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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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"Holen Sie mich heute im Theater ab; den
letzten Akt des Stücks liebe ich nicht."

Es ist ein prächtiger Anblick, diese hohe, volle
Frau in den schwer seidenen Gewändern; schweigend
ruht die Schönheit ihres Antlitzes wie ein tiefer
See, auf dessen Grunde die bewegtesten Geheimnisse
und Leidenschaften schlafen, zuweilen tritt solch ein
leiser Druck aus unbekannter Tiefe in das schwarze
Auge der schönen Frau van Wälen.

Jch werde sie abholen.



Natürlich war ich zeitig im Theater; sie saß in
vollem Putz da, ich sollte sie zu einer Soiree fahren,
die sie heut Abend noch besuchen wolle, eine vor-
nehme irische Familie, die Tags darauf Brüssel ver-
lassen werde, empfange zum letzten Male. Es sind
interessante Katholiken, die mein Mann nicht kennt
und nicht goutirt -- haben Sie Lust, vorgestellt zu
sein, man wird Sie als ein spanisches Kind will-
kommen heißen, und die Leute halten die Paar
Monate, welche sie hier zubringen, offenes Haus.

Die Frau glich dem schönsten Rubensschen Bilde
von einer spanischen Königin, was er malen konnte,

„Holen Sie mich heute im Theater ab; den
letzten Akt des Stücks liebe ich nicht.“

Es iſt ein prächtiger Anblick, dieſe hohe, volle
Frau in den ſchwer ſeidenen Gewändern; ſchweigend
ruht die Schönheit ihres Antlitzes wie ein tiefer
See, auf deſſen Grunde die bewegteſten Geheimniſſe
und Leidenſchaften ſchlafen, zuweilen tritt ſolch ein
leiſer Druck aus unbekannter Tiefe in das ſchwarze
Auge der ſchönen Frau van Wälen.

Jch werde ſie abholen.



Natürlich war ich zeitig im Theater; ſie ſaß in
vollem Putz da, ich ſollte ſie zu einer Soirée fahren,
die ſie heut Abend noch beſuchen wolle, eine vor-
nehme iriſche Familie, die Tags darauf Brüſſel ver-
laſſen werde, empfange zum letzten Male. Es ſind
intereſſante Katholiken, die mein Mann nicht kennt
und nicht goutirt — haben Sie Luſt, vorgeſtellt zu
ſein, man wird Sie als ein ſpaniſches Kind will-
kommen heißen, und die Leute halten die Paar
Monate, welche ſie hier zubringen, offenes Haus.

Die Frau glich dem ſchönſten Rubensſchen Bilde
von einer ſpaniſchen Königin, was er malen konnte,

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[52/0060] „Holen Sie mich heute im Theater ab; den letzten Akt des Stücks liebe ich nicht.“ Es iſt ein prächtiger Anblick, dieſe hohe, volle Frau in den ſchwer ſeidenen Gewändern; ſchweigend ruht die Schönheit ihres Antlitzes wie ein tiefer See, auf deſſen Grunde die bewegteſten Geheimniſſe und Leidenſchaften ſchlafen, zuweilen tritt ſolch ein leiſer Druck aus unbekannter Tiefe in das ſchwarze Auge der ſchönen Frau van Wälen. Jch werde ſie abholen. Natürlich war ich zeitig im Theater; ſie ſaß in vollem Putz da, ich ſollte ſie zu einer Soirée fahren, die ſie heut Abend noch beſuchen wolle, eine vor- nehme iriſche Familie, die Tags darauf Brüſſel ver- laſſen werde, empfange zum letzten Male. Es ſind intereſſante Katholiken, die mein Mann nicht kennt und nicht goutirt — haben Sie Luſt, vorgeſtellt zu ſein, man wird Sie als ein ſpaniſches Kind will- kommen heißen, und die Leute halten die Paar Monate, welche ſie hier zubringen, offenes Haus. Die Frau glich dem ſchönſten Rubensſchen Bilde von einer ſpaniſchen Königin, was er malen konnte,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/60>, abgerufen am 27.11.2024.