zwar nicht gesehn; wohl aber viel von ihr gehört. Sie fing um diese Zeit schon an, gemeinnützig zu werden.
Noch etwas von Jenischer Policei! Es war den Schenken verboten, nach zehn Uhr in der Stadt Bier und dergleichen herzugeben. Wenn nun die Bursche beisammen saßen, und nach zehn Uhr blei- ben wollten -- und das wollten sie immer, -- so ließ sich ein jeder so viel Bier geben, als er zu trin- ken gedachte, zwei, drei und mehr Stübchen: her- nach konnte ihn doch niemand zwingen, eher wegzu- gehen, als bis er sein Bier ausgeleert hatte! Und so saß er dann bis nach Mitternacht. Fürs hinein- kommen in sein Quartier durfte er nicht sorgen: die Häuser standen meistens die ganze Nacht über auf. Die Aufwärterinnen sind eben darum in Jena mehr geplackt, als auf irgend einer Universität. In Göt- tingen sind sie es am wenigsten. -- Ein Maaßstab der Cultur im Kleinen!
Nachdem ich ohngefähr drei Wochen in Jena zugebracht hatte, trat ich meinen Rückweg an. Zu Weimar sprach ich den Hofrath Wieland, oder vielmehr, ich sah ihn nur: denn kaum hatte ich und ein Liefländer Platz genommen, als ein Fremder sich anmelden ließ, welcher allein den Diskurs fortführte. Ich habe seinen Namen vergessen: es war aber einer von denen, die von sich so sehr eingenommen sind,
zwar nicht geſehn; wohl aber viel von ihr gehoͤrt. Sie fing um dieſe Zeit ſchon an, gemeinnuͤtzig zu werden.
Noch etwas von Jeniſcher Policei! Es war den Schenken verboten, nach zehn Uhr in der Stadt Bier und dergleichen herzugeben. Wenn nun die Burſche beiſammen ſaßen, und nach zehn Uhr blei- ben wollten — und das wollten ſie immer, — ſo ließ ſich ein jeder ſo viel Bier geben, als er zu trin- ken gedachte, zwei, drei und mehr Stuͤbchen: her- nach konnte ihn doch niemand zwingen, eher wegzu- gehen, als bis er ſein Bier ausgeleert hatte! Und ſo ſaß er dann bis nach Mitternacht. Fuͤrs hinein- kommen in ſein Quartier durfte er nicht ſorgen: die Haͤuſer ſtanden meiſtens die ganze Nacht uͤber auf. Die Aufwaͤrterinnen ſind eben darum in Jena mehr geplackt, als auf irgend einer Univerſitaͤt. In Goͤt- tingen ſind ſie es am wenigſten. — Ein Maaßſtab der Cultur im Kleinen!
Nachdem ich ohngefaͤhr drei Wochen in Jena zugebracht hatte, trat ich meinen Ruͤckweg an. Zu Weimar ſprach ich den Hofrath Wieland, oder vielmehr, ich ſah ihn nur: denn kaum hatte ich und ein Lieflaͤnder Platz genommen, als ein Fremder ſich anmelden ließ, welcher allein den Diskurs fortfuͤhrte. Ich habe ſeinen Namen vergeſſen: es war aber einer von denen, die von ſich ſo ſehr eingenommen ſind,
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zwar nicht geſehn; wohl aber viel von ihr gehoͤrt.
Sie fing um dieſe Zeit ſchon an, gemeinnuͤtzig zu
werden.
Noch etwas von Jeniſcher Policei! Es war
den Schenken verboten, nach zehn Uhr in der Stadt
Bier und dergleichen herzugeben. Wenn nun die
Burſche beiſammen ſaßen, und nach zehn Uhr blei-
ben wollten — und das wollten ſie immer, — ſo
ließ ſich ein jeder ſo viel Bier geben, als er zu trin-
ken gedachte, zwei, drei und mehr Stuͤbchen: her-
nach konnte ihn doch niemand zwingen, eher wegzu-
gehen, als bis er ſein Bier ausgeleert hatte! Und
ſo ſaß er dann bis nach Mitternacht. Fuͤrs hinein-
kommen in ſein Quartier durfte er nicht ſorgen: die
Haͤuſer ſtanden meiſtens die ganze Nacht uͤber auf.
Die Aufwaͤrterinnen ſind eben darum in Jena mehr
geplackt, als auf irgend einer Univerſitaͤt. In Goͤt-
tingen ſind ſie es am wenigſten. — Ein Maaßſtab
der Cultur im Kleinen!
Nachdem ich ohngefaͤhr drei Wochen in Jena
zugebracht hatte, trat ich meinen Ruͤckweg an. Zu
Weimar ſprach ich den Hofrath Wieland, oder
vielmehr, ich ſah ihn nur: denn kaum hatte ich und
ein Lieflaͤnder Platz genommen, als ein Fremder ſich
anmelden ließ, welcher allein den Diskurs fortfuͤhrte.
Ich habe ſeinen Namen vergeſſen: es war aber einer
von denen, die von ſich ſo ſehr eingenommen ſind,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/213>, abgerufen am 21.11.2024.
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