Hierauf band ich mein Pferd an den Wagen des ehr- lichen Engels, und ging, mein Mädchen aufzusu- chen. Ich fand sie bald; aber wie roth ward sie über und über, als sie mich erblickte! Ihr Vater schüttelte mir indeß traulich die Hand, und bewill- kommte mich, als wäre ich sein Sohn gewesen. Aber wegen der Herumstehenden konnten wir nichts reden, was zur Sache gehörte. Vielmehr ermahn- te er mich, ihn und seiner Tochter zu verlas- sen, damit uns mein Vater, der wahrscheinlich auch kommen würde, nicht zusammen fände, und hernach von neuem lärmte. Ich fand diesen Grund vernünf- tig, empfahl mich, versprach aber, den folgenden Morgen sie wieder zu besuchen, und ging.
Weit von Bremshütte setzte ich mich in eine andere, worin ich einige geistliche Herren, die ich kannte, sah, und fing an, a la Bursch zu zechen. Kaum hatte ich einen Schoppen Wein geleert, als mein Vater mit einer starken Gesellschaft vorbeiging. Ich lief auf ihn zu, grüßte ihn: und der gute Mann, so unerwartet ihm auch mein Hervortreten war, gab doch sein Vergnügen zu erkennen, daß er mich sah. Ich meldete ihm die Veranlassung zu dieser Reise durch Herrn Böhmer, und er glaubte alles, oder schien es doch zu glauben, was ich ihm sagte. Wir waren recht vergnügt: es war da alles so philanthro- pinisch! keiner nahm dem andern etwas übel.
Hierauf band ich mein Pferd an den Wagen des ehr- lichen Engels, und ging, mein Maͤdchen aufzuſu- chen. Ich fand ſie bald; aber wie roth ward ſie uͤber und uͤber, als ſie mich erblickte! Ihr Vater ſchuͤttelte mir indeß traulich die Hand, und bewill- kommte mich, als waͤre ich ſein Sohn geweſen. Aber wegen der Herumſtehenden konnten wir nichts reden, was zur Sache gehoͤrte. Vielmehr ermahn- te er mich, ihn und ſeiner Tochter zu verlaſ- ſen, damit uns mein Vater, der wahrſcheinlich auch kommen wuͤrde, nicht zuſammen faͤnde, und hernach von neuem laͤrmte. Ich fand dieſen Grund vernuͤnf- tig, empfahl mich, verſprach aber, den folgenden Morgen ſie wieder zu beſuchen, und ging.
Weit von Bremshuͤtte ſetzte ich mich in eine andere, worin ich einige geiſtliche Herren, die ich kannte, ſah, und fing an, à la Burſch zu zechen. Kaum hatte ich einen Schoppen Wein geleert, als mein Vater mit einer ſtarken Geſellſchaft vorbeiging. Ich lief auf ihn zu, gruͤßte ihn: und der gute Mann, ſo unerwartet ihm auch mein Hervortreten war, gab doch ſein Vergnuͤgen zu erkennen, daß er mich ſah. Ich meldete ihm die Veranlaſſung zu dieſer Reiſe durch Herrn Boͤhmer, und er glaubte alles, oder ſchien es doch zu glauben, was ich ihm ſagte. Wir waren recht vergnuͤgt: es war da alles ſo philanthro- piniſch! keiner nahm dem andern etwas uͤbel.
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Hierauf band ich mein Pferd an den Wagen des ehr-
lichen Engels, und ging, mein Maͤdchen aufzuſu-
chen. Ich fand ſie bald; aber wie roth ward ſie
uͤber und uͤber, als ſie mich erblickte! Ihr Vater
ſchuͤttelte mir indeß traulich die Hand, und bewill-
kommte mich, als waͤre ich ſein Sohn geweſen.
Aber wegen der Herumſtehenden konnten wir nichts
reden, was zur Sache gehoͤrte. Vielmehr ermahn-
te er mich, ihn und ſeiner Tochter zu verlaſ-
ſen, damit uns mein Vater, der wahrſcheinlich auch
kommen wuͤrde, nicht zuſammen faͤnde, und hernach
von neuem laͤrmte. Ich fand dieſen Grund vernuͤnf-
tig, empfahl mich, verſprach aber, den folgenden
Morgen ſie wieder zu beſuchen, und ging.
Weit von Bremshuͤtte ſetzte ich mich in eine
andere, worin ich einige geiſtliche Herren, die ich
kannte, ſah, und fing an, à la Burſch zu zechen.
Kaum hatte ich einen Schoppen Wein geleert, als
mein Vater mit einer ſtarken Geſellſchaft vorbeiging.
Ich lief auf ihn zu, gruͤßte ihn: und der gute Mann,
ſo unerwartet ihm auch mein Hervortreten war, gab
doch ſein Vergnuͤgen zu erkennen, daß er mich ſah.
Ich meldete ihm die Veranlaſſung zu dieſer Reiſe
durch Herrn Boͤhmer, und er glaubte alles, oder
ſchien es doch zu glauben, was ich ihm ſagte. Wir
waren recht vergnuͤgt: es war da alles ſo philanthro-
piniſch! keiner nahm dem andern etwas uͤbel.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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