Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

das Geld, die Bücher, der Tabak, Alles war mir
abgenommen worden, ich hatte nichts zur Beschäfti-
gung als die vier kahlen Wände, einen fichtnen
Tisch, einen fichtenen Schemel, ein blechern Hand-
becken, was im Staube des Fußbodens stand. Der
Wärter, ein großer, vierschrötiger Mensch mit kahlem
Kopfe war kurz, fremd und grob. Es war das
Aeußerste, was mir begegnen konnte, daß ich nach
dem früheren Gefängnisse zurückverlangte wie nach
einem Paradiese; ich weiß kaum, mit welchen Kräf-
ten ich die ersten Wochen dieses Zustandes überlebt
habe: denke Dir das kleine, düstre Loch, in den
Winkel von zwei Gebäuden versteckt, durch einen
Blechkasten verdunkelt, und mich ohne den gering-
sten Anhalt darin, herumtappend den langen Tag
und Abend, ohne Gedanken, ohne Hoffnung. Die
Untersuchung war mir jetzt mit dem grauen Gesichte
einer Unendlichkeit angekündigt, der Zustand konnte
so lange dauern, als mein Leben -- o die Men-
schen, die Menschen! dachte ich wohl manchmal da,
wenn ich aus der Dumpfheit aufwachte, die Menschen
treiben mit einander das Unverantwortliche. Jch
hatte es gesehn, wie draußen warm und geschäftig

das Geld, die Bücher, der Tabak, Alles war mir
abgenommen worden, ich hatte nichts zur Beſchäfti-
gung als die vier kahlen Wände, einen fichtnen
Tiſch, einen fichtenen Schemel, ein blechern Hand-
becken, was im Staube des Fußbodens ſtand. Der
Wärter, ein großer, vierſchrötiger Menſch mit kahlem
Kopfe war kurz, fremd und grob. Es war das
Aeußerſte, was mir begegnen konnte, daß ich nach
dem früheren Gefängniſſe zurückverlangte wie nach
einem Paradieſe; ich weiß kaum, mit welchen Kräf-
ten ich die erſten Wochen dieſes Zuſtandes überlebt
habe: denke Dir das kleine, düſtre Loch, in den
Winkel von zwei Gebäuden verſteckt, durch einen
Blechkaſten verdunkelt, und mich ohne den gering-
ſten Anhalt darin, herumtappend den langen Tag
und Abend, ohne Gedanken, ohne Hoffnung. Die
Unterſuchung war mir jetzt mit dem grauen Geſichte
einer Unendlichkeit angekündigt, der Zuſtand konnte
ſo lange dauern, als mein Leben — o die Men-
ſchen, die Menſchen! dachte ich wohl manchmal da,
wenn ich aus der Dumpfheit aufwachte, die Menſchen
treiben mit einander das Unverantwortliche. Jch
hatte es geſehn, wie draußen warm und geſchäftig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="113"/>
das Geld, die Bücher, der Tabak, Alles war mir<lb/>
abgenommen worden, ich hatte nichts zur Be&#x017F;chäfti-<lb/>
gung als die vier kahlen Wände, einen fichtnen<lb/>
Ti&#x017F;ch, einen fichtenen Schemel, ein blechern Hand-<lb/>
becken, was im Staube des Fußbodens &#x017F;tand. Der<lb/>
Wärter, ein großer, vier&#x017F;chrötiger Men&#x017F;ch mit kahlem<lb/>
Kopfe war kurz, fremd und grob. Es war das<lb/>
Aeußer&#x017F;te, was mir begegnen konnte, daß ich nach<lb/>
dem früheren Gefängni&#x017F;&#x017F;e zurückverlangte wie nach<lb/>
einem Paradie&#x017F;e; ich weiß kaum, mit welchen Kräf-<lb/>
ten ich die er&#x017F;ten Wochen die&#x017F;es Zu&#x017F;tandes überlebt<lb/>
habe: denke Dir das kleine, dü&#x017F;tre Loch, in den<lb/>
Winkel von zwei Gebäuden ver&#x017F;teckt, durch einen<lb/>
Blechka&#x017F;ten verdunkelt, und mich ohne den gering-<lb/>
&#x017F;ten Anhalt darin, herumtappend den langen Tag<lb/>
und Abend, ohne Gedanken, ohne Hoffnung. Die<lb/>
Unter&#x017F;uchung war mir jetzt mit dem grauen Ge&#x017F;ichte<lb/>
einer Unendlichkeit angekündigt, der Zu&#x017F;tand konnte<lb/>
&#x017F;o lange dauern, als mein Leben &#x2014; o die Men-<lb/>
&#x017F;chen, die Men&#x017F;chen! dachte ich wohl manchmal da,<lb/>
wenn ich aus der Dumpfheit aufwachte, die Men&#x017F;chen<lb/>
treiben mit einander das Unverantwortliche. Jch<lb/>
hatte es ge&#x017F;ehn, wie draußen warm und ge&#x017F;chäftig<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0121] das Geld, die Bücher, der Tabak, Alles war mir abgenommen worden, ich hatte nichts zur Beſchäfti- gung als die vier kahlen Wände, einen fichtnen Tiſch, einen fichtenen Schemel, ein blechern Hand- becken, was im Staube des Fußbodens ſtand. Der Wärter, ein großer, vierſchrötiger Menſch mit kahlem Kopfe war kurz, fremd und grob. Es war das Aeußerſte, was mir begegnen konnte, daß ich nach dem früheren Gefängniſſe zurückverlangte wie nach einem Paradieſe; ich weiß kaum, mit welchen Kräf- ten ich die erſten Wochen dieſes Zuſtandes überlebt habe: denke Dir das kleine, düſtre Loch, in den Winkel von zwei Gebäuden verſteckt, durch einen Blechkaſten verdunkelt, und mich ohne den gering- ſten Anhalt darin, herumtappend den langen Tag und Abend, ohne Gedanken, ohne Hoffnung. Die Unterſuchung war mir jetzt mit dem grauen Geſichte einer Unendlichkeit angekündigt, der Zuſtand konnte ſo lange dauern, als mein Leben — o die Men- ſchen, die Menſchen! dachte ich wohl manchmal da, wenn ich aus der Dumpfheit aufwachte, die Menſchen treiben mit einander das Unverantwortliche. Jch hatte es geſehn, wie draußen warm und geſchäftig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/121
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/121>, abgerufen am 08.05.2024.