Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Wir waren nun aber weit in's Meer hinaus-
getrieben, und der Abend fiel dunkel herab, ich
arbeitete, daß der Schweiß in Strömen über mich
stürzte, die Sterne gingen auf, Henry ward todten-
still, die Wunde mußte in der kalten Nachtluft
heftig schmerzen, aber er verrieth es nicht mit einem
Laute.

Jch brach zusammen, als ich das Boot endlich
an's Ufer geworfen hatte, und es blieb mir doch
noch die schwere Last Henry's, den ich bis an's
Schloß zu tragen hatte. Er ließ es nicht geschehen,
und schleppte sich, auf meine Schulter gestützt, mit
eigner Kraft.



Die Strenge der Umgangssitten in diesem Lande
drückte schwer: Miß Anna verging vor Angst, den
leidenden Henry nicht sehen, nicht pflegen zu können.

Jch verließ sein Zimmer nicht, einem Macht-
losen will ich nichts streitig machen, ich sah Miß
Mary mit keinem Auge; wir sprachen Viel, sehr
Viel, besonders über die Schwäche der Menschen.

Als er so weit wiederhergestellt war, um im
Zimmer umherzugehn, ging ich zum ersten Male

Wir waren nun aber weit in’s Meer hinaus-
getrieben, und der Abend fiel dunkel herab, ich
arbeitete, daß der Schweiß in Strömen über mich
ſtürzte, die Sterne gingen auf, Henry ward todten-
ſtill, die Wunde mußte in der kalten Nachtluft
heftig ſchmerzen, aber er verrieth es nicht mit einem
Laute.

Jch brach zuſammen, als ich das Boot endlich
an’s Ufer geworfen hatte, und es blieb mir doch
noch die ſchwere Laſt Henry’s, den ich bis an’s
Schloß zu tragen hatte. Er ließ es nicht geſchehen,
und ſchleppte ſich, auf meine Schulter geſtützt, mit
eigner Kraft.



Die Strenge der Umgangsſitten in dieſem Lande
drückte ſchwer: Miß Anna verging vor Angſt, den
leidenden Henry nicht ſehen, nicht pflegen zu können.

Jch verließ ſein Zimmer nicht, einem Macht-
loſen will ich nichts ſtreitig machen, ich ſah Miß
Mary mit keinem Auge; wir ſprachen Viel, ſehr
Viel, beſonders über die Schwäche der Menſchen.

Als er ſo weit wiederhergeſtellt war, um im
Zimmer umherzugehn, ging ich zum erſten Male

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0243" n="235"/>
          <p>Wir waren nun aber weit in&#x2019;s Meer hinaus-<lb/>
getrieben, und der Abend fiel dunkel herab, ich<lb/>
arbeitete, daß der Schweiß in Strömen über mich<lb/>
&#x017F;türzte, die Sterne gingen auf, Henry ward todten-<lb/>
&#x017F;till, die Wunde mußte in der kalten Nachtluft<lb/>
heftig &#x017F;chmerzen, aber er verrieth es nicht mit einem<lb/>
Laute.</p><lb/>
          <p>Jch brach zu&#x017F;ammen, als ich das Boot endlich<lb/>
an&#x2019;s Ufer geworfen hatte, und es blieb mir doch<lb/>
noch die &#x017F;chwere La&#x017F;t Henry&#x2019;s, den ich bis an&#x2019;s<lb/>
Schloß zu tragen hatte. Er ließ es nicht ge&#x017F;chehen,<lb/>
und &#x017F;chleppte &#x017F;ich, auf meine Schulter ge&#x017F;tützt, mit<lb/>
eigner Kraft.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Die Strenge der Umgangs&#x017F;itten in die&#x017F;em Lande<lb/>
drückte &#x017F;chwer: Miß Anna verging vor Ang&#x017F;t, den<lb/>
leidenden Henry nicht &#x017F;ehen, nicht pflegen zu können.</p><lb/>
          <p>Jch verließ &#x017F;ein Zimmer nicht, einem Macht-<lb/>
lo&#x017F;en will ich nichts &#x017F;treitig machen, ich &#x017F;ah Miß<lb/>
Mary mit keinem Auge; wir &#x017F;prachen Viel, &#x017F;ehr<lb/>
Viel, be&#x017F;onders über die Schwäche der Men&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Als er &#x017F;o weit wiederherge&#x017F;tellt war, um im<lb/>
Zimmer umherzugehn, ging ich zum er&#x017F;ten Male<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0243] Wir waren nun aber weit in’s Meer hinaus- getrieben, und der Abend fiel dunkel herab, ich arbeitete, daß der Schweiß in Strömen über mich ſtürzte, die Sterne gingen auf, Henry ward todten- ſtill, die Wunde mußte in der kalten Nachtluft heftig ſchmerzen, aber er verrieth es nicht mit einem Laute. Jch brach zuſammen, als ich das Boot endlich an’s Ufer geworfen hatte, und es blieb mir doch noch die ſchwere Laſt Henry’s, den ich bis an’s Schloß zu tragen hatte. Er ließ es nicht geſchehen, und ſchleppte ſich, auf meine Schulter geſtützt, mit eigner Kraft. Die Strenge der Umgangsſitten in dieſem Lande drückte ſchwer: Miß Anna verging vor Angſt, den leidenden Henry nicht ſehen, nicht pflegen zu können. Jch verließ ſein Zimmer nicht, einem Macht- loſen will ich nichts ſtreitig machen, ich ſah Miß Mary mit keinem Auge; wir ſprachen Viel, ſehr Viel, beſonders über die Schwäche der Menſchen. Als er ſo weit wiederhergeſtellt war, um im Zimmer umherzugehn, ging ich zum erſten Male

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/243
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/243>, abgerufen am 08.05.2024.