Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

wie Don Juan von seiner verabschiedeten Geliebten:
Jhr Kopf hat sehr gelitten --

Valerius erkundigte sich nach der alten Gräfin,
und hörte: daß sie sich noch eben so befände, wie
sie sich seit einigen dreißig Jahren befunden habe
-- aber dieser Krieg, setzte Hedwig traurig hinzu,
wird wohl das Ende ihres Lebens sein. Siegen
wir, so stirbt sie vor Freude, und werden wir von
Neuem unterjocht, so stirbt sie vor Kummer. --

-- Es flogen Wolken über den Himmel, die
Sonne ward bedeckt, und bald fiel ein trüber Re-
gen. Sie eilten nach der Stadt zurück, Valerius
versprach, um die Theezeit seinen Besuch zu machen,
und so trennten sie sich.

Dieser plötzliche Wechsel vom schimmernden Son-
nenscheine zum grauen trübseligen Regenwetter ver-
düsterte seinen Sinn, der nur gar zu geneigt war,
sich dunklen Ahnungen hinzugeben, wenn der Him-
mel seine Anzeigen zu senden schien. Sein Geist
kämpfte gegen den Aberglauben, aber sein Herz
dafür. Von demselben Fenster seiner Wohnung,
aus dem er noch vor Kurzem die freudestrahlenden
Waffen der polnischen Soldaten gesehen hatte,

wie Don Juan von ſeiner verabſchiedeten Geliebten:
Jhr Kopf hat ſehr gelitten —

Valerius erkundigte ſich nach der alten Gräfin,
und hörte: daß ſie ſich noch eben ſo befände, wie
ſie ſich ſeit einigen dreißig Jahren befunden habe
— aber dieſer Krieg, ſetzte Hedwig traurig hinzu,
wird wohl das Ende ihres Lebens ſein. Siegen
wir, ſo ſtirbt ſie vor Freude, und werden wir von
Neuem unterjocht, ſo ſtirbt ſie vor Kummer. —

— Es flogen Wolken über den Himmel, die
Sonne ward bedeckt, und bald fiel ein trüber Re-
gen. Sie eilten nach der Stadt zurück, Valerius
verſprach, um die Theezeit ſeinen Beſuch zu machen,
und ſo trennten ſie ſich.

Dieſer plötzliche Wechſel vom ſchimmernden Son-
nenſcheine zum grauen trübſeligen Regenwetter ver-
düſterte ſeinen Sinn, der nur gar zu geneigt war,
ſich dunklen Ahnungen hinzugeben, wenn der Him-
mel ſeine Anzeigen zu ſenden ſchien. Sein Geiſt
kämpfte gegen den Aberglauben, aber ſein Herz
dafür. Von demſelben Fenſter ſeiner Wohnung,
aus dem er noch vor Kurzem die freudeſtrahlenden
Waffen der polniſchen Soldaten geſehen hatte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="192"/>
wie Don Juan von &#x017F;einer verab&#x017F;chiedeten Geliebten:<lb/>
Jhr Kopf hat &#x017F;ehr gelitten &#x2014;</p><lb/>
          <p>Valerius erkundigte &#x017F;ich nach der alten Gräfin,<lb/>
und hörte: daß &#x017F;ie &#x017F;ich noch eben &#x017F;o befände, wie<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;eit einigen dreißig Jahren befunden habe<lb/>
&#x2014; aber die&#x017F;er Krieg, &#x017F;etzte Hedwig traurig hinzu,<lb/>
wird wohl das Ende ihres Lebens &#x017F;ein. Siegen<lb/>
wir, &#x017F;o &#x017F;tirbt &#x017F;ie vor Freude, und werden wir von<lb/>
Neuem unterjocht, &#x017F;o &#x017F;tirbt &#x017F;ie vor Kummer. &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x2014; Es flogen Wolken über den Himmel, die<lb/>
Sonne ward bedeckt, und bald fiel ein trüber Re-<lb/>
gen. Sie eilten nach der Stadt zurück, Valerius<lb/>
ver&#x017F;prach, um die Theezeit &#x017F;einen Be&#x017F;uch zu machen,<lb/>
und &#x017F;o trennten &#x017F;ie &#x017F;ich.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er plötzliche Wech&#x017F;el vom &#x017F;chimmernden Son-<lb/>
nen&#x017F;cheine zum grauen trüb&#x017F;eligen Regenwetter ver-<lb/>&#x017F;terte &#x017F;einen Sinn, der nur gar zu geneigt war,<lb/>
&#x017F;ich dunklen Ahnungen hinzugeben, wenn der Him-<lb/>
mel &#x017F;eine Anzeigen zu &#x017F;enden &#x017F;chien. Sein Gei&#x017F;t<lb/>
kämpfte gegen den Aberglauben, aber &#x017F;ein Herz<lb/>
dafür. Von dem&#x017F;elben Fen&#x017F;ter &#x017F;einer Wohnung,<lb/>
aus dem er noch vor Kurzem die freude&#x017F;trahlenden<lb/>
Waffen der polni&#x017F;chen Soldaten ge&#x017F;ehen hatte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0202] wie Don Juan von ſeiner verabſchiedeten Geliebten: Jhr Kopf hat ſehr gelitten — Valerius erkundigte ſich nach der alten Gräfin, und hörte: daß ſie ſich noch eben ſo befände, wie ſie ſich ſeit einigen dreißig Jahren befunden habe — aber dieſer Krieg, ſetzte Hedwig traurig hinzu, wird wohl das Ende ihres Lebens ſein. Siegen wir, ſo ſtirbt ſie vor Freude, und werden wir von Neuem unterjocht, ſo ſtirbt ſie vor Kummer. — — Es flogen Wolken über den Himmel, die Sonne ward bedeckt, und bald fiel ein trüber Re- gen. Sie eilten nach der Stadt zurück, Valerius verſprach, um die Theezeit ſeinen Beſuch zu machen, und ſo trennten ſie ſich. Dieſer plötzliche Wechſel vom ſchimmernden Son- nenſcheine zum grauen trübſeligen Regenwetter ver- düſterte ſeinen Sinn, der nur gar zu geneigt war, ſich dunklen Ahnungen hinzugeben, wenn der Him- mel ſeine Anzeigen zu ſenden ſchien. Sein Geiſt kämpfte gegen den Aberglauben, aber ſein Herz dafür. Von demſelben Fenſter ſeiner Wohnung, aus dem er noch vor Kurzem die freudeſtrahlenden Waffen der polniſchen Soldaten geſehen hatte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/202
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/202>, abgerufen am 17.05.2024.