Er eilte an's Fenster, um sich zu orientiren. Das Schloß schien ein großes Gebäude zu sein, es war aber offenbar schlecht erhalten, der Putz war an vielen Stellen abgefallen, die Stufen, welche zum Portal führten, waren schadhaft oder fehlten ganz, die Rinnen hingen zerstört von der Traufe, auch das Dach mußte schadhaft sein, denn im Zimmer des Valerius, was sich im zweiten Stock befand, war ein Theil der Decke so mit Feuchtigkeit ange- füllt, daß er jeden Augenblick herunter zu stürzen drohte. Die Aussicht vom Fenster führte auf den nahen Wald. Wirthschaftsgebäude und Scheuern lagen zerstreut umher und gewährten einen unerfreu- lichen Anblick. Sie waren nachlässig aus Lehm ge- baut und mit Stroh gedeckt. Hie und da bemerkte man große Lücken in Dach und Mauern. Die dünne Schneelage, welche Alles bedeckte, schmolz eben unter der hervortretenden Sonne, und das Ganze bekam ein schwarzes, unwirthliches Ansehn.
Valerius stand mit untergeschlagenen Armen am Fenster, und ein tiefer Seufzer drang aus seinem Herzen. Er war aus Deutschland gekommen, um diesem tapfern Volke zur Erkämpfung der Freiheit
Er eilte an’s Fenſter, um ſich zu orientiren. Das Schloß ſchien ein großes Gebäude zu ſein, es war aber offenbar ſchlecht erhalten, der Putz war an vielen Stellen abgefallen, die Stufen, welche zum Portal führten, waren ſchadhaft oder fehlten ganz, die Rinnen hingen zerſtört von der Traufe, auch das Dach mußte ſchadhaft ſein, denn im Zimmer des Valerius, was ſich im zweiten Stock befand, war ein Theil der Decke ſo mit Feuchtigkeit ange- füllt, daß er jeden Augenblick herunter zu ſtürzen drohte. Die Ausſicht vom Fenſter führte auf den nahen Wald. Wirthſchaftsgebäude und Scheuern lagen zerſtreut umher und gewährten einen unerfreu- lichen Anblick. Sie waren nachläſſig aus Lehm ge- baut und mit Stroh gedeckt. Hie und da bemerkte man große Lücken in Dach und Mauern. Die dünne Schneelage, welche Alles bedeckte, ſchmolz eben unter der hervortretenden Sonne, und das Ganze bekam ein ſchwarzes, unwirthliches Anſehn.
Valerius ſtand mit untergeſchlagenen Armen am Fenſter, und ein tiefer Seufzer drang aus ſeinem Herzen. Er war aus Deutſchland gekommen, um dieſem tapfern Volke zur Erkämpfung der Freiheit
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Er eilte an’s Fenſter, um ſich zu orientiren. Das
Schloß ſchien ein großes Gebäude zu ſein, es war
aber offenbar ſchlecht erhalten, der Putz war an
vielen Stellen abgefallen, die Stufen, welche zum
Portal führten, waren ſchadhaft oder fehlten ganz,
die Rinnen hingen zerſtört von der Traufe, auch
das Dach mußte ſchadhaft ſein, denn im Zimmer
des Valerius, was ſich im zweiten Stock befand,
war ein Theil der Decke ſo mit Feuchtigkeit ange-
füllt, daß er jeden Augenblick herunter zu ſtürzen
drohte. Die Ausſicht vom Fenſter führte auf den
nahen Wald. Wirthſchaftsgebäude und Scheuern
lagen zerſtreut umher und gewährten einen unerfreu-
lichen Anblick. Sie waren nachläſſig aus Lehm ge-
baut und mit Stroh gedeckt. Hie und da bemerkte
man große Lücken in Dach und Mauern. Die dünne
Schneelage, welche Alles bedeckte, ſchmolz eben unter
der hervortretenden Sonne, und das Ganze bekam
ein ſchwarzes, unwirthliches Anſehn.
Valerius ſtand mit untergeſchlagenen Armen am
Fenſter, und ein tiefer Seufzer drang aus ſeinem
Herzen. Er war aus Deutſchland gekommen, um
dieſem tapfern Volke zur Erkämpfung der Freiheit
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/55>, abgerufen am 17.02.2025.
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