laner waren zu der Zeit die angesehnsten Bursche, wenigstens die fideelsten, welche das meiste Bier sof- fen, und am wenigsten ins Konvikt gingen. Dieses ist ein herrschaftlicher Freitisch, den aber auch solche benutzen, die den Freitisch nicht haben, und doch einen wohlfeilen Tisch suchen müssen. Es ist sonder- bar, daß der Jenenser die Studenten, welche das Konvikt besuchen, nicht für voll ansieht. Der Stu- dent an allen Orten verachtet zwar keinen wegen sei- ner Armuth; aber so recht leiden er es doch nicht, daß ein Armer, um wohlfeil durch zu kommen, die Mittel benutzt, welche auf den Universitäten für Un- bemittelte dazu da sind. So gilt einer, der in Halle das Waisenhaus, in Jena das Konvikt, in Heidel- berg die Sapienz besucht, schon darum etwas weni- ger. Lieber verzeiht mans, daß einer Schulden ma- che, und die Philister prelle. Ich glaube dies rührt von dem Contrast her, den man nach einem gewis- sen Würdigungsgefühl der Studenten zwischen einer liberalen Jovialität und der Scheinheiligkeit oder dem sonderbaren abgeschmackten Wesen antrift, dessen sich die Benefiziaten befleißen müssen, um zu dergleichen freilich ohnehin sehr kümmerlichen Anstalten nur Zu- tritt zu haben. Der größte Theil dieser Dürftigen sind armer Prediger, oder Schullehrer Söhne, de- ren gerader, offener Sinn schon durch den Druck der Dürftigkeit zu Hause verstimmt, oft gar zur
laner waren zu der Zeit die angeſehnſten Burſche, wenigſtens die fideelſten, welche das meiſte Bier ſof- fen, und am wenigſten ins Konvikt gingen. Dieſes iſt ein herrſchaftlicher Freitiſch, den aber auch ſolche benutzen, die den Freitiſch nicht haben, und doch einen wohlfeilen Tiſch ſuchen muͤſſen. Es iſt ſonder- bar, daß der Jenenſer die Studenten, welche das Konvikt beſuchen, nicht fuͤr voll anſieht. Der Stu- dent an allen Orten verachtet zwar keinen wegen ſei- ner Armuth; aber ſo recht leiden er es doch nicht, daß ein Armer, um wohlfeil durch zu kommen, die Mittel benutzt, welche auf den Univerſitaͤten fuͤr Un- bemittelte dazu da ſind. So gilt einer, der in Halle das Waiſenhaus, in Jena das Konvikt, in Heidel- berg die Sapienz beſucht, ſchon darum etwas weni- ger. Lieber verzeiht mans, daß einer Schulden ma- che, und die Philiſter prelle. Ich glaube dies ruͤhrt von dem Contraſt her, den man nach einem gewiſ- ſen Wuͤrdigungsgefuͤhl der Studenten zwiſchen einer liberalen Jovialitaͤt und der Scheinheiligkeit oder dem ſonderbaren abgeſchmackten Weſen antrift, deſſen ſich die Benefiziaten befleißen muͤſſen, um zu dergleichen freilich ohnehin ſehr kuͤmmerlichen Anſtalten nur Zu- tritt zu haben. Der groͤßte Theil dieſer Duͤrftigen ſind armer Prediger, oder Schullehrer Soͤhne, de- ren gerader, offener Sinn ſchon durch den Druck der Duͤrftigkeit zu Hauſe verſtimmt, oft gar zur
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laner waren zu der Zeit die angeſehnſten Burſche,
wenigſtens die fideelſten, welche das meiſte Bier ſof-
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iſt ein herrſchaftlicher Freitiſch, den aber auch ſolche
benutzen, die den Freitiſch nicht haben, und doch
einen wohlfeilen Tiſch ſuchen muͤſſen. Es iſt ſonder-
bar, daß der Jenenſer die Studenten, welche das
Konvikt beſuchen, nicht fuͤr voll anſieht. Der Stu-
dent an allen Orten verachtet zwar keinen wegen ſei-
ner Armuth; aber ſo recht leiden er es doch nicht,
daß ein Armer, um wohlfeil durch zu kommen, die
Mittel benutzt, welche auf den Univerſitaͤten fuͤr Un-
bemittelte dazu da ſind. So gilt einer, der in Halle
das Waiſenhaus, in Jena das Konvikt, in Heidel-
berg die Sapienz beſucht, ſchon darum etwas weni-
ger. Lieber verzeiht mans, daß einer Schulden ma-
che, und die Philiſter prelle. Ich glaube dies ruͤhrt
von dem Contraſt her, den man nach einem gewiſ-
ſen Wuͤrdigungsgefuͤhl der Studenten zwiſchen einer
liberalen Jovialitaͤt und der Scheinheiligkeit oder dem
ſonderbaren abgeſchmackten Weſen antrift, deſſen ſich
die Benefiziaten befleißen muͤſſen, um zu dergleichen
freilich ohnehin ſehr kuͤmmerlichen Anſtalten nur Zu-
tritt zu haben. Der groͤßte Theil dieſer Duͤrftigen
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/211>, abgerufen am 24.11.2024.
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