Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

seinen Arm zu leihen. Muth und Patriotismus
ohne Gleichen hatte er allerdings gefunden, sonst
aber Alles in traurigem Zustande. Hohe gesellige
Kultur neben aller Vernachlässigung des häuslichen
Lebensmaterials, Ehrgeiz ohne Maaß und ohne
Berücksichtigung der Allgemeinheit, keine Spur von
deutscher Häbigkeit und Wohlfahrt. "Es ist ein
ander Volk, ein ander Land" -- sprach er oft
zu sich -- "Du mußt Dich einleben, es nicht
nach andern Formen bemessen." Aber froh wurde
er doch nicht.

Wir glauben es nicht, wie viel äußere Freiheit
wir entbehren können für den zierlichen und behag-
lichen Heerd, für die anregende und befriedigende
Gesellschaft. So daß die gesellige Kultur oft mäch-
tiger erscheint als der Drang nach Freiheit. Dies
macht es auch allein erklärlich, wie ganze Völker
ohne Klage in den erniedrigendsten Regierungsfor-
men fortleben, ja sich befriedigt fühlen können.

Die Behaglichkeit eines heimlichen, hergebrach-
ten Zustandes ist die größte Macht des Bestehenden,
da immer nur der kleinste Theil des Volkes von

ſeinen Arm zu leihen. Muth und Patriotismus
ohne Gleichen hatte er allerdings gefunden, ſonſt
aber Alles in traurigem Zuſtande. Hohe geſellige
Kultur neben aller Vernachläſſigung des häuslichen
Lebensmaterials, Ehrgeiz ohne Maaß und ohne
Berückſichtigung der Allgemeinheit, keine Spur von
deutſcher Häbigkeit und Wohlfahrt. „Es iſt ein
ander Volk, ein ander Land“ — ſprach er oft
zu ſich — „Du mußt Dich einleben, es nicht
nach andern Formen bemeſſen.“ Aber froh wurde
er doch nicht.

Wir glauben es nicht, wie viel äußere Freiheit
wir entbehren können für den zierlichen und behag-
lichen Heerd, für die anregende und befriedigende
Geſellſchaft. So daß die geſellige Kultur oft mäch-
tiger erſcheint als der Drang nach Freiheit. Dies
macht es auch allein erklärlich, wie ganze Völker
ohne Klage in den erniedrigendſten Regierungsfor-
men fortleben, ja ſich befriedigt fühlen können.

Die Behaglichkeit eines heimlichen, hergebrach-
ten Zuſtandes iſt die größte Macht des Beſtehenden,
da immer nur der kleinſte Theil des Volkes von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="46"/>
&#x017F;einen Arm zu leihen. Muth und Patriotismus<lb/>
ohne Gleichen hatte er allerdings gefunden, &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
aber Alles in traurigem Zu&#x017F;tande. Hohe ge&#x017F;ellige<lb/>
Kultur neben aller Vernachlä&#x017F;&#x017F;igung des häuslichen<lb/>
Lebensmaterials, Ehrgeiz ohne Maaß und ohne<lb/>
Berück&#x017F;ichtigung der Allgemeinheit, keine Spur von<lb/>
deut&#x017F;cher Häbigkeit und Wohlfahrt. &#x201E;Es i&#x017F;t ein<lb/>
ander Volk, ein ander Land&#x201C; &#x2014; &#x017F;prach er oft<lb/>
zu &#x017F;ich &#x2014; &#x201E;Du mußt Dich einleben, es nicht<lb/>
nach andern Formen beme&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; Aber froh wurde<lb/>
er doch nicht.</p><lb/>
          <p>Wir glauben es nicht, wie viel äußere Freiheit<lb/>
wir entbehren können für den zierlichen und behag-<lb/>
lichen Heerd, für die anregende und befriedigende<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. So daß die ge&#x017F;ellige Kultur oft mäch-<lb/>
tiger er&#x017F;cheint als der Drang nach Freiheit. Dies<lb/>
macht es auch allein erklärlich, wie ganze Völker<lb/>
ohne Klage in den erniedrigend&#x017F;ten Regierungsfor-<lb/>
men fortleben, ja &#x017F;ich befriedigt fühlen können.</p><lb/>
          <p>Die Behaglichkeit eines heimlichen, hergebrach-<lb/>
ten Zu&#x017F;tandes i&#x017F;t die größte Macht des Be&#x017F;tehenden,<lb/>
da immer nur der klein&#x017F;te Theil des Volkes von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0056] ſeinen Arm zu leihen. Muth und Patriotismus ohne Gleichen hatte er allerdings gefunden, ſonſt aber Alles in traurigem Zuſtande. Hohe geſellige Kultur neben aller Vernachläſſigung des häuslichen Lebensmaterials, Ehrgeiz ohne Maaß und ohne Berückſichtigung der Allgemeinheit, keine Spur von deutſcher Häbigkeit und Wohlfahrt. „Es iſt ein ander Volk, ein ander Land“ — ſprach er oft zu ſich — „Du mußt Dich einleben, es nicht nach andern Formen bemeſſen.“ Aber froh wurde er doch nicht. Wir glauben es nicht, wie viel äußere Freiheit wir entbehren können für den zierlichen und behag- lichen Heerd, für die anregende und befriedigende Geſellſchaft. So daß die geſellige Kultur oft mäch- tiger erſcheint als der Drang nach Freiheit. Dies macht es auch allein erklärlich, wie ganze Völker ohne Klage in den erniedrigendſten Regierungsfor- men fortleben, ja ſich befriedigt fühlen können. Die Behaglichkeit eines heimlichen, hergebrach- ten Zuſtandes iſt die größte Macht des Beſtehenden, da immer nur der kleinſte Theil des Volkes von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/56
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/56>, abgerufen am 27.11.2024.