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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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lange, bis er ihn auf Butzbach versetzte. Lobstein
arbeitete zwar aus allen Kräften dagegen, und sup-
plicirte; aber es half einmal nichts: er muste gegen
den Herbst abziehen.

Gießen hat freilich an diesem Manne nichts,
gar nichts verlohren: denn er hatte wirklich keinen
Beifall, und stiftete wenig Nutzen: aber doch hätte
der Kanzler und der Prorektor nicht so heimlich zu
Werke gehen, und die Lobsteinische Sache vielmehr
der ganzen Universität und dem Kuratorium überlas-
sen sollen. Lobstein ist vor einiger Zeit Professor in
Strasburg geworden l). Bei aller seiner Pietiste-
rei und übertriebenen Orthodoxie hatte er doch das
Glück, das schönste Mädchen in Gießen, die Toch-
ter des Professors Diez, zur Frau zu bekommen.
Man wird gemeiniglich finden, daß die Pietisten das
hübsche Frauenzimmer sehr gern haben. Das ge-
hört so zum beschaulichen Leben! Liebte doch der
Schwärmer und Polemiker Sankt Hieronymus
auch hübsche Gesichter! --

Ich komme wieder auf mich. Seit dem Herbst
1776 bis in den Sommer 1777 habe ich sehr fleißig
studirt, und nicht nur meine Wissenschaften, beson-

l) Die jetzigen Lutherischen Professoren in Strasburg
müssen doch gar hübsch neben den beiden Katholischen,
Schneider und Dorsch, paradiren!

lange, bis er ihn auf Butzbach verſetzte. Lobſtein
arbeitete zwar aus allen Kraͤften dagegen, und ſup-
plicirte; aber es half einmal nichts: er muſte gegen
den Herbſt abziehen.

Gießen hat freilich an dieſem Manne nichts,
gar nichts verlohren: denn er hatte wirklich keinen
Beifall, und ſtiftete wenig Nutzen: aber doch haͤtte
der Kanzler und der Prorektor nicht ſo heimlich zu
Werke gehen, und die Lobſteiniſche Sache vielmehr
der ganzen Univerſitaͤt und dem Kuratorium uͤberlaſ-
ſen ſollen. Lobſtein iſt vor einiger Zeit Profeſſor in
Strasburg geworden l). Bei aller ſeiner Pietiſte-
rei und uͤbertriebenen Orthodoxie hatte er doch das
Gluͤck, das ſchoͤnſte Maͤdchen in Gießen, die Toch-
ter des Profeſſors Diez, zur Frau zu bekommen.
Man wird gemeiniglich finden, daß die Pietiſten das
huͤbſche Frauenzimmer ſehr gern haben. Das ge-
hoͤrt ſo zum beſchaulichen Leben! Liebte doch der
Schwaͤrmer und Polemiker Sankt Hieronymus
auch huͤbſche Geſichter! —

Ich komme wieder auf mich. Seit dem Herbſt
1776 bis in den Sommer 1777 habe ich ſehr fleißig
ſtudirt, und nicht nur meine Wiſſenſchaften, beſon-

l) Die jetzigen Lutheriſchen Profeſſoren in Strasburg
muͤſſen doch gar huͤbſch neben den beiden Katholiſchen,
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[207/0221] lange, bis er ihn auf Butzbach verſetzte. Lobſtein arbeitete zwar aus allen Kraͤften dagegen, und ſup- plicirte; aber es half einmal nichts: er muſte gegen den Herbſt abziehen. Gießen hat freilich an dieſem Manne nichts, gar nichts verlohren: denn er hatte wirklich keinen Beifall, und ſtiftete wenig Nutzen: aber doch haͤtte der Kanzler und der Prorektor nicht ſo heimlich zu Werke gehen, und die Lobſteiniſche Sache vielmehr der ganzen Univerſitaͤt und dem Kuratorium uͤberlaſ- ſen ſollen. Lobſtein iſt vor einiger Zeit Profeſſor in Strasburg geworden l). Bei aller ſeiner Pietiſte- rei und uͤbertriebenen Orthodoxie hatte er doch das Gluͤck, das ſchoͤnſte Maͤdchen in Gießen, die Toch- ter des Profeſſors Diez, zur Frau zu bekommen. Man wird gemeiniglich finden, daß die Pietiſten das huͤbſche Frauenzimmer ſehr gern haben. Das ge- hoͤrt ſo zum beſchaulichen Leben! Liebte doch der Schwaͤrmer und Polemiker Sankt Hieronymus auch huͤbſche Geſichter! — Ich komme wieder auf mich. Seit dem Herbſt 1776 bis in den Sommer 1777 habe ich ſehr fleißig ſtudirt, und nicht nur meine Wiſſenſchaften, beſon- l) Die jetzigen Lutheriſchen Profeſſoren in Strasburg muͤſſen doch gar huͤbſch neben den beiden Katholiſchen, Schneider und Dorſch, paradiren!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/221>, abgerufen am 03.05.2024.