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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das
Geschenk, welches das Wezlarische Mensch mir ge-
macht hatte. Ich war gleich anfangs so glücklich,
in die Hände eines geschickten Studenten der Medi-
cin, des jetzigen Herrn Doctor Adrian Diels
von Gladenbach, der sich seither durch einige gute
Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die-
ser ließ mich eine angemessene Diät halten, und ku-
rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde.
Wäre ich unglücklich genug gewesen, einem Gießer
Quacksalber, deren es dort viele giebt, in die Kral-
len zu fallen, vielleicht wäre meine sonst dauerhafte
Gesundheit in ihrer Grundfeste erschüttert und zer-
stöhrt worden.

Ehe ich mein Kapitel von Wezlar schließe, muß
ich noch etwas von dem Ton, welcher daselbst herrscht,
sagen, und dann eine empfindsame Procession zum
Grabe des jungen Werthers erwähnen.

Nirgends in ganz Deutschland, selbst in Lauch-
städt nicht, in Eisenach nicht, und in Merseburg
nicht, ist der Ton in den vornehmen Gesellschaften
steifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieses zwar
nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer
Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Gesell-
schaften daselbst; allein jeder, den ich darüber habe
sprechen hören, -- und ich habe mehrere Sachkun-
dige gehört, -- haben mir das so gesagt. Der

gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das
Geſchenk, welches das Wezlariſche Menſch mir ge-
macht hatte. Ich war gleich anfangs ſo gluͤcklich,
in die Haͤnde eines geſchickten Studenten der Medi-
cin, des jetzigen Herrn Doctor Adrian Diels
von Gladenbach, der ſich ſeither durch einige gute
Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die-
ſer ließ mich eine angemeſſene Diaͤt halten, und ku-
rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde.
Waͤre ich ungluͤcklich genug geweſen, einem Gießer
Quackſalber, deren es dort viele giebt, in die Kral-
len zu fallen, vielleicht waͤre meine ſonſt dauerhafte
Geſundheit in ihrer Grundfeſte erſchuͤttert und zer-
ſtoͤhrt worden.

Ehe ich mein Kapitel von Wezlar ſchließe, muß
ich noch etwas von dem Ton, welcher daſelbſt herrſcht,
ſagen, und dann eine empfindſame Proceſſion zum
Grabe des jungen Werthers erwaͤhnen.

Nirgends in ganz Deutſchland, ſelbſt in Lauch-
ſtaͤdt nicht, in Eiſenach nicht, und in Merſeburg
nicht, iſt der Ton in den vornehmen Geſellſchaften
ſteifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieſes zwar
nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer
Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Geſell-
ſchaften daſelbſt; allein jeder, den ich daruͤber habe
ſprechen hoͤren, — und ich habe mehrere Sachkun-
dige gehoͤrt, — haben mir das ſo geſagt. Der

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[140/0154] gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das Geſchenk, welches das Wezlariſche Menſch mir ge- macht hatte. Ich war gleich anfangs ſo gluͤcklich, in die Haͤnde eines geſchickten Studenten der Medi- cin, des jetzigen Herrn Doctor Adrian Diels von Gladenbach, der ſich ſeither durch einige gute Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die- ſer ließ mich eine angemeſſene Diaͤt halten, und ku- rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde. Waͤre ich ungluͤcklich genug geweſen, einem Gießer Quackſalber, deren es dort viele giebt, in die Kral- len zu fallen, vielleicht waͤre meine ſonſt dauerhafte Geſundheit in ihrer Grundfeſte erſchuͤttert und zer- ſtoͤhrt worden. Ehe ich mein Kapitel von Wezlar ſchließe, muß ich noch etwas von dem Ton, welcher daſelbſt herrſcht, ſagen, und dann eine empfindſame Proceſſion zum Grabe des jungen Werthers erwaͤhnen. Nirgends in ganz Deutſchland, ſelbſt in Lauch- ſtaͤdt nicht, in Eiſenach nicht, und in Merſeburg nicht, iſt der Ton in den vornehmen Geſellſchaften ſteifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieſes zwar nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Geſell- ſchaften daſelbſt; allein jeder, den ich daruͤber habe ſprechen hoͤren, — und ich habe mehrere Sachkun- dige gehoͤrt, — haben mir das ſo geſagt. Der

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/154>, abgerufen am 21.11.2024.