Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

wärtige Anblick dieses spärlich erleuchteten nächtli-
chen Zuges wecke ein romantisches Gefühl in ihm,
schalt er weiter, nein, es sei der Augenblick, als
vor fünf Minuten die Mondesstrahlen glänzend
durch die Baumgipfel gebrochen seien, jener Augen-
blick übe den Reiz auf sein Jnneres, obwohl das
Auge noch fortwährend dasselbe sehen könne, jener
vergangene Augenblick liege bereits als geschichtli-
ches Bild dieser Fahrt in seinem Gedächtnisse. --
Jch will keine Vergangenheit, ich will Gegenwart,
sprach er wie ein ungezogenes Kind vor sich hin --
ich will ein Mensch sein, nicht aber ein Künstler,
den Träume beglücken. --

So wüthet der Mensch gegen sein Fleisch, und
der Starke schmäht seine doppelten Kräfte, weil er
in den Stunden des Unmuths einen Schwachen
lächeln sieht, und diesen um seine Schwäche benei-
den zu müssen glaubt.

Aber wir mögen uns noch so viel Mühe geben,
unserm Wesen ungetreu zu werden, unser eigent-
liches Wesen ist unsre Gesundheit, und die Natur
strebt immer von selbst wieder dahin zurück.

III. 5

wärtige Anblick dieſes ſpärlich erleuchteten nächtli-
chen Zuges wecke ein romantiſches Gefühl in ihm,
ſchalt er weiter, nein, es ſei der Augenblick, als
vor fünf Minuten die Mondesſtrahlen glänzend
durch die Baumgipfel gebrochen ſeien, jener Augen-
blick übe den Reiz auf ſein Jnneres, obwohl das
Auge noch fortwährend daſſelbe ſehen könne, jener
vergangene Augenblick liege bereits als geſchichtli-
ches Bild dieſer Fahrt in ſeinem Gedächtniſſe. —
Jch will keine Vergangenheit, ich will Gegenwart,
ſprach er wie ein ungezogenes Kind vor ſich hin —
ich will ein Menſch ſein, nicht aber ein Künſtler,
den Träume beglücken. —

So wüthet der Menſch gegen ſein Fleiſch, und
der Starke ſchmäht ſeine doppelten Kräfte, weil er
in den Stunden des Unmuths einen Schwachen
lächeln ſieht, und dieſen um ſeine Schwäche benei-
den zu müſſen glaubt.

Aber wir mögen uns noch ſo viel Mühe geben,
unſerm Weſen ungetreu zu werden, unſer eigent-
liches Weſen iſt unſre Geſundheit, und die Natur
ſtrebt immer von ſelbſt wieder dahin zurück.

III. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0107" n="97"/>
wärtige Anblick die&#x017F;es &#x017F;pärlich erleuchteten nächtli-<lb/>
chen Zuges wecke ein romanti&#x017F;ches Gefühl in ihm,<lb/>
&#x017F;chalt er weiter, nein, es &#x017F;ei der Augenblick, als<lb/>
vor fünf Minuten die Mondes&#x017F;trahlen glänzend<lb/>
durch die Baumgipfel gebrochen &#x017F;eien, jener Augen-<lb/>
blick übe den Reiz auf &#x017F;ein Jnneres, obwohl das<lb/>
Auge noch fortwährend da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ehen könne, jener<lb/>
vergangene Augenblick liege bereits als ge&#x017F;chichtli-<lb/>
ches Bild die&#x017F;er Fahrt in &#x017F;einem Gedächtni&#x017F;&#x017F;e. &#x2014;<lb/>
Jch will keine Vergangenheit, ich will Gegenwart,<lb/>
&#x017F;prach er wie ein ungezogenes Kind vor &#x017F;ich hin &#x2014;<lb/>
ich will ein Men&#x017F;ch &#x017F;ein, nicht aber ein Kün&#x017F;tler,<lb/>
den Träume beglücken. &#x2014;</p><lb/>
          <p>So wüthet der Men&#x017F;ch gegen &#x017F;ein Flei&#x017F;ch, und<lb/>
der Starke &#x017F;chmäht &#x017F;eine doppelten Kräfte, weil er<lb/>
in den Stunden des Unmuths einen Schwachen<lb/>
lächeln &#x017F;ieht, und die&#x017F;en um &#x017F;eine Schwäche benei-<lb/>
den zu mü&#x017F;&#x017F;en glaubt.</p><lb/>
          <p>Aber wir mögen uns noch &#x017F;o viel Mühe geben,<lb/>
un&#x017F;erm We&#x017F;en ungetreu zu werden, un&#x017F;er eigent-<lb/>
liches We&#x017F;en i&#x017F;t un&#x017F;re Ge&#x017F;undheit, und die Natur<lb/>
&#x017F;trebt immer von &#x017F;elb&#x017F;t wieder dahin zurück.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> 5</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0107] wärtige Anblick dieſes ſpärlich erleuchteten nächtli- chen Zuges wecke ein romantiſches Gefühl in ihm, ſchalt er weiter, nein, es ſei der Augenblick, als vor fünf Minuten die Mondesſtrahlen glänzend durch die Baumgipfel gebrochen ſeien, jener Augen- blick übe den Reiz auf ſein Jnneres, obwohl das Auge noch fortwährend daſſelbe ſehen könne, jener vergangene Augenblick liege bereits als geſchichtli- ches Bild dieſer Fahrt in ſeinem Gedächtniſſe. — Jch will keine Vergangenheit, ich will Gegenwart, ſprach er wie ein ungezogenes Kind vor ſich hin — ich will ein Menſch ſein, nicht aber ein Künſtler, den Träume beglücken. — So wüthet der Menſch gegen ſein Fleiſch, und der Starke ſchmäht ſeine doppelten Kräfte, weil er in den Stunden des Unmuths einen Schwachen lächeln ſieht, und dieſen um ſeine Schwäche benei- den zu müſſen glaubt. Aber wir mögen uns noch ſo viel Mühe geben, unſerm Weſen ungetreu zu werden, unſer eigent- liches Weſen iſt unſre Geſundheit, und die Natur ſtrebt immer von ſelbſt wieder dahin zurück. III. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/107
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/107>, abgerufen am 09.05.2024.