Es war einige Tage darauf, als Valerius in seinen Mantel gehüllt durch die Straßen von War- schau strich. Der Mondschein lag mit seinen wei- chen Blicken über der Stadt, wie eine süße Trauer oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren Dinge fügen sich ja nachgiebig unsers Herzens Wün- schen, wir lesen unser Herz in ihren Blicken, und demselben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch- zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be- gräbnißfackel darin zu sehen glaubt. Darum sagen manche Leute, es sei nichts wirklich, als unser Gedanke.
Auch Valerius dachte so. Wozu quält man sich mit den Aeußerlichkeiten, sprach er in seinem trü- ben Sinne, unser eigensinniges Herz macht ja doch daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-
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Es war einige Tage darauf, als Valerius in ſeinen Mantel gehüllt durch die Straßen von War- ſchau ſtrich. Der Mondſchein lag mit ſeinen wei- chen Blicken über der Stadt, wie eine ſüße Trauer oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren Dinge fügen ſich ja nachgiebig unſers Herzens Wün- ſchen, wir leſen unſer Herz in ihren Blicken, und demſelben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch- zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be- gräbnißfackel darin zu ſehen glaubt. Darum ſagen manche Leute, es ſei nichts wirklich, als unſer Gedanke.
Auch Valerius dachte ſo. Wozu quält man ſich mit den Aeußerlichkeiten, ſprach er in ſeinem trü- ben Sinne, unſer eigenſinniges Herz macht ja doch daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-
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14.
Es war einige Tage darauf, als Valerius in
ſeinen Mantel gehüllt durch die Straßen von War-
ſchau ſtrich. Der Mondſchein lag mit ſeinen wei-
chen Blicken über der Stadt, wie eine ſüße Trauer
oder wie eine wehmüthige Freude. Die äußeren
Dinge fügen ſich ja nachgiebig unſers Herzens Wün-
ſchen, wir leſen unſer Herz in ihren Blicken, und
demſelben Lichte jauchzt der Eine wie einer Hoch-
zeitsleuchte entgegen, während der andere eine Be-
gräbnißfackel darin zu ſehen glaubt. Darum ſagen
manche Leute, es ſei nichts wirklich, als unſer
Gedanke.
Auch Valerius dachte ſo. Wozu quält man ſich
mit den Aeußerlichkeiten, ſprach er in ſeinem trü-
ben Sinne, unſer eigenſinniges Herz macht ja doch
daraus, was es will. Wozu trachten wir unab-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. [131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/141>, abgerufen am 08.05.2024.
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