ein Student die Ehe durch einen schriftlichen Auf- satz versprochen hatte. Seine Kameraden mochten seine Reue darüber wissen, und um ihn zu be- ruhigen, stürmten sie nach seinem Abzuge das Haus der Dirne, und zwangen sie, den Aufsatz heraus zu geben. So war also das Mädel geprellt! --
Wenn ich dächte, daß es etwas fruchten wür- de, so erzählte ich in einem eignen Kapitel einige auf- fallende Beispiele von Mädchen, auch sonst nach ih- rer Art recht guten Mädchen, die von leichtsinnigen Studenten auf den Universitäten durch Eheverspre- chungen an der Nase herumgeführt, hernach vom Pöbel beklatschet und endlich unglücklich geworden sind. Ich habe in der langen Zeit, die ich unter Studenten verlebt habe, eine solche Menge von der- gleichen Beispielen erfahren, daß ich wohl eine ganze Chronik damit füllen könnte. Aber was würde eine Nachricht der Art nutzen? Mannsüchtige Mädchen werden sich so lange anführen lassen, als es noch neugierige Verführer und wollustgierige Wüstlinge geben wird: und an diesen fehlt es niemals.
Den Orden der Amicisten fand ich auch in Je- na im besten Flor: er behauptete damals den Vor- zug auf der ganzen Universität, und bestand vorzüg- lich aus Mosellanern. Die Ordensbrüder hielten sich aber jetzt stille, weil kurz vor meiner Ankunft eine Untersuchung wider sie ergangen war. Die Mosel-
ein Student die Ehe durch einen ſchriftlichen Auf- ſatz verſprochen hatte. Seine Kameraden mochten ſeine Reue daruͤber wiſſen, und um ihn zu be- ruhigen, ſtuͤrmten ſie nach ſeinem Abzuge das Haus der Dirne, und zwangen ſie, den Aufſatz heraus zu geben. So war alſo das Maͤdel geprellt! —
Wenn ich daͤchte, daß es etwas fruchten wuͤr- de, ſo erzaͤhlte ich in einem eignen Kapitel einige auf- fallende Beiſpiele von Maͤdchen, auch ſonſt nach ih- rer Art recht guten Maͤdchen, die von leichtſinnigen Studenten auf den Univerſitaͤten durch Eheverſpre- chungen an der Naſe herumgefuͤhrt, hernach vom Poͤbel beklatſchet und endlich ungluͤcklich geworden ſind. Ich habe in der langen Zeit, die ich unter Studenten verlebt habe, eine ſolche Menge von der- gleichen Beiſpielen erfahren, daß ich wohl eine ganze Chronik damit fuͤllen koͤnnte. Aber was wuͤrde eine Nachricht der Art nutzen? Mannſuͤchtige Maͤdchen werden ſich ſo lange anfuͤhren laſſen, als es noch neugierige Verfuͤhrer und wolluſtgierige Wuͤſtlinge geben wird: und an dieſen fehlt es niemals.
Den Orden der Amiciſten fand ich auch in Je- na im beſten Flor: er behauptete damals den Vor- zug auf der ganzen Univerſitaͤt, und beſtand vorzuͤg- lich aus Moſellanern. Die Ordensbruͤder hielten ſich aber jetzt ſtille, weil kurz vor meiner Ankunft eine Unterſuchung wider ſie ergangen war. Die Moſel-
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ein Student die Ehe durch einen ſchriftlichen Auf-
ſatz verſprochen hatte. Seine Kameraden mochten
ſeine Reue daruͤber wiſſen, und um ihn zu be-
ruhigen, ſtuͤrmten ſie nach ſeinem Abzuge das Haus
der Dirne, und zwangen ſie, den Aufſatz heraus
zu geben. So war alſo das Maͤdel geprellt! —
Wenn ich daͤchte, daß es etwas fruchten wuͤr-
de, ſo erzaͤhlte ich in einem eignen Kapitel einige auf-
fallende Beiſpiele von Maͤdchen, auch ſonſt nach ih-
rer Art recht guten Maͤdchen, die von leichtſinnigen
Studenten auf den Univerſitaͤten durch Eheverſpre-
chungen an der Naſe herumgefuͤhrt, hernach vom
Poͤbel beklatſchet und endlich ungluͤcklich geworden
ſind. Ich habe in der langen Zeit, die ich unter
Studenten verlebt habe, eine ſolche Menge von der-
gleichen Beiſpielen erfahren, daß ich wohl eine ganze
Chronik damit fuͤllen koͤnnte. Aber was wuͤrde eine
Nachricht der Art nutzen? Mannſuͤchtige Maͤdchen
werden ſich ſo lange anfuͤhren laſſen, als es noch
neugierige Verfuͤhrer und wolluſtgierige Wuͤſtlinge
geben wird: und an dieſen fehlt es niemals.
Den Orden der Amiciſten fand ich auch in Je-
na im beſten Flor: er behauptete damals den Vor-
zug auf der ganzen Univerſitaͤt, und beſtand vorzuͤg-
lich aus Moſellanern. Die Ordensbruͤder hielten
ſich aber jetzt ſtille, weil kurz vor meiner Ankunft eine
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/210>, abgerufen am 18.10.2024.
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