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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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tanzte, und bei den anwesenden Mädchen u) herum-
schäkerte. Das Ding mag bis nach Mitternacht ge-
dauert haben: denn bis halb zwölf Uhr hatte ich
meine Besinnungskraft: was aber hernach mit mir
vorgegangen ist, weis ich nicht.

Den andern Morgen erwachte ich erst um 10
Uhr, und hatte schrecklichen Durst. Ich lag noch
völlig gekleidet im Bette, außer, daß man mir den
Ueberrock ausgezogen hatte. Doch war ich ordent-
lich zugedeckt, und hatte ein Tuch um den Kopf.
Meine Uhr, Stock und Huth lagen auf dem Tisch,
wie auch der Siegwart, den ich in Gießen zum
Zeitvertreib zu mir gesteckt hatte: Er war damals
die Modelektüre. Das Zimmerchen, worin ich lag,
war sehr klein, doch reinlich. Ich wußte nicht, wo
ich mich befand, ging also nach der Thür: aber wie
erschrack ich, als diese verschlossen war! Ich pochte
stark an: endlich erschien ein Unterofficier mit einem
Mädchen, welches Koffe herauftrug. "Guten Mor-
gen Herr Bruder, sagte er, wie hast du geschlafen?


u) Gewöhnlich werden in den Werbhäusern Mädchen ge-
halten: durch diese trägt mancher den rothen, weißen,
blauen oder grünen Rock. Mags wohl große Ehre seyn,
durch Kunstgriffe, welche jederman verabscheut, z. B.
vermittelst niederträchtiger Huren, Besoffenheit, Be-
trügerei u. s. w. junge Leute wo nicht zu verführen
doch zu betrügen!

tanzte, und bei den anweſenden Maͤdchen u) herum-
ſchaͤkerte. Das Ding mag bis nach Mitternacht ge-
dauert haben: denn bis halb zwoͤlf Uhr hatte ich
meine Beſinnungskraft: was aber hernach mit mir
vorgegangen iſt, weis ich nicht.

Den andern Morgen erwachte ich erſt um 10
Uhr, und hatte ſchrecklichen Durſt. Ich lag noch
voͤllig gekleidet im Bette, außer, daß man mir den
Ueberrock ausgezogen hatte. Doch war ich ordent-
lich zugedeckt, und hatte ein Tuch um den Kopf.
Meine Uhr, Stock und Huth lagen auf dem Tiſch,
wie auch der Siegwart, den ich in Gießen zum
Zeitvertreib zu mir geſteckt hatte: Er war damals
die Modelektuͤre. Das Zimmerchen, worin ich lag,
war ſehr klein, doch reinlich. Ich wußte nicht, wo
ich mich befand, ging alſo nach der Thuͤr: aber wie
erſchrack ich, als dieſe verſchloſſen war! Ich pochte
ſtark an: endlich erſchien ein Unterofficier mit einem
Maͤdchen, welches Koffe herauftrug. „Guten Mor-
gen Herr Bruder, ſagte er, wie haſt du geſchlafen?


u) Gewoͤhnlich werden in den Werbhaͤuſern Maͤdchen ge-
halten: durch dieſe traͤgt mancher den rothen, weißen,
blauen oder gruͤnen Rock. Mags wohl große Ehre ſeyn,
durch Kunſtgriffe, welche jederman verabſcheut, z. B.
vermittelſt niedertraͤchtiger Huren, Beſoffenheit, Be-
truͤgerei u. ſ. w. junge Leute wo nicht zu verfuͤhren
doch zu betruͤgen!
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[239/0253] tanzte, und bei den anweſenden Maͤdchen u) herum- ſchaͤkerte. Das Ding mag bis nach Mitternacht ge- dauert haben: denn bis halb zwoͤlf Uhr hatte ich meine Beſinnungskraft: was aber hernach mit mir vorgegangen iſt, weis ich nicht. Den andern Morgen erwachte ich erſt um 10 Uhr, und hatte ſchrecklichen Durſt. Ich lag noch voͤllig gekleidet im Bette, außer, daß man mir den Ueberrock ausgezogen hatte. Doch war ich ordent- lich zugedeckt, und hatte ein Tuch um den Kopf. Meine Uhr, Stock und Huth lagen auf dem Tiſch, wie auch der Siegwart, den ich in Gießen zum Zeitvertreib zu mir geſteckt hatte: Er war damals die Modelektuͤre. Das Zimmerchen, worin ich lag, war ſehr klein, doch reinlich. Ich wußte nicht, wo ich mich befand, ging alſo nach der Thuͤr: aber wie erſchrack ich, als dieſe verſchloſſen war! Ich pochte ſtark an: endlich erſchien ein Unterofficier mit einem Maͤdchen, welches Koffe herauftrug. „Guten Mor- gen Herr Bruder, ſagte er, wie haſt du geſchlafen? u) Gewoͤhnlich werden in den Werbhaͤuſern Maͤdchen ge- halten: durch dieſe traͤgt mancher den rothen, weißen, blauen oder gruͤnen Rock. Mags wohl große Ehre ſeyn, durch Kunſtgriffe, welche jederman verabſcheut, z. B. vermittelſt niedertraͤchtiger Huren, Beſoffenheit, Be- truͤgerei u. ſ. w. junge Leute wo nicht zu verfuͤhren doch zu betruͤgen!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/253>, abgerufen am 24.11.2024.