Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

in Weilburg besuchen, und begab mich auf die Wan-
derschaft der Liebe.

Ich machte in einem Tage die Strecke von
Gießen nach Frankfurt, und das zu Fuße. -- Nun,
meine Herrn Psychologen, will ich Ihnen was sa-
gen, das Ihnen vielleicht nicht so leicht zu erklären
seyn möchte, als die Ideen-formen. Ich war
doch voll von Theresens Bild, war ihr von ganzer
Seele wieder ergeben: rege Sehnsucht trieb mich zu
ihr hin, kein Gedanke stund in mir auf, an dem
die Idee meines Mädchens sich nicht sogleich ange-
kettet hätte; und doch besuchte ich den Abend, als ich
zu Frankfurt angekommen war, die berüchtigte Ma-
dam Agrikola. Wie gieng das zu? -

Den folgenden Tag fuhr ich mit dem Marktschiffe
nach Mainz, am dritten setzte ich mich in eine Re-
tourchäse, war schon um eilf Uhr in Worms, und
kam des Abends noch vor dunkel in Manheim an.
Ich logirte im goldnen Stern, wo ich den Wirth
kannte, der sich nicht wenig wunderte, mich bei sich
zu sehen. Sogleich fertigte ich ein Billet in das
Haus der Madame B.... des Inhalts, daß je-
mand aus der Gegend der Mamsel .... da wäre,
und sich erkundigte, ob sie nichts an ihren Herrn
Vater zu bestellen hätte? Absichtlich gab ich mir ei-
nen falschen Namen. Der Bothe kam zurück,
brachte mir ein Kompliment von der Mamsel, mit

in Weilburg beſuchen, und begab mich auf die Wan-
derſchaft der Liebe.

Ich machte in einem Tage die Strecke von
Gießen nach Frankfurt, und das zu Fuße. — Nun,
meine Herrn Pſychologen, will ich Ihnen was ſa-
gen, das Ihnen vielleicht nicht ſo leicht zu erklaͤren
ſeyn moͤchte, als die Ideen-formen. Ich war
doch voll von Thereſens Bild, war ihr von ganzer
Seele wieder ergeben: rege Sehnſucht trieb mich zu
ihr hin, kein Gedanke ſtund in mir auf, an dem
die Idee meines Maͤdchens ſich nicht ſogleich ange-
kettet haͤtte; und doch beſuchte ich den Abend, als ich
zu Frankfurt angekommen war, die beruͤchtigte Ma-
dam Agrikola. Wie gieng das zu? –

Den folgenden Tag fuhr ich mit dem Marktſchiffe
nach Mainz, am dritten ſetzte ich mich in eine Re-
tourchaͤſe, war ſchon um eilf Uhr in Worms, und
kam des Abends noch vor dunkel in Manheim an.
Ich logirte im goldnen Stern, wo ich den Wirth
kannte, der ſich nicht wenig wunderte, mich bei ſich
zu ſehen. Sogleich fertigte ich ein Billet in das
Haus der Madame B.... des Inhalts, daß je-
mand aus der Gegend der Mamſel .... da waͤre,
und ſich erkundigte, ob ſie nichts an ihren Herrn
Vater zu beſtellen haͤtte? Abſichtlich gab ich mir ei-
nen falſchen Namen. Der Bothe kam zuruͤck,
brachte mir ein Kompliment von der Mamſel, mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="117"/>
in Weilburg be&#x017F;uchen, und begab mich auf die Wan-<lb/>
der&#x017F;chaft der Liebe.</p><lb/>
        <p>Ich machte in einem Tage die Strecke von<lb/>
Gießen nach Frankfurt, und das zu Fuße. &#x2014; Nun,<lb/>
meine Herrn P&#x017F;ychologen, will ich Ihnen was &#x017F;a-<lb/>
gen, das Ihnen vielleicht nicht &#x017F;o leicht zu erkla&#x0364;ren<lb/>
&#x017F;eyn mo&#x0364;chte, als die Ideen-formen. Ich war<lb/>
doch voll von There&#x017F;ens Bild, war ihr von ganzer<lb/>
Seele wieder ergeben: rege Sehn&#x017F;ucht trieb mich zu<lb/>
ihr hin, kein Gedanke &#x017F;tund in mir auf, an dem<lb/>
die Idee meines Ma&#x0364;dchens &#x017F;ich nicht &#x017F;ogleich ange-<lb/>
kettet ha&#x0364;tte; und doch be&#x017F;uchte ich den Abend, als ich<lb/>
zu Frankfurt angekommen war, die beru&#x0364;chtigte Ma-<lb/>
dam Agrikola. Wie gieng das zu? &#x2013;</p><lb/>
        <p>Den folgenden Tag fuhr ich mit dem Markt&#x017F;chiffe<lb/>
nach Mainz, am dritten &#x017F;etzte ich mich in eine Re-<lb/>
tourcha&#x0364;&#x017F;e, war &#x017F;chon um eilf Uhr in Worms, und<lb/>
kam des Abends noch vor dunkel in Manheim an.<lb/>
Ich logirte im goldnen Stern, wo ich den Wirth<lb/>
kannte, der &#x017F;ich nicht wenig wunderte, mich bei &#x017F;ich<lb/>
zu &#x017F;ehen. Sogleich fertigte ich ein Billet in das<lb/>
Haus der Madame B.... des Inhalts, daß je-<lb/>
mand aus der Gegend der Mam&#x017F;el .... da wa&#x0364;re,<lb/>
und &#x017F;ich erkundigte, ob &#x017F;ie nichts an ihren Herrn<lb/>
Vater zu be&#x017F;tellen ha&#x0364;tte? Ab&#x017F;ichtlich gab ich mir ei-<lb/>
nen fal&#x017F;chen Namen. Der Bothe kam zuru&#x0364;ck,<lb/>
brachte mir ein Kompliment von der Mam&#x017F;el, mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0131] in Weilburg beſuchen, und begab mich auf die Wan- derſchaft der Liebe. Ich machte in einem Tage die Strecke von Gießen nach Frankfurt, und das zu Fuße. — Nun, meine Herrn Pſychologen, will ich Ihnen was ſa- gen, das Ihnen vielleicht nicht ſo leicht zu erklaͤren ſeyn moͤchte, als die Ideen-formen. Ich war doch voll von Thereſens Bild, war ihr von ganzer Seele wieder ergeben: rege Sehnſucht trieb mich zu ihr hin, kein Gedanke ſtund in mir auf, an dem die Idee meines Maͤdchens ſich nicht ſogleich ange- kettet haͤtte; und doch beſuchte ich den Abend, als ich zu Frankfurt angekommen war, die beruͤchtigte Ma- dam Agrikola. Wie gieng das zu? – Den folgenden Tag fuhr ich mit dem Marktſchiffe nach Mainz, am dritten ſetzte ich mich in eine Re- tourchaͤſe, war ſchon um eilf Uhr in Worms, und kam des Abends noch vor dunkel in Manheim an. Ich logirte im goldnen Stern, wo ich den Wirth kannte, der ſich nicht wenig wunderte, mich bei ſich zu ſehen. Sogleich fertigte ich ein Billet in das Haus der Madame B.... des Inhalts, daß je- mand aus der Gegend der Mamſel .... da waͤre, und ſich erkundigte, ob ſie nichts an ihren Herrn Vater zu beſtellen haͤtte? Abſichtlich gab ich mir ei- nen falſchen Namen. Der Bothe kam zuruͤck, brachte mir ein Kompliment von der Mamſel, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/131
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/131>, abgerufen am 21.11.2024.