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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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ich, daß die Ubiquität so wenig Lehre unsrer Kirche
ist, als das absolutum decretum eine wesentliche Lehre
der Reformirten.

Er: Ei, sieh doch: absolutum decretum!
Ih nun, wie mans nimmt! Aergert Sie das Wort
absolutum decretum; das kann man aufgeben:
aber die Sache ist doch certa sub limitatione rich-
tig, und ein wesentlicher Artikel des Glaubens.

Nun folgte eine fürchterliche Erläuterung des
Artikels von den göttlichen Rathschlüssen, wobei der
alte Doctor so sehr in die Hitze gerieth, daß er seine
Pfeife -- darüber zerbrach. Dieser Zufall machte,
daß er sich wieder erholte. Hernach ging der Lärmen
von neuem los. Einigemal gedachte er des Sankt
Calvins mit großen Lobsprüchen, nannte ihn einen
frommen treuen Arbeiter im Weinberge Jesu u. s. w.
Allein ich war dem Sankt schon seit langer Zeit spinne
feind, weil ich die Hinrichtung des Servetus in Mos-
heims Geschichte schon zu Hause gelesen hatte.
Ich nahm mir daher die Freiheit dem Herrn Doctor
zu erwiedern: Calvin sey ein Mann von sehr hämi-
schen, heimtückischen, erzboshaften Character gewe-
sen, so ungefähr wie der Sankt Dominik oder sein
Ebenbild Meister Hochstraten. Da fing Wyttenbach
Feuer, vertheidigte den Calvin, und behauptete ge-
radezu, daß man gotteslästerliche Ketzer, wie Ser-
vet, der die Trinität einen dreiköpfigen Cerberus ge-

ich, daß die Ubiquitaͤt ſo wenig Lehre unſrer Kirche
iſt, als das abſolutum decretum eine weſentliche Lehre
der Reformirten.

Er: Ei, ſieh doch: abſolutum decretum!
Ih nun, wie mans nimmt! Aergert Sie das Wort
abſolutum decretum; das kann man aufgeben:
aber die Sache iſt doch certa ſub limitatione rich-
tig, und ein weſentlicher Artikel des Glaubens.

Nun folgte eine fuͤrchterliche Erlaͤuterung des
Artikels von den goͤttlichen Rathſchluͤſſen, wobei der
alte Doctor ſo ſehr in die Hitze gerieth, daß er ſeine
Pfeife — daruͤber zerbrach. Dieſer Zufall machte,
daß er ſich wieder erholte. Hernach ging der Laͤrmen
von neuem los. Einigemal gedachte er des Sankt
Calvins mit großen Lobſpruͤchen, nannte ihn einen
frommen treuen Arbeiter im Weinberge Jeſu u. ſ. w.
Allein ich war dem Sankt ſchon ſeit langer Zeit ſpinne
feind, weil ich die Hinrichtung des Servetus in Mos-
heims Geſchichte ſchon zu Hauſe geleſen hatte.
Ich nahm mir daher die Freiheit dem Herrn Doctor
zu erwiedern: Calvin ſey ein Mann von ſehr haͤmi-
ſchen, heimtuͤckiſchen, erzboshaften Character gewe-
ſen, ſo ungefaͤhr wie der Sankt Dominik oder ſein
Ebenbild Meiſter Hochſtraten. Da fing Wyttenbach
Feuer, vertheidigte den Calvin, und behauptete ge-
radezu, daß man gotteslaͤſterliche Ketzer, wie Ser-
vet, der die Trinitaͤt einen dreikoͤpfigen Cerberus ge-

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[171/0185] ich, daß die Ubiquitaͤt ſo wenig Lehre unſrer Kirche iſt, als das abſolutum decretum eine weſentliche Lehre der Reformirten. Er: Ei, ſieh doch: abſolutum decretum! Ih nun, wie mans nimmt! Aergert Sie das Wort abſolutum decretum; das kann man aufgeben: aber die Sache iſt doch certa ſub limitatione rich- tig, und ein weſentlicher Artikel des Glaubens. Nun folgte eine fuͤrchterliche Erlaͤuterung des Artikels von den goͤttlichen Rathſchluͤſſen, wobei der alte Doctor ſo ſehr in die Hitze gerieth, daß er ſeine Pfeife — daruͤber zerbrach. Dieſer Zufall machte, daß er ſich wieder erholte. Hernach ging der Laͤrmen von neuem los. Einigemal gedachte er des Sankt Calvins mit großen Lobſpruͤchen, nannte ihn einen frommen treuen Arbeiter im Weinberge Jeſu u. ſ. w. Allein ich war dem Sankt ſchon ſeit langer Zeit ſpinne feind, weil ich die Hinrichtung des Servetus in Mos- heims Geſchichte ſchon zu Hauſe geleſen hatte. Ich nahm mir daher die Freiheit dem Herrn Doctor zu erwiedern: Calvin ſey ein Mann von ſehr haͤmi- ſchen, heimtuͤckiſchen, erzboshaften Character gewe- ſen, ſo ungefaͤhr wie der Sankt Dominik oder ſein Ebenbild Meiſter Hochſtraten. Da fing Wyttenbach Feuer, vertheidigte den Calvin, und behauptete ge- radezu, daß man gotteslaͤſterliche Ketzer, wie Ser- vet, der die Trinitaͤt einen dreikoͤpfigen Cerberus ge-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/185>, abgerufen am 03.05.2024.