schaums aller Spitzbuben, des verstorbenen Raths Stutz in Flonheim. Eschenbach, welcher arm war, und keinen Unterhalt wußte, war froh, daß ihn mein Vater zu seinem Kalefaktor, oder wie sie es nannten, Kollaboranten und Symphilosophen aufnahm. Er half nicht nur treulich laboriren, sondern schafte noch alle alte vermoderte Bücher herbei, welche die Kunst, Gold zu machen, lehren sollten. Hätte mein ehrlicher Vater statt der Wolffischen Metaphysik die physischen Werke dieses Philosophen studirt; so würde viel Geld erspahrt und manches Nachgerede unterblieben seyn. Er hat einige Jahre vor seinem Tode aufgehört zu laboriren: aber noch 1787, als ich ihn zum lezten- mal besuchte, behauptete er, daß die Goldkocherei allerdings eine ausführbare Kunst sey. "Es ist nur Schade, fügte er hinzu, daß man so viel Lehr- geld geben muß, und doch keinen erfahrnen Lehrmei- meister haben kann."
Meine Mutter, welche noch lebt, ist eine ganz brave Frau, und so habe ich sie immer gekannt. Sie ist eine Enkelin des ehemals berühmten Rechtsgelehr- ten Johann Schilter von Strasburg. Mein Vater hatte sie aus Liebe geheurathet, und sie schien immer eingedenk zu seyn, daß sie ihm nichts zuge- bracht hatte. Sonst hat sie, wie alle Weiber, ihre kleinen und großen Mängel, die ich eben hier nicht angeben mag!
ſchaums aller Spitzbuben, des verſtorbenen Raths Stutz in Flonheim. Eſchenbach, welcher arm war, und keinen Unterhalt wußte, war froh, daß ihn mein Vater zu ſeinem Kalefaktor, oder wie ſie es nannten, Kollaboranten und Symphiloſophen aufnahm. Er half nicht nur treulich laboriren, ſondern ſchafte noch alle alte vermoderte Buͤcher herbei, welche die Kunſt, Gold zu machen, lehren ſollten. Haͤtte mein ehrlicher Vater ſtatt der Wolffiſchen Metaphyſik die phyſiſchen Werke dieſes Philoſophen ſtudirt; ſo wuͤrde viel Geld erſpahrt und manches Nachgerede unterblieben ſeyn. Er hat einige Jahre vor ſeinem Tode aufgehoͤrt zu laboriren: aber noch 1787, als ich ihn zum lezten- mal beſuchte, behauptete er, daß die Goldkocherei allerdings eine ausfuͤhrbare Kunſt ſey. „Es iſt nur Schade, fuͤgte er hinzu, daß man ſo viel Lehr- geld geben muß, und doch keinen erfahrnen Lehrmei- meiſter haben kann.“
Meine Mutter, welche noch lebt, iſt eine ganz brave Frau, und ſo habe ich ſie immer gekannt. Sie iſt eine Enkelin des ehemals beruͤhmten Rechtsgelehr- ten Johann Schilter von Strasburg. Mein Vater hatte ſie aus Liebe geheurathet, und ſie ſchien immer eingedenk zu ſeyn, daß ſie ihm nichts zuge- bracht hatte. Sonſt hat ſie, wie alle Weiber, ihre kleinen und großen Maͤngel, die ich eben hier nicht angeben mag!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0022"n="8"/>ſchaums aller Spitzbuben, des verſtorbenen Raths<lb/><hirendition="#g">Stutz</hi> in Flonheim. Eſchenbach, welcher arm war,<lb/>
und keinen Unterhalt wußte, war froh, daß ihn mein<lb/>
Vater zu ſeinem Kalefaktor, oder wie ſie es nannten,<lb/>
Kollaboranten und Symphiloſophen aufnahm. Er<lb/>
half nicht nur treulich laboriren, ſondern ſchafte noch<lb/>
alle alte vermoderte Buͤcher herbei, welche die Kunſt,<lb/>
Gold zu machen, lehren ſollten. Haͤtte mein ehrlicher<lb/>
Vater ſtatt der Wolffiſchen Metaphyſik die phyſiſchen<lb/>
Werke dieſes Philoſophen ſtudirt; ſo wuͤrde viel Geld<lb/>
erſpahrt und manches Nachgerede unterblieben ſeyn.<lb/>
Er hat einige Jahre vor ſeinem Tode aufgehoͤrt zu<lb/>
laboriren: aber noch 1787, als ich ihn zum lezten-<lb/>
mal beſuchte, behauptete er, daß die Goldkocherei<lb/>
allerdings eine ausfuͤhrbare Kunſt ſey. „Es iſt<lb/>
nur Schade, fuͤgte er hinzu, daß man ſo viel Lehr-<lb/>
geld geben muß, und doch keinen erfahrnen Lehrmei-<lb/>
meiſter haben kann.“</p><lb/><p>Meine Mutter, welche noch lebt, iſt eine ganz<lb/>
brave Frau, und ſo habe ich ſie immer gekannt. Sie<lb/>
iſt eine Enkelin des ehemals beruͤhmten Rechtsgelehr-<lb/>
ten <hirendition="#g">Johann Schilter von Strasburg</hi>. Mein<lb/>
Vater hatte ſie aus Liebe geheurathet, und ſie ſchien<lb/>
immer eingedenk zu ſeyn, daß ſie ihm nichts zuge-<lb/>
bracht hatte. Sonſt hat ſie, wie alle Weiber, ihre<lb/>
kleinen und großen Maͤngel, die ich eben hier nicht<lb/>
angeben mag!</p></div><lb/></body></text></TEI>
[8/0022]
ſchaums aller Spitzbuben, des verſtorbenen Raths
Stutz in Flonheim. Eſchenbach, welcher arm war,
und keinen Unterhalt wußte, war froh, daß ihn mein
Vater zu ſeinem Kalefaktor, oder wie ſie es nannten,
Kollaboranten und Symphiloſophen aufnahm. Er
half nicht nur treulich laboriren, ſondern ſchafte noch
alle alte vermoderte Buͤcher herbei, welche die Kunſt,
Gold zu machen, lehren ſollten. Haͤtte mein ehrlicher
Vater ſtatt der Wolffiſchen Metaphyſik die phyſiſchen
Werke dieſes Philoſophen ſtudirt; ſo wuͤrde viel Geld
erſpahrt und manches Nachgerede unterblieben ſeyn.
Er hat einige Jahre vor ſeinem Tode aufgehoͤrt zu
laboriren: aber noch 1787, als ich ihn zum lezten-
mal beſuchte, behauptete er, daß die Goldkocherei
allerdings eine ausfuͤhrbare Kunſt ſey. „Es iſt
nur Schade, fuͤgte er hinzu, daß man ſo viel Lehr-
geld geben muß, und doch keinen erfahrnen Lehrmei-
meiſter haben kann.“
Meine Mutter, welche noch lebt, iſt eine ganz
brave Frau, und ſo habe ich ſie immer gekannt. Sie
iſt eine Enkelin des ehemals beruͤhmten Rechtsgelehr-
ten Johann Schilter von Strasburg. Mein
Vater hatte ſie aus Liebe geheurathet, und ſie ſchien
immer eingedenk zu ſeyn, daß ſie ihm nichts zuge-
bracht hatte. Sonſt hat ſie, wie alle Weiber, ihre
kleinen und großen Maͤngel, die ich eben hier nicht
angeben mag!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/22>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.