auf; hingegen bei D.
Luthern und den Symbolen bringt er mehrere Wo-
chen zu. Selten verſaͤumt er eine Kirche, geht auch
regelmaͤßig zum Abendmal, und betet ohne Unterlaß;
beiher jagt er aber ſein Geſinde uͤber das kleinſte Ver-
ſehen fort, und laͤßt ſeinen frommen Stolz jeder-
man empfinden, der zu ihm kommt: beſonders ſoll
er denen, welche Huͤlfe und Unterſtuͤtzung bei ihm
ſuchen, auſſerordentlich ſtreng und grob begegnen.
Das iſt denn ſo der rechte Weg zur Gluͤckſelig-
keit!
Der andre Mann, den ich noch nennen will,
iſt der verſtorbene Ritter Michaelis. Die großen
Verdienſte dieſes Gelehrten um die morgenlaͤndiſche
Litteratur weiſen ihm billig einen Platz unter den
groͤßten Maͤnnern ſeines Jahrhunderts an, und
ſichern ſeinen Namen vor jener Vergeſſenheit, welche
auf ſo manchen wartet, der ſich jetzt fuͤr ein Licht der
Welt haͤlt. Aber ſein bis an Niedertraͤchtigkeit graͤn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/267>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.