Adeliche, und besonders die adelichen Damen, wis- sen es gar zu gut, daß sie adlich sind, und lassen es jedem, der mit ihnen umgeht, recht empfin- den. Beiher muß man wissen, daß der Adel in Wezlar eben nicht durch die Bank stiftsmäßig ist, daß viel funkelneue darunter sind, auch wohl solche, welche gar nicht von Adel, aber unverschämt genug sind, sich für solche auszugeben. Haben sie einen Ball; so wird er mit folgenden Worten angezeigt: den und den, ist im Hause des und des Herrn öf- fentlicher Ball, woran jeder adeliche Herr und jedes adeliche Frauenzimmer Theil nehmen kann. -- Einige adeliche Damen nehmen es indes- sen nicht übel, wenn ein bürgerlicher, der klingende Münze hat, und sonst robust ist, ihnen die Kur macht, und sich die Mühe nimmt, dem hochwohlge- bornen Eheherrn Hörner aufzusetzen. Beispiele sind verhaßt. --
Die Procession nach dem Grabe des armen Jerusalems wurde im Frühlinge 1776 gehalten. Ein Haufen Wezlarischer und fremder empfindsamer Seelen beiderlei Geschlechts beredeten sich, dem un- glücklichen Opfer des Selbstgefühls und der Liebe eine Feierlichkeit anzustellen, und dem abgefahrnen Geiste gleichsam zu parentiren. Sie versammelten sich an einem zu diesen Vigilien festgesetzten Tage des Abends, lasen die Leiden des jungen Wer-
Adeliche, und beſonders die adelichen Damen, wiſ- ſen es gar zu gut, daß ſie adlich ſind, und laſſen es jedem, der mit ihnen umgeht, recht empfin- den. Beiher muß man wiſſen, daß der Adel in Wezlar eben nicht durch die Bank ſtiftsmaͤßig iſt, daß viel funkelneue darunter ſind, auch wohl ſolche, welche gar nicht von Adel, aber unverſchaͤmt genug ſind, ſich fuͤr ſolche auszugeben. Haben ſie einen Ball; ſo wird er mit folgenden Worten angezeigt: den und den, iſt im Hauſe des und des Herrn oͤf- fentlicher Ball, woran jeder adeliche Herr und jedes adeliche Frauenzimmer Theil nehmen kann. — Einige adeliche Damen nehmen es indeſ- ſen nicht uͤbel, wenn ein buͤrgerlicher, der klingende Muͤnze hat, und ſonſt robuſt iſt, ihnen die Kur macht, und ſich die Muͤhe nimmt, dem hochwohlge- bornen Eheherrn Hoͤrner aufzuſetzen. Beiſpiele ſind verhaßt. —
Die Proceſſion nach dem Grabe des armen Jeruſalems wurde im Fruͤhlinge 1776 gehalten. Ein Haufen Wezlariſcher und fremder empfindſamer Seelen beiderlei Geſchlechts beredeten ſich, dem un- gluͤcklichen Opfer des Selbſtgefuͤhls und der Liebe eine Feierlichkeit anzuſtellen, und dem abgefahrnen Geiſte gleichſam zu parentiren. Sie verſammelten ſich an einem zu dieſen Vigilien feſtgeſetzten Tage des Abends, laſen die Leiden des jungen Wer-
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Adeliche, und beſonders die adelichen Damen, wiſ-
ſen es gar zu gut, daß ſie adlich ſind, und laſſen
es jedem, der mit ihnen umgeht, recht empfin-
den. Beiher muß man wiſſen, daß der Adel in
Wezlar eben nicht durch die Bank ſtiftsmaͤßig iſt,
daß viel funkelneue darunter ſind, auch wohl ſolche,
welche gar nicht von Adel, aber unverſchaͤmt genug
ſind, ſich fuͤr ſolche auszugeben. Haben ſie einen
Ball; ſo wird er mit folgenden Worten angezeigt:
den und den, iſt im Hauſe des und des Herrn oͤf-
fentlicher Ball, woran jeder adeliche Herr und
jedes adeliche Frauenzimmer Theil nehmen
kann. — Einige adeliche Damen nehmen es indeſ-
ſen nicht uͤbel, wenn ein buͤrgerlicher, der klingende
Muͤnze hat, und ſonſt robuſt iſt, ihnen die Kur
macht, und ſich die Muͤhe nimmt, dem hochwohlge-
bornen Eheherrn Hoͤrner aufzuſetzen. Beiſpiele ſind
verhaßt. —
Die Proceſſion nach dem Grabe des armen
Jeruſalems wurde im Fruͤhlinge 1776 gehalten.
Ein Haufen Wezlariſcher und fremder empfindſamer
Seelen beiderlei Geſchlechts beredeten ſich, dem un-
gluͤcklichen Opfer des Selbſtgefuͤhls und der Liebe
eine Feierlichkeit anzuſtellen, und dem abgefahrnen
Geiſte gleichſam zu parentiren. Sie verſammelten
ſich an einem zu dieſen Vigilien feſtgeſetzten Tage des
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/155>, abgerufen am 22.11.2024.
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