gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das Geschenk, welches das Wezlarische Mensch mir ge- macht hatte. Ich war gleich anfangs so glücklich, in die Hände eines geschickten Studenten der Medi- cin, des jetzigen Herrn Doctor Adrian Diels von Gladenbach, der sich seither durch einige gute Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die- ser ließ mich eine angemessene Diät halten, und ku- rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde. Wäre ich unglücklich genug gewesen, einem Gießer Quacksalber, deren es dort viele giebt, in die Kral- len zu fallen, vielleicht wäre meine sonst dauerhafte Gesundheit in ihrer Grundfeste erschüttert und zer- stöhrt worden.
Ehe ich mein Kapitel von Wezlar schließe, muß ich noch etwas von dem Ton, welcher daselbst herrscht, sagen, und dann eine empfindsame Procession zum Grabe des jungen Werthers erwähnen.
Nirgends in ganz Deutschland, selbst in Lauch- städt nicht, in Eisenach nicht, und in Merseburg nicht, ist der Ton in den vornehmen Gesellschaften steifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieses zwar nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Gesell- schaften daselbst; allein jeder, den ich darüber habe sprechen hören, -- und ich habe mehrere Sachkun- dige gehört, -- haben mir das so gesagt. Der
gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das Geſchenk, welches das Wezlariſche Menſch mir ge- macht hatte. Ich war gleich anfangs ſo gluͤcklich, in die Haͤnde eines geſchickten Studenten der Medi- cin, des jetzigen Herrn Doctor Adrian Diels von Gladenbach, der ſich ſeither durch einige gute Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die- ſer ließ mich eine angemeſſene Diaͤt halten, und ku- rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde. Waͤre ich ungluͤcklich genug geweſen, einem Gießer Quackſalber, deren es dort viele giebt, in die Kral- len zu fallen, vielleicht waͤre meine ſonſt dauerhafte Geſundheit in ihrer Grundfeſte erſchuͤttert und zer- ſtoͤhrt worden.
Ehe ich mein Kapitel von Wezlar ſchließe, muß ich noch etwas von dem Ton, welcher daſelbſt herrſcht, ſagen, und dann eine empfindſame Proceſſion zum Grabe des jungen Werthers erwaͤhnen.
Nirgends in ganz Deutſchland, ſelbſt in Lauch- ſtaͤdt nicht, in Eiſenach nicht, und in Merſeburg nicht, iſt der Ton in den vornehmen Geſellſchaften ſteifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieſes zwar nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Geſell- ſchaften daſelbſt; allein jeder, den ich daruͤber habe ſprechen hoͤren, — und ich habe mehrere Sachkun- dige gehoͤrt, — haben mir das ſo geſagt. Der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0154"n="140"/>
gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das<lb/>
Geſchenk, welches das Wezlariſche Menſch mir ge-<lb/>
macht hatte. Ich war gleich anfangs ſo gluͤcklich,<lb/>
in die Haͤnde eines geſchickten Studenten der Medi-<lb/>
cin, des jetzigen Herrn Doctor <hirendition="#g">Adrian Diels</hi><lb/>
von Gladenbach, der ſich ſeither durch einige gute<lb/>
Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die-<lb/>ſer ließ mich eine angemeſſene Diaͤt halten, und ku-<lb/>
rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde.<lb/>
Waͤre ich ungluͤcklich genug geweſen, einem Gießer<lb/>
Quackſalber, deren es dort viele giebt, in die Kral-<lb/>
len zu fallen, vielleicht waͤre meine ſonſt dauerhafte<lb/>
Geſundheit in ihrer Grundfeſte erſchuͤttert und zer-<lb/>ſtoͤhrt worden.</p><lb/><p>Ehe ich mein Kapitel von Wezlar ſchließe, muß<lb/>
ich noch etwas von dem Ton, welcher daſelbſt herrſcht,<lb/>ſagen, und dann eine empfindſame Proceſſion zum<lb/>
Grabe des jungen <hirendition="#g">Werthers</hi> erwaͤhnen.</p><lb/><p>Nirgends in ganz Deutſchland, ſelbſt in Lauch-<lb/>ſtaͤdt nicht, in Eiſenach nicht, und in Merſeburg<lb/>
nicht, iſt der Ton in den vornehmen Geſellſchaften<lb/>ſteifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieſes zwar<lb/>
nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer<lb/>
Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Geſell-<lb/>ſchaften daſelbſt; allein jeder, den ich daruͤber habe<lb/>ſprechen hoͤren, — und ich habe mehrere Sachkun-<lb/>
dige gehoͤrt, — haben mir das ſo geſagt. Der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[140/0154]
gen waren. Einige Tage hernach empfand ich das
Geſchenk, welches das Wezlariſche Menſch mir ge-
macht hatte. Ich war gleich anfangs ſo gluͤcklich,
in die Haͤnde eines geſchickten Studenten der Medi-
cin, des jetzigen Herrn Doctor Adrian Diels
von Gladenbach, der ſich ſeither durch einige gute
Schriften bekannt gemacht hat, zu gerathen. Die-
ſer ließ mich eine angemeſſene Diaͤt halten, und ku-
rirte mich innerhalb vier Wochen aus dem Grunde.
Waͤre ich ungluͤcklich genug geweſen, einem Gießer
Quackſalber, deren es dort viele giebt, in die Kral-
len zu fallen, vielleicht waͤre meine ſonſt dauerhafte
Geſundheit in ihrer Grundfeſte erſchuͤttert und zer-
ſtoͤhrt worden.
Ehe ich mein Kapitel von Wezlar ſchließe, muß
ich noch etwas von dem Ton, welcher daſelbſt herrſcht,
ſagen, und dann eine empfindſame Proceſſion zum
Grabe des jungen Werthers erwaͤhnen.
Nirgends in ganz Deutſchland, ſelbſt in Lauch-
ſtaͤdt nicht, in Eiſenach nicht, und in Merſeburg
nicht, iſt der Ton in den vornehmen Geſellſchaften
ſteifer, als eben in Wezlar. Ich habe dieſes zwar
nicht aus unmittelbarer Erfahrung: denn der Gießer
Student hat wenig Zutritt zu den vornehmen Geſell-
ſchaften daſelbſt; allein jeder, den ich daruͤber habe
ſprechen hoͤren, — und ich habe mehrere Sachkun-
dige gehoͤrt, — haben mir das ſo geſagt. Der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/154>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.