Manheim. Das Pferd schickte ich durch einen Bo- ten nach Alzey, und begab mich bald zu Fuße zurück, um wenigstens zum Mittags-Essen zu Hause zu seyn, und meinem Vater Argwohn zu ersparen. Der gute Alte hat auch nicht gemerkt, daß ich ihn gleich am ersten Tage hintergangen hatte. So leichtsinnig ist man, so lange man noch unstätig ist!
Der Bellermarkt ging ganz in Jubel vorüber, und ich sah mein Mädchen noch einmal daselbst. Aber wenn ich mich nun so untersuchte; so fand ich, daß meine sonst so feurige Liebe, viel von ihrer Stärke verloren hatte. Die lange Abwesenheit hatte sie wahrlich nicht geschwächt: denn noch, als ich mit dem Töpfer Engel redete, war Theresens Bild so in meiner Seele, daß es dieselbe ganz und gar aus- füllte: nur als ich sie in der Weinhütte sah, nahm das Bild an Lebhaftigkeit ab, und wurde jedesmal, so oft ich nachher bei ihr war, schwächer. Ob die kleinlichen Verhältnisse ihres Aufenthalts in der Hüt- te, sie selbst bei mir verkleinert, oder ob die vielen und rauschenden Zerstreuungen meine Empfänglichkeit für sie vermindert hatten, weiß ich nicht: genug, ich fühlte nach acht Tagen Aufenthalt in der Pfalz, keinen allgewaltigen Drang mehr, mein Mädchen zu besuchen, und war in ihrer Abwesenheit sogar auf- geräumt. Eine neue Liebschaft hatte hieran keinen Antheil: denn ich kann schwören, daß damals kein
Manheim. Das Pferd ſchickte ich durch einen Bo- ten nach Alzey, und begab mich bald zu Fuße zuruͤck, um wenigſtens zum Mittags-Eſſen zu Hauſe zu ſeyn, und meinem Vater Argwohn zu erſparen. Der gute Alte hat auch nicht gemerkt, daß ich ihn gleich am erſten Tage hintergangen hatte. So leichtſinnig iſt man, ſo lange man noch unſtaͤtig iſt!
Der Bellermarkt ging ganz in Jubel voruͤber, und ich ſah mein Maͤdchen noch einmal daſelbſt. Aber wenn ich mich nun ſo unterſuchte; ſo fand ich, daß meine ſonſt ſo feurige Liebe, viel von ihrer Staͤrke verloren hatte. Die lange Abweſenheit hatte ſie wahrlich nicht geſchwaͤcht: denn noch, als ich mit dem Toͤpfer Engel redete, war Thereſens Bild ſo in meiner Seele, daß es dieſelbe ganz und gar aus- fuͤllte: nur als ich ſie in der Weinhuͤtte ſah, nahm das Bild an Lebhaftigkeit ab, und wurde jedesmal, ſo oft ich nachher bei ihr war, ſchwaͤcher. Ob die kleinlichen Verhaͤltniſſe ihres Aufenthalts in der Huͤt- te, ſie ſelbſt bei mir verkleinert, oder ob die vielen und rauſchenden Zerſtreuungen meine Empfaͤnglichkeit fuͤr ſie vermindert hatten, weiß ich nicht: genug, ich fuͤhlte nach acht Tagen Aufenthalt in der Pfalz, keinen allgewaltigen Drang mehr, mein Maͤdchen zu beſuchen, und war in ihrer Abweſenheit ſogar auf- geraͤumt. Eine neue Liebſchaft hatte hieran keinen Antheil: denn ich kann ſchwoͤren, daß damals kein
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Manheim. Das Pferd ſchickte ich durch einen Bo-
ten nach Alzey, und begab mich bald zu Fuße zuruͤck,
um wenigſtens zum Mittags-Eſſen zu Hauſe zu ſeyn,
und meinem Vater Argwohn zu erſparen. Der gute
Alte hat auch nicht gemerkt, daß ich ihn gleich am
erſten Tage hintergangen hatte. So leichtſinnig iſt
man, ſo lange man noch unſtaͤtig iſt!
Der Bellermarkt ging ganz in Jubel voruͤber,
und ich ſah mein Maͤdchen noch einmal daſelbſt.
Aber wenn ich mich nun ſo unterſuchte; ſo fand ich,
daß meine ſonſt ſo feurige Liebe, viel von ihrer
Staͤrke verloren hatte. Die lange Abweſenheit hatte
ſie wahrlich nicht geſchwaͤcht: denn noch, als ich mit
dem Toͤpfer Engel redete, war Thereſens Bild ſo
in meiner Seele, daß es dieſelbe ganz und gar aus-
fuͤllte: nur als ich ſie in der Weinhuͤtte ſah, nahm
das Bild an Lebhaftigkeit ab, und wurde jedesmal,
ſo oft ich nachher bei ihr war, ſchwaͤcher. Ob die
kleinlichen Verhaͤltniſſe ihres Aufenthalts in der Huͤt-
te, ſie ſelbſt bei mir verkleinert, oder ob die vielen
und rauſchenden Zerſtreuungen meine Empfaͤnglichkeit
fuͤr ſie vermindert hatten, weiß ich nicht: genug,
ich fuͤhlte nach acht Tagen Aufenthalt in der Pfalz,
keinen allgewaltigen Drang mehr, mein Maͤdchen zu
beſuchen, und war in ihrer Abweſenheit ſogar auf-
geraͤumt. Eine neue Liebſchaft hatte hieran keinen
Antheil: denn ich kann ſchwoͤren, daß damals kein
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/165>, abgerufen am 16.02.2025.
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