Büchern wörtlich ab, und trug sie seinen Zuhörern hübsch wieder vor.
In der philosophischen Fakultät wüßte ich aus jener Zeit niemanden vorzüglich zu nennen, als die Herren Böhm und Koester, obgleich diese auch von sehr beträchtlicher Verschiedenheit waren. Noch zu meiner Zeit kam Herr Schlettwein in diese Fakultät, und ward ihre Zierde.
Von den Medicinern will ich noch anmerken, daß innerhalb den drei Jahren, und drüber, die ich in Gießen verlebt habe, nur ein einziger Kadaver auf dem anatomischen Theater ist secirt worden. Der- gleichen herrliche Anstalten sind da getroffen, die Wis- senschaften in Flor zu bringen!
Der Grund von der äusserst elenden Besetzung der Professorstellen -- ich rede noch immer von der Zeit, als ich nach Gießen kam -- ist nicht schwer zu entdecken. Die Professoren sind meistens Landeskin- der, welche ausser Gießen nicht studirt haben. Sie kennen also nur den hergebrachten Schlendrian der Gießer Universität: und da wird denn das Ding fort- gesetzt, wies von alten Zeiten her gewöhnlich war. Selten wird ein Ausländer dahin berufen, oder wird es ja einer; so hat er seine liebe Noth. Die ehrli- lichen Männer Bahrdt, Kartheuser, Köster, selbst Koch und mein Panegyrist, Signor Schmid, haben erfahren, was es heißt, in Gießen Professor zu
Buͤchern woͤrtlich ab, und trug ſie ſeinen Zuhoͤrern huͤbſch wieder vor.
In der philoſophiſchen Fakultaͤt wuͤßte ich aus jener Zeit niemanden vorzuͤglich zu nennen, als die Herren Boͤhm und Koeſter, obgleich dieſe auch von ſehr betraͤchtlicher Verſchiedenheit waren. Noch zu meiner Zeit kam Herr Schlettwein in dieſe Fakultaͤt, und ward ihre Zierde.
Von den Medicinern will ich noch anmerken, daß innerhalb den drei Jahren, und druͤber, die ich in Gießen verlebt habe, nur ein einziger Kadaver auf dem anatomiſchen Theater iſt ſecirt worden. Der- gleichen herrliche Anſtalten ſind da getroffen, die Wiſ- ſenſchaften in Flor zu bringen!
Der Grund von der aͤuſſerſt elenden Beſetzung der Profeſſorſtellen — ich rede noch immer von der Zeit, als ich nach Gießen kam — iſt nicht ſchwer zu entdecken. Die Profeſſoren ſind meiſtens Landeskin- der, welche auſſer Gießen nicht ſtudirt haben. Sie kennen alſo nur den hergebrachten Schlendrian der Gießer Univerſitaͤt: und da wird denn das Ding fort- geſetzt, wies von alten Zeiten her gewoͤhnlich war. Selten wird ein Auslaͤnder dahin berufen, oder wird es ja einer; ſo hat er ſeine liebe Noth. Die ehrli- lichen Maͤnner Bahrdt, Kartheuſer, Koͤſter, ſelbſt Koch und mein Panegyriſt, Signor Schmid, haben erfahren, was es heißt, in Gießen Profeſſor zu
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Buͤchern woͤrtlich ab, und trug ſie ſeinen Zuhoͤrern
huͤbſch wieder vor.
In der philoſophiſchen Fakultaͤt wuͤßte ich aus
jener Zeit niemanden vorzuͤglich zu nennen, als die
Herren Boͤhm und Koeſter, obgleich dieſe auch
von ſehr betraͤchtlicher Verſchiedenheit waren. Noch
zu meiner Zeit kam Herr Schlettwein in dieſe
Fakultaͤt, und ward ihre Zierde.
Von den Medicinern will ich noch anmerken,
daß innerhalb den drei Jahren, und druͤber, die ich
in Gießen verlebt habe, nur ein einziger Kadaver auf
dem anatomiſchen Theater iſt ſecirt worden. Der-
gleichen herrliche Anſtalten ſind da getroffen, die Wiſ-
ſenſchaften in Flor zu bringen!
Der Grund von der aͤuſſerſt elenden Beſetzung
der Profeſſorſtellen — ich rede noch immer von der
Zeit, als ich nach Gießen kam — iſt nicht ſchwer zu
entdecken. Die Profeſſoren ſind meiſtens Landeskin-
der, welche auſſer Gießen nicht ſtudirt haben. Sie
kennen alſo nur den hergebrachten Schlendrian der
Gießer Univerſitaͤt: und da wird denn das Ding fort-
geſetzt, wies von alten Zeiten her gewoͤhnlich war.
Selten wird ein Auslaͤnder dahin berufen, oder wird
es ja einer; ſo hat er ſeine liebe Noth. Die ehrli-
lichen Maͤnner Bahrdt, Kartheuſer, Koͤſter, ſelbſt
Koch und mein Panegyriſt, Signor Schmid, haben
erfahren, was es heißt, in Gießen Profeſſor zu
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/102>, abgerufen am 16.02.2025.
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