Vater nicht: er arbeitete seine Dispositionen und Pre- digten selbst aus, und trug weit mehr Moral als Dogmatik vor. Niemals konnte er sich entschliessen, die Sabellianer, Arianer, Eutychianer, Pelagianer, Apollinaristen, Deisten, und andere alte und neue Ketzer auf der Kanzel zu befehden, nach Art seiner Herren Amtsbrüder: und dieses wollte man eben von Seiten dieser Herren nicht sehr loben. Sogar begieng er den Fehler, daß er die Katholiken und Re- formirten ihr Kirchenwesen ruhig für sich treiben ließ: ein Benehmen, welches ihn bei den dortigen contro- verssüchtigen Herren vollends in Miskredit brachte. Aber er bekümmerte sich um die Herren nichts, und wandelte seinen Pfad getrost für sich fort.
Ausserdem war mein Vater ein unerschütterli- cher Freund jeder bürgerlichen und gesellschaftlichen Tugend. Seine Ehrlichkeit kannte eben so wenig Gränzen, als sein Bestreben, gegen jederman gefäl- lig zu seyn und jedem Nothleidenden zu helfen.
Bei diesem Karakter mußte mein Vater noth- wendig bei jederman beliebt seyn: niemand haßte ihn, als vielleicht die, welchen er dann und wann die Wahrheit sagte, wovon ich unten ein mehreres berichten werde. Von allen andern, welche ihn kann- ten, wurde er geliebt und geschäzt als ein biederer, ehrlicher Mann, auf den man sich in allen Stücken verlassen konnte.
Vater nicht: er arbeitete ſeine Diſpoſitionen und Pre- digten ſelbſt aus, und trug weit mehr Moral als Dogmatik vor. Niemals konnte er ſich entſchlieſſen, die Sabellianer, Arianer, Eutychianer, Pelagianer, Apollinariſten, Deiſten, und andere alte und neue Ketzer auf der Kanzel zu befehden, nach Art ſeiner Herren Amtsbruͤder: und dieſes wollte man eben von Seiten dieſer Herren nicht ſehr loben. Sogar begieng er den Fehler, daß er die Katholiken und Re- formirten ihr Kirchenweſen ruhig fuͤr ſich treiben ließ: ein Benehmen, welches ihn bei den dortigen contro- versſuͤchtigen Herren vollends in Miskredit brachte. Aber er bekuͤmmerte ſich um die Herren nichts, und wandelte ſeinen Pfad getroſt fuͤr ſich fort.
Auſſerdem war mein Vater ein unerſchuͤtterli- cher Freund jeder buͤrgerlichen und geſellſchaftlichen Tugend. Seine Ehrlichkeit kannte eben ſo wenig Graͤnzen, als ſein Beſtreben, gegen jederman gefaͤl- lig zu ſeyn und jedem Nothleidenden zu helfen.
Bei dieſem Karakter mußte mein Vater noth- wendig bei jederman beliebt ſeyn: niemand haßte ihn, als vielleicht die, welchen er dann und wann die Wahrheit ſagte, wovon ich unten ein mehreres berichten werde. Von allen andern, welche ihn kann- ten, wurde er geliebt und geſchaͤzt als ein biederer, ehrlicher Mann, auf den man ſich in allen Stuͤcken verlaſſen konnte.
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Vater nicht: er arbeitete ſeine Diſpoſitionen und Pre-
digten ſelbſt aus, und trug weit mehr Moral als
Dogmatik vor. Niemals konnte er ſich entſchlieſſen,
die Sabellianer, Arianer, Eutychianer, Pelagianer,
Apollinariſten, Deiſten, und andere alte und neue
Ketzer auf der Kanzel zu befehden, nach Art ſeiner
Herren Amtsbruͤder: und dieſes wollte man eben
von Seiten dieſer Herren nicht ſehr loben. Sogar
begieng er den Fehler, daß er die Katholiken und Re-
formirten ihr Kirchenweſen ruhig fuͤr ſich treiben ließ:
ein Benehmen, welches ihn bei den dortigen contro-
versſuͤchtigen Herren vollends in Miskredit brachte.
Aber er bekuͤmmerte ſich um die Herren nichts, und
wandelte ſeinen Pfad getroſt fuͤr ſich fort.
Auſſerdem war mein Vater ein unerſchuͤtterli-
cher Freund jeder buͤrgerlichen und geſellſchaftlichen
Tugend. Seine Ehrlichkeit kannte eben ſo wenig
Graͤnzen, als ſein Beſtreben, gegen jederman gefaͤl-
lig zu ſeyn und jedem Nothleidenden zu helfen.
Bei dieſem Karakter mußte mein Vater noth-
wendig bei jederman beliebt ſeyn: niemand haßte
ihn, als vielleicht die, welchen er dann und wann
die Wahrheit ſagte, wovon ich unten ein mehreres
berichten werde. Von allen andern, welche ihn kann-
ten, wurde er geliebt und geſchaͤzt als ein biederer,
ehrlicher Mann, auf den man ſich in allen Stuͤcken
verlaſſen konnte.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/19>, abgerufen am 18.12.2024.
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