Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Gott, unser Gott, das letzte geschehen, dann sollt
Jhr meinen Leichnam auf das freie Feld werfen für
die Vögel des Himmels, damit die Kunde von un-
serm Unglück durch alle Lüfte getragen werde, und
Gott sie hören muß. --

Es ist ein tiefes Geheimniß um die Heimath,
und es ist ein wahres Wort: Was uns wohl thun
soll, muß uns heimathlich werden. Valerius staunte
die lange Grabesfrau an, er sah in das untraulich
lächelnde Gesicht des Grafen, aber es war ihm kalt
im Herzen. Er fühlte es mit tiefem Weh, daß
ihn nur ein Begriff mit diesen Leuten vereine, kein
Tropfen warmen Blutes; daß die Nationalitäten,
die ihm stets unwichtig erschienen waren, von ge-
waltiger Bedeutung und Trennung seien.

Nur die Tochter des Hauses, die schöne Hed-
wig, erinnerte ihn an das frische polnische Element,
an die ewige, tragische Jugend dieses Volks, die
nimmer klagt und wimmert, und unter Thränen
lacht. Sie und der liebenswürdige Joel hielten sei-
nen Muth aufrecht in dieser unnahbaren Fremde.
Die Liebenswürdigkeit ist überall daheim.



Gott, unſer Gott, das letzte geſchehen, dann ſollt
Jhr meinen Leichnam auf das freie Feld werfen für
die Vögel des Himmels, damit die Kunde von un-
ſerm Unglück durch alle Lüfte getragen werde, und
Gott ſie hören muß. —

Es iſt ein tiefes Geheimniß um die Heimath,
und es iſt ein wahres Wort: Was uns wohl thun
ſoll, muß uns heimathlich werden. Valerius ſtaunte
die lange Grabesfrau an, er ſah in das untraulich
lächelnde Geſicht des Grafen, aber es war ihm kalt
im Herzen. Er fühlte es mit tiefem Weh, daß
ihn nur ein Begriff mit dieſen Leuten vereine, kein
Tropfen warmen Blutes; daß die Nationalitäten,
die ihm ſtets unwichtig erſchienen waren, von ge-
waltiger Bedeutung und Trennung ſeien.

Nur die Tochter des Hauſes, die ſchöne Hed-
wig, erinnerte ihn an das friſche polniſche Element,
an die ewige, tragiſche Jugend dieſes Volks, die
nimmer klagt und wimmert, und unter Thränen
lacht. Sie und der liebenswürdige Joel hielten ſei-
nen Muth aufrecht in dieſer unnahbaren Fremde.
Die Liebenswürdigkeit iſt überall daheim.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="52"/>
Gott, un&#x017F;er Gott, das letzte ge&#x017F;chehen, dann &#x017F;ollt<lb/>
Jhr meinen Leichnam auf das freie Feld werfen für<lb/>
die Vögel des Himmels, damit die Kunde von un-<lb/>
&#x017F;erm Unglück durch alle Lüfte getragen werde, und<lb/>
Gott &#x017F;ie hören muß. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t ein tiefes Geheimniß um die Heimath,<lb/>
und es i&#x017F;t ein wahres Wort: Was uns wohl thun<lb/>
&#x017F;oll, muß uns heimathlich werden. Valerius &#x017F;taunte<lb/>
die lange Grabesfrau an, er &#x017F;ah in das untraulich<lb/>
lächelnde Ge&#x017F;icht des Grafen, aber es war ihm kalt<lb/>
im Herzen. Er fühlte es mit tiefem Weh, daß<lb/>
ihn nur ein Begriff mit die&#x017F;en Leuten vereine, kein<lb/>
Tropfen warmen Blutes; daß die Nationalitäten,<lb/>
die ihm &#x017F;tets unwichtig er&#x017F;chienen waren, von ge-<lb/>
waltiger Bedeutung und Trennung &#x017F;eien.</p><lb/>
          <p>Nur die Tochter des Hau&#x017F;es, die &#x017F;chöne Hed-<lb/>
wig, erinnerte ihn an das fri&#x017F;che polni&#x017F;che Element,<lb/>
an die ewige, tragi&#x017F;che Jugend die&#x017F;es Volks, die<lb/>
nimmer klagt und wimmert, und unter Thränen<lb/>
lacht. Sie und der liebenswürdige Joel hielten &#x017F;ei-<lb/>
nen Muth aufrecht in die&#x017F;er unnahbaren Fremde.<lb/>
Die Liebenswürdigkeit i&#x017F;t überall daheim.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] Gott, unſer Gott, das letzte geſchehen, dann ſollt Jhr meinen Leichnam auf das freie Feld werfen für die Vögel des Himmels, damit die Kunde von un- ſerm Unglück durch alle Lüfte getragen werde, und Gott ſie hören muß. — Es iſt ein tiefes Geheimniß um die Heimath, und es iſt ein wahres Wort: Was uns wohl thun ſoll, muß uns heimathlich werden. Valerius ſtaunte die lange Grabesfrau an, er ſah in das untraulich lächelnde Geſicht des Grafen, aber es war ihm kalt im Herzen. Er fühlte es mit tiefem Weh, daß ihn nur ein Begriff mit dieſen Leuten vereine, kein Tropfen warmen Blutes; daß die Nationalitäten, die ihm ſtets unwichtig erſchienen waren, von ge- waltiger Bedeutung und Trennung ſeien. Nur die Tochter des Hauſes, die ſchöne Hed- wig, erinnerte ihn an das friſche polniſche Element, an die ewige, tragiſche Jugend dieſes Volks, die nimmer klagt und wimmert, und unter Thränen lacht. Sie und der liebenswürdige Joel hielten ſei- nen Muth aufrecht in dieſer unnahbaren Fremde. Die Liebenswürdigkeit iſt überall daheim.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/62
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/62>, abgerufen am 06.05.2024.