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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Unempfindlichkeit gegen herabwürdigende Behan-
dlungen, oder zu allerhand Tücken, Schleichwegen,
und Niederträchtigkeiten verwöhnt, und deren Ehr-
gefühl eben darum größtentheils abgestumpft oder
gar erstickt ist. Geht es ihnen hernach auf der Uni-
versität nicht besser: wie werden sie den Ekelnamen
und der damit verknüpften Verachtung entgehen
können? -- Das eine erzeugt das andere! Und
doch sind diese beinahe durchgängig diejenigen, denen
man die Erziehung und Bildung der künftigen Ge-
nerationen in Kirchen, Schulen und anderwärts an-
vertraut! Aber unsere Zeiten sind finanziös, und das
Wohlfeilste hält man fürs Beste! --

Außer der Mosellaner Landmannschaft spielten
die Liefländer und Meklenburger eine ansehnliche Rol-
le. Die Landeskinder waren wie überall, wo sehr
viel Fremde sind, und das Land klein ist, am wenig-
sten geachtet. Die Nähe oder die Aufsicht der El-
tern hält sie etwas knapp: sie können also nicht so
recht mitmachen, und dadurch sinkt ihr Ansehn.
Auch wirkt hier das Vorurtheil, nach welchem man
von extensiver Größe auf intensive schließt -- von
Menge auf Werth. --

Es hat auch jemand, als ich in Jena war, für
den medicinischen Doktor disputirt; aber so elend,
wie ichs schon oft gesehn und gehört habe. Kochs
Hannchen -- denn so hieß sie -- hab ich damals

Unempfindlichkeit gegen herabwuͤrdigende Behan-
dlungen, oder zu allerhand Tuͤcken, Schleichwegen,
und Niedertraͤchtigkeiten verwoͤhnt, und deren Ehr-
gefuͤhl eben darum groͤßtentheils abgeſtumpft oder
gar erſtickt iſt. Geht es ihnen hernach auf der Uni-
verſitaͤt nicht beſſer: wie werden ſie den Ekelnamen
und der damit verknuͤpften Verachtung entgehen
koͤnnen? — Das eine erzeugt das andere! Und
doch ſind dieſe beinahe durchgaͤngig diejenigen, denen
man die Erziehung und Bildung der kuͤnftigen Ge-
nerationen in Kirchen, Schulen und anderwaͤrts an-
vertraut! Aber unſere Zeiten ſind finanzioͤs, und das
Wohlfeilſte haͤlt man fuͤrs Beſte! —

Außer der Moſellaner Landmannſchaft ſpielten
die Lieflaͤnder und Meklenburger eine anſehnliche Rol-
le. Die Landeskinder waren wie uͤberall, wo ſehr
viel Fremde ſind, und das Land klein iſt, am wenig-
ſten geachtet. Die Naͤhe oder die Aufſicht der El-
tern haͤlt ſie etwas knapp: ſie koͤnnen alſo nicht ſo
recht mitmachen, und dadurch ſinkt ihr Anſehn.
Auch wirkt hier das Vorurtheil, nach welchem man
von extenſiver Groͤße auf intenſive ſchließt — von
Menge auf Werth. —

Es hat auch jemand, als ich in Jena war, fuͤr
den mediciniſchen Doktor diſputirt; aber ſo elend,
wie ichs ſchon oft geſehn und gehoͤrt habe. Kochs
Hannchen — denn ſo hieß ſie — hab ich damals

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[198/0212] Unempfindlichkeit gegen herabwuͤrdigende Behan- dlungen, oder zu allerhand Tuͤcken, Schleichwegen, und Niedertraͤchtigkeiten verwoͤhnt, und deren Ehr- gefuͤhl eben darum groͤßtentheils abgeſtumpft oder gar erſtickt iſt. Geht es ihnen hernach auf der Uni- verſitaͤt nicht beſſer: wie werden ſie den Ekelnamen und der damit verknuͤpften Verachtung entgehen koͤnnen? — Das eine erzeugt das andere! Und doch ſind dieſe beinahe durchgaͤngig diejenigen, denen man die Erziehung und Bildung der kuͤnftigen Ge- nerationen in Kirchen, Schulen und anderwaͤrts an- vertraut! Aber unſere Zeiten ſind finanzioͤs, und das Wohlfeilſte haͤlt man fuͤrs Beſte! — Außer der Moſellaner Landmannſchaft ſpielten die Lieflaͤnder und Meklenburger eine anſehnliche Rol- le. Die Landeskinder waren wie uͤberall, wo ſehr viel Fremde ſind, und das Land klein iſt, am wenig- ſten geachtet. Die Naͤhe oder die Aufſicht der El- tern haͤlt ſie etwas knapp: ſie koͤnnen alſo nicht ſo recht mitmachen, und dadurch ſinkt ihr Anſehn. Auch wirkt hier das Vorurtheil, nach welchem man von extenſiver Groͤße auf intenſive ſchließt — von Menge auf Werth. — Es hat auch jemand, als ich in Jena war, fuͤr den mediciniſchen Doktor diſputirt; aber ſo elend, wie ichs ſchon oft geſehn und gehoͤrt habe. Kochs Hannchen — denn ſo hieß ſie — hab ich damals

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/212>, abgerufen am 24.11.2024.