ich einmal eine Handschrift heraus, die er unter dem Titel: Geschichte meiner Zweifel und Ueberzeugungen, hinterlassen hat: da wird man recht würdige Gedanken über diesen Punkt finden!
Mein Vater hatte in den Sprachen und Wis- senschaften viel geleistet. Er verstand recht gut Latein, und war in den morgenländischen Sprachen, wie auch in der griechischen, gar nicht unerfahren. Ich erinne- re mich noch lebhaft, wie er den Propheten Ma- lachias mit mir las, und in Herrn D. Bahrdts Kommentar über diesen Propheten, die Schnitzer rügte, welche dieser artige Meister in der orienta- lischen Litteratur da wider die gemeinsten Regeln der hebräischen und arabischen Grammatik gemacht hat, oder wenn er Herrn D. Bahrdts lateinische Barba- rismen und Solöcismen herzlich lachend durchging.
Die Predigten meines Vaters waren nicht aus- geschrieben; und das heißt in der Pfalz viel, sehr viel! Denn da reiten die Herren, was das Zeug hält, die alten Postillen zusammen: ja, das ist schon ein rechter Mann, welcher aus Martin Jockisch sel. expe- ditem Prediger, aus Pastor Gözens Dispositionen, aus Dunkels Skiagraphie oder aus einem andern Tröster von der Art, eine Predigt zu fabriciren im Stande ist. Den meisten Herren muß alles von Wort zu Wort vor der Nase stehen; sonst verlieren sie gleich den Zusammenhang. So war aber mein
ich einmal eine Handſchrift heraus, die er unter dem Titel: Geſchichte meiner Zweifel und Ueberzeugungen, hinterlaſſen hat: da wird man recht wuͤrdige Gedanken uͤber dieſen Punkt finden!
Mein Vater hatte in den Sprachen und Wiſ- ſenſchaften viel geleiſtet. Er verſtand recht gut Latein, und war in den morgenlaͤndiſchen Sprachen, wie auch in der griechiſchen, gar nicht unerfahren. Ich erinne- re mich noch lebhaft, wie er den Propheten Ma- lachias mit mir las, und in Herrn D. Bahrdts Kommentar uͤber dieſen Propheten, die Schnitzer ruͤgte, welche dieſer artige Meiſter in der orienta- liſchen Litteratur da wider die gemeinſten Regeln der hebraͤiſchen und arabiſchen Grammatik gemacht hat, oder wenn er Herrn D. Bahrdts lateiniſche Barba- rismen und Soloͤcismen herzlich lachend durchging.
Die Predigten meines Vaters waren nicht aus- geſchrieben; und das heißt in der Pfalz viel, ſehr viel! Denn da reiten die Herren, was das Zeug haͤlt, die alten Poſtillen zuſammen: ja, das iſt ſchon ein rechter Mann, welcher aus Martin Jockiſch ſel. expe- ditem Prediger, aus Paſtor Goͤzens Diſpoſitionen, aus Dunkels Skiagraphie oder aus einem andern Troͤſter von der Art, eine Predigt zu fabriciren im Stande iſt. Den meiſten Herren muß alles von Wort zu Wort vor der Naſe ſtehen; ſonſt verlieren ſie gleich den Zuſammenhang. So war aber mein
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ich einmal eine Handſchrift heraus, die er unter dem
Titel: Geſchichte meiner Zweifel und
Ueberzeugungen, hinterlaſſen hat: da wird man
recht wuͤrdige Gedanken uͤber dieſen Punkt finden!
Mein Vater hatte in den Sprachen und Wiſ-
ſenſchaften viel geleiſtet. Er verſtand recht gut Latein,
und war in den morgenlaͤndiſchen Sprachen, wie auch
in der griechiſchen, gar nicht unerfahren. Ich erinne-
re mich noch lebhaft, wie er den Propheten Ma-
lachias mit mir las, und in Herrn D. Bahrdts
Kommentar uͤber dieſen Propheten, die Schnitzer
ruͤgte, welche dieſer artige Meiſter in der orienta-
liſchen Litteratur da wider die gemeinſten Regeln der
hebraͤiſchen und arabiſchen Grammatik gemacht hat,
oder wenn er Herrn D. Bahrdts lateiniſche Barba-
rismen und Soloͤcismen herzlich lachend durchging.
Die Predigten meines Vaters waren nicht aus-
geſchrieben; und das heißt in der Pfalz viel, ſehr viel!
Denn da reiten die Herren, was das Zeug haͤlt, die
alten Poſtillen zuſammen: ja, das iſt ſchon ein rechter
Mann, welcher aus Martin Jockiſch ſel. expe-
ditem Prediger, aus Paſtor Goͤzens Diſpoſitionen,
aus Dunkels Skiagraphie oder aus einem andern
Troͤſter von der Art, eine Predigt zu fabriciren im
Stande iſt. Den meiſten Herren muß alles von
Wort zu Wort vor der Naſe ſtehen; ſonſt verlieren
ſie gleich den Zuſammenhang. So war aber mein
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/18>, abgerufen am 18.12.2024.
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