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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Ich: (wie vom Blitz getroffen) du wirsts doch
in Gießen nichts sagen?

Diefenbach: da müßte mich der Gukkuk pla-
gen! meynst du denn, daß ich ein Drastikum bin?
Sey nur getrost: von mir erfährt der Teufel selbst
kein Wort, und von meiner Schwester auch
nicht. --

Während dieses Gesprächs war auch Mamsel
Diefenbach in den Garten gekommen, und fing nun
an, mich aufzuziehen; als sie aber sah -- und so
was sehen die Frauenzimmer eher, als der feinste
Kritiker ein mendum, -- daß sie mich tief kränkte,
änderte sie ihren Ton, und theilte meine Empfin-
dung. Nichts ist labender für einen Verliebten, als
ein schönes Frauenzimmer, das in seine Gefühle ein-
stimmt. Ich schwamm in Seligkeit und gerieth über
dem Lob meines Mädchens so in Enthusiasmus, daß
ich vergaß, daß das Lob des einen Frauenzimmers
beinahe allemal die Eitelkeit des andern beleidiget.

Mamsell Diefenbach bestärkte mich in meinem
Vorhaben, nach Manheim zu reisen, um Theres-
chen zu besuchen. Ich blieb noch einige Tage in
Reiskirchen; aber dann konnt' ichs nicht mehr aus-
halten vor lauter Sturm und Drang, wie Meister
Klinger spricht: ich gieng nach Gießen zurück,
rüstete mich, gab vor, ich wollte meine Bekannten

Ich: (wie vom Blitz getroffen) du wirſts doch
in Gießen nichts ſagen?

Diefenbach: da muͤßte mich der Gukkuk pla-
gen! meynſt du denn, daß ich ein Draſtikum bin?
Sey nur getroſt: von mir erfaͤhrt der Teufel ſelbſt
kein Wort, und von meiner Schweſter auch
nicht. —

Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs war auch Mamſel
Diefenbach in den Garten gekommen, und fing nun
an, mich aufzuziehen; als ſie aber ſah — und ſo
was ſehen die Frauenzimmer eher, als der feinſte
Kritiker ein mendum, — daß ſie mich tief kraͤnkte,
aͤnderte ſie ihren Ton, und theilte meine Empfin-
dung. Nichts iſt labender fuͤr einen Verliebten, als
ein ſchoͤnes Frauenzimmer, das in ſeine Gefuͤhle ein-
ſtimmt. Ich ſchwamm in Seligkeit und gerieth uͤber
dem Lob meines Maͤdchens ſo in Enthuſiasmus, daß
ich vergaß, daß das Lob des einen Frauenzimmers
beinahe allemal die Eitelkeit des andern beleidiget.

Mamſell Diefenbach beſtaͤrkte mich in meinem
Vorhaben, nach Manheim zu reiſen, um Theres-
chen zu beſuchen. Ich blieb noch einige Tage in
Reiskirchen; aber dann konnt' ichs nicht mehr aus-
halten vor lauter Sturm und Drang, wie Meiſter
Klinger ſpricht: ich gieng nach Gießen zuruͤck,
ruͤſtete mich, gab vor, ich wollte meine Bekannten

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[116/0130] Ich: (wie vom Blitz getroffen) du wirſts doch in Gießen nichts ſagen? Diefenbach: da muͤßte mich der Gukkuk pla- gen! meynſt du denn, daß ich ein Draſtikum bin? Sey nur getroſt: von mir erfaͤhrt der Teufel ſelbſt kein Wort, und von meiner Schweſter auch nicht. — Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs war auch Mamſel Diefenbach in den Garten gekommen, und fing nun an, mich aufzuziehen; als ſie aber ſah — und ſo was ſehen die Frauenzimmer eher, als der feinſte Kritiker ein mendum, — daß ſie mich tief kraͤnkte, aͤnderte ſie ihren Ton, und theilte meine Empfin- dung. Nichts iſt labender fuͤr einen Verliebten, als ein ſchoͤnes Frauenzimmer, das in ſeine Gefuͤhle ein- ſtimmt. Ich ſchwamm in Seligkeit und gerieth uͤber dem Lob meines Maͤdchens ſo in Enthuſiasmus, daß ich vergaß, daß das Lob des einen Frauenzimmers beinahe allemal die Eitelkeit des andern beleidiget. Mamſell Diefenbach beſtaͤrkte mich in meinem Vorhaben, nach Manheim zu reiſen, um Theres- chen zu beſuchen. Ich blieb noch einige Tage in Reiskirchen; aber dann konnt' ichs nicht mehr aus- halten vor lauter Sturm und Drang, wie Meiſter Klinger ſpricht: ich gieng nach Gießen zuruͤck, ruͤſtete mich, gab vor, ich wollte meine Bekannten

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/130>, abgerufen am 21.11.2024.