seyn, ohne seinen Stammbaum von denen herleiten zu können, welche unter Philipp, dem Groß- müthigen, der Reformation beigetreten sind. Zu Heidelberg ist das noch ärger, wie auch zu Mainz: doch davon zu seiner Zeit.
Daß auch Auswärtige, um diese Zeit, die Gie- ßer Universität nicht hoch geachtet haben, zeigt eine Anekdote, welche mir der jetzige Professor zu Gießen, Herr Roos, erzählt hat, als ich vor einigen Jah- ren da war. Ich will sie hier anbringen.
Nach dem Absterben des Professors Wolff wur- de der Lehrstuhl der orientalischen Sprachen erledigt. Das Kuratorium glaubte, daß der Professor Klotz zu Halle auch in diesem Fache gelehrt sey, und both ihm die Stelle an. Klotz dankte für die Ehre aus guten Gründen. Er verstünde, schrieb er in seiner Antwort, zwar kein Hebräisch, noch sonst etwas Orientalisches; doch ceteris paribus sollte ihn das nicht abhalten, die Professur anzunehmen, indem er, binnen vier Wochen, soviel von dergleichen zu ler- nen gedächte, als die Gießer Studenten nimmermehr brauchen würden. --
Wenn es übrigens wahr ist -- wie es nur ein Strohkopf, ein wahrer Quodammodarius leugnen kann -- daß ächtes Studium der Philologie, der Philosophie und der Geschichte die Grundfeste aller wahren Gelehrsamkeit ausmachen; so muß jeder ohne
ſeyn, ohne ſeinen Stammbaum von denen herleiten zu koͤnnen, welche unter Philipp, dem Groß- muͤthigen, der Reformation beigetreten ſind. Zu Heidelberg iſt das noch aͤrger, wie auch zu Mainz: doch davon zu ſeiner Zeit.
Daß auch Auswaͤrtige, um dieſe Zeit, die Gie- ßer Univerſitaͤt nicht hoch geachtet haben, zeigt eine Anekdote, welche mir der jetzige Profeſſor zu Gießen, Herr Roos, erzaͤhlt hat, als ich vor einigen Jah- ren da war. Ich will ſie hier anbringen.
Nach dem Abſterben des Profeſſors Wolff wur- de der Lehrſtuhl der orientaliſchen Sprachen erledigt. Das Kuratorium glaubte, daß der Profeſſor Klotz zu Halle auch in dieſem Fache gelehrt ſey, und both ihm die Stelle an. Klotz dankte fuͤr die Ehre aus guten Gruͤnden. Er verſtuͤnde, ſchrieb er in ſeiner Antwort, zwar kein Hebraͤiſch, noch ſonſt etwas Orientaliſches; doch ceteris paribus ſollte ihn das nicht abhalten, die Profeſſur anzunehmen, indem er, binnen vier Wochen, ſoviel von dergleichen zu ler- nen gedaͤchte, als die Gießer Studenten nimmermehr brauchen wuͤrden. —
Wenn es uͤbrigens wahr iſt — wie es nur ein Strohkopf, ein wahrer Quodammodarius leugnen kann — daß aͤchtes Studium der Philologie, der Philoſophie und der Geſchichte die Grundfeſte aller wahren Gelehrſamkeit ausmachen; ſo muß jeder ohne
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ſeyn, ohne ſeinen Stammbaum von denen herleiten
zu koͤnnen, welche unter Philipp, dem Groß-
muͤthigen, der Reformation beigetreten ſind. Zu
Heidelberg iſt das noch aͤrger, wie auch zu Mainz:
doch davon zu ſeiner Zeit.
Daß auch Auswaͤrtige, um dieſe Zeit, die Gie-
ßer Univerſitaͤt nicht hoch geachtet haben, zeigt eine
Anekdote, welche mir der jetzige Profeſſor zu Gießen,
Herr Roos, erzaͤhlt hat, als ich vor einigen Jah-
ren da war. Ich will ſie hier anbringen.
Nach dem Abſterben des Profeſſors Wolff wur-
de der Lehrſtuhl der orientaliſchen Sprachen erledigt.
Das Kuratorium glaubte, daß der Profeſſor Klotz
zu Halle auch in dieſem Fache gelehrt ſey, und both
ihm die Stelle an. Klotz dankte fuͤr die Ehre aus
guten Gruͤnden. Er verſtuͤnde, ſchrieb er in ſeiner
Antwort, zwar kein Hebraͤiſch, noch ſonſt etwas
Orientaliſches; doch ceteris paribus ſollte ihn das
nicht abhalten, die Profeſſur anzunehmen, indem
er, binnen vier Wochen, ſoviel von dergleichen zu ler-
nen gedaͤchte, als die Gießer Studenten nimmermehr
brauchen wuͤrden. —
Wenn es uͤbrigens wahr iſt — wie es nur ein
Strohkopf, ein wahrer Quodammodarius leugnen
kann — daß aͤchtes Studium der Philologie, der
Philoſophie und der Geſchichte die Grundfeſte aller
wahren Gelehrſamkeit ausmachen; ſo muß jeder ohne
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/103>, abgerufen am 21.11.2024.
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